Fed-Entscheidung belastet Tech-Werte

Die US-Notenbank senkt trotz fehlender Daten die Zinsen, was zu einer Nervosität an den Märkten führt. Der Nasdaq verliert, während der Dollar schwächelt und Silber ein Allzeithoch erreicht.

Kurz zusammengefasst:
  • Nasdaq verliert trotz erwarteter Fed-Zinssenkung
  • Dollar schwächelt, Silber erreicht Allzeithoch
  • Europäische Zinserwartungen drehen sich nach oben
  • US-Immobilienmarkt zeigt strukturelle Schwäche

Die Finanzmärkte zeigen sich am Mittwoch nervös vor der mit Spannung erwarteten Zinsentscheidung der US-Notenbank. Während die Industriewerte noch leicht zulegen können, geraten ausgerechnet die Tech-Giganten unter Druck – ein bemerkenswertes Signal in einem Jahr, das von KI-Euphorie geprägt war.

Geteilte Fed steht vor schwieriger Entscheidung

Die Federal Reserve befindet sich in einer der schwierigsten Situationen seit Jahren. Mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 90 Prozent erwarten die Märkte eine Zinssenkung um 25 Basispunkte um 20 Uhr deutscher Zeit. Doch die eigentliche Spannung liegt woanders: Wie viele der zwölf stimmberechtigten Mitglieder werden gegen eine weitere Lockerung votieren? Fed-Chef Jerome Powell könnte erstmals seit Langem mit substantieller interner Opposition konfrontiert sein.

„Die Fed operiert quasi im Blindflug“, erklärt Eugene Epstein, Handelsexperte bei Moneycorp. Der Grund: Wegen des jüngsten Regierungsstillstands fehlen entscheidende Wirtschaftsdaten. Der November-Arbeitsmarktbericht verzögert sich bis zum 16. Dezember, die Inflationsdaten folgen zwei Tage später. Die Notenbank muss also eine weitreichende Entscheidung treffen, ohne das vollständige Bild der Konjunkturlage zu kennen.

Die Herausforderung liegt in der Gratwanderung zwischen Konjunkturstütze und Inflationsbekämpfung. Während sich der Arbeitsmarkt abkühlt, bleiben die Preisrisiken bestehen. Analysten rechnen mit einem „hawkish cut“ – einer Zinssenkung, die von restriktiven Signalen für künftige Schritte begleitet wird.

Börsen reagieren verhalten – Tech schwächelt

Der Dow Jones Industrial Average konnte um 215 Punkte auf 47.776 Zähler zulegen, ein Plus von 0,45 Prozent. Der S&P 500 verharrt mit einem minimalen Anstieg von 0,04 Prozent bei 6.843 Punkten nahezu unverändert. Doch der Nasdaq Composite verlor 66 Punkte oder 0,28 Prozent und rutschte auf 23.510 Zähler – ein Warnsignal für die bislang dominierenden Technologiewerte.

Besonders auffällig: Der Industriesektor führt die Gewinnerliste an, während ausgerechnet Tech die rote Laterne trägt. Oracle-Aktien gaben bereits vorbörslich 0,8 Prozent ab, obwohl die Quartalszahlen des Softwarekonzerns erst nach Börsenschluss erwartet werden. Die Nervosität ist spürbar – könnten die astronomischen KI-Bewertungen ihren Härtetest bestehen?

GE Vernova sticht mit einem Kurssprung von 8,4 Prozent heraus. Der Energiekonzern erhöhte seine Umsatzprognose für 2026 und signalisiert damit anhaltend starke Nachfrage nach KI-Infrastruktur. Ein Lichtblick in einem ansonsten verhaltenen Marktumfeld.

Dollar schwächelt, Silber glänzt

Am Devisenmarkt verlor der Dollar nach zwei Tagen mit Gewinnen wieder an Boden. Der Dollar-Index fiel um 0,25 Prozent auf 98,97 Punkte. Investoren reduzieren ihre Positionen in Erwartung der Zinssenkung. Der Euro legte gegen den Greenback um 0,23 Prozent auf 1,1652 Dollar zu, während der Yen 0,37 Prozent gewann und bei 156,28 je Dollar notierte.

Silber erlebte einen spektakulären Tag und erreichte mit 61,61 Dollar je Unze ein Allzeithoch, bevor es sich bei rund 61 Dollar einpendelte – ein Plus von 0,6 Prozent. Der Preis hat sich damit innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Verantwortlich sind nicht nur schrumpfende Lagerbestände und spekulatives Momentum, sondern auch die explodierende Nachfrage aus zukunftsträchtigen Sektoren: Solarenergie, Elektrofahrzeuge und deren Infrastruktur sowie Datenzentren für künstliche Intelligenz treiben den Verbrauch, wie das Silver Institute berichtet.

Anleiherenditen fallen, Europa signalisiert Zinsende

Die Renditen am US-Anleihenmarkt gaben vor der Fed-Entscheidung nach. Zehnjährige Treasuries rentierten mit 4,161 Prozent, 2,5 Basispunkte unter dem Vortageswert. Ein bemerkenswerter Kontrast zu den Entwicklungen in Europa und Japan.

In Deutschland kletterte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um zwei Basispunkte auf 2,87 Prozent – den höchsten Stand seit März. Französische Staatspapiere gleicher Laufzeit legten sogar um 3,2 Basispunkte auf 3,59 Prozent zu. Der Hintergrund: EZB-Direktorin Isabel Schnabel erschütterte am Montag die Märkte mit der Aussage, dass die nächste Zinsbewegung in der Eurozone eher nach oben gehen könnte. Ein zu langes Festhalten am aktuellen Niveau käme einer passiven Lockerung gleich, warnte sie.

Die Märkte reagierten prompt: Für 2026 wird nun keine weitere EZB-Zinssenkung mehr eingepreist. Weltweit zeigt sich ein ähnliches Muster – von Australien über Kanada bis Japan passen Investoren ihre Erwartungen an und rechnen mit höheren Zinsen.

Immobilienmarkt bleibt gedämpft

Der US-Wohnungsmarkt kämpft weiterhin mit strukturellen Problemen. Laut einer Reuters-Umfrage unter Immobilienexperten werden die Hauspreise 2026 nur um 1,4 Prozent steigen – der schwächste Anstieg seit 14 Jahren. Der durchschnittliche 30-jährige Hypothekenzins soll 2026 bei 6,18 Prozent liegen, nur minimal unter den aktuellen 6,32 Prozent. Trotz erwarteter weiterer Fed-Zinssenkungen bleiben Immobilienkredite für viele unerschwinglich.

„Die Wohnungsnachfrage wird durch mangelnde Erschwinglichkeit gebremst – hohe Preise, erhöhte Hypothekenzinsen“, erklärt James Knightley, Chefökonom bei ING. „Gleichzeitig wachsen die Ängste vor Arbeitslosigkeit und dämpfen die Kauflust weiter.“ Das Problem verschärft sich durch einen gravierenden Mangel an Einstiegshäusern. Der Anteil der Erstkäufer ist auf ein Rekordtief von nur 21 Prozent gesunken.

Politische Unsicherheit als Belastungsfaktor

Die wirtschaftliche Unsicherheit wird durch geopolitische Spannungen verstärkt. Frankreichs Parlament billigte am Dienstag knapp den Sozialversicherungshaushalt für 2026 – ein Pyrrhussieg für Premierminister Sebastien Lecornu, der seine fragile Regierung weiter unter Druck sieht.

Noch größere Sorgen bereitet die unberechenbare US-Handelspolitik. Die europäischen Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Deutschland führten am Mittwoch ein 40-minütiges Gespräch mit US-Präsident Donald Trump über Friedensbemühungen in der Ukraine. Die bevorstehende Überprüfung des Handelsabkommens zwischen den USA, Kanada und Mexiko schafft zusätzliche Verunsicherung für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Die Finanzmärkte stehen damit vor einem Spagat: kurzfristige Zinserleichterungen gegen langfristige Strukturprobleme und politische Risiken. Kein Wunder also, dass Investoren an diesem Fed-Tag besonders nervös auf jedes Signal aus Washington achten.

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