Zentralbanken starten größte Zinswende seit Finanzkrise

Zentralbanken weltweit senken die Zinsen 2025 um 850 Basispunkte, während der Goldpreis neue Rekorde erreicht und der Yen trotz Zinserhöhungen unter Druck bleibt.

Kurz zusammengefasst:
  • Historische Zinssenkungswelle in Industrieländern
  • Goldpreis nähert sich der 4.500-Dollar-Marke
  • Japanischer Yen verliert trotz Zinserhöhung
  • Schwellenländer senken Zinsen noch aggressiver

Die Geldhähne öffnen sich wieder – und zwar so kräftig wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Während die großen Notenbanken ihre Zinsen massiv senken, stehen Anleger vor einem neuen Umfeld: Billigere Kredite treffen auf hartnäckige Inflation und eine unsichere Handelspolitik. Gleichzeitig erreicht Gold neue Rekordpreise und der Yen droht trotz Zinserhöhungen weiter abzustürzen.

Historische Zinssenkungswelle erfasst Industrieländer

2025 markiert eine dramatische Kehrtwende in der globalen Geldpolitik. Neun der zehn wichtigsten Zentralbanken – darunter die US-Notenbank Fed, die Europäische Zentralbank und die Bank of England – senkten ihre Leitzinsen in diesem Jahr um insgesamt 850 Basispunkte. Mit 32 einzelnen Zinssenkungen ist dies die größte Anzahl seit der Finanzkrise 2008 und das umfangreichste Lockerungspaket seit 2009.

Die aggressive Zinswende folgt auf zwei Jahre beispielloser Straffung, als die Notenbanken die Inflation nach dem Ukraine-Krieg bekämpften. Nun scheint das Pendel in die Gegenrichtung zu schwingen – doch nicht überall. Japan sticht als Ausnahme hervor und erhöhte die Zinsen zweimal, was die Kluft zwischen den Währungsräumen weiter vergrößert.

Doch bereits im Dezember zeigten sich deutliche Bremsspuren: Von neun Zentralbanken mit Sitzungen im letzten Monat senkten nur noch Fed und Bank of England die Zinsen. „Während 2025 die Dynamik entweder Stillstand oder Zinssenkung war, wird sich das 2026 ändern“, warnt Luis Oganes, Chef-Makrostratege bei JPMorgan. „Besonders in der zweiten Jahreshälfte werden wir ein beidseitiges Risiko sehen“ – sprich: Zinserhöhungen könnten zurückkommen.

Schwellenländer senken noch aggressiver

In Entwicklungsländern fällt die Zinswende noch dramatischer aus. Allein im Dezember lieferten acht Notenbanken – von der Türkei über Russland bis Thailand – Zinssenkungen von zusammen 350 Basispunkten. Über das Gesamtjahr summiert sich die Lockerung auf beeindruckende 3.085 Basispunkte verteilt auf 51 Maßnahmen. Das übertrifft die 2.160 Basispunkte aus 2024 deutlich und stellt den größten Lockerungsschub seit mindestens 2021 dar.

„Die Inflation wurde unter Kontrolle gehalten, und zwar viel besser als in entwickelten Märkten, dank einer wesentlich proaktiveren Politik“, erklärt Giulia Pellegrini von Allianz Global Investors. Tatsächlich zeigten sich Schwellenländer-Notenbanken deutlich entschlossener als ihre Pendants in den Industriestaaten.

Allerdings gab es auch Gegenwind: 625 Basispunkte an Zinserhöhungen wurden ebenfalls verzeichnet, wenn auch weniger als die Hälfte der 1.450 Basispunkte aus 2024. Analysten erwarten weitere Lockerungen, insbesondere von Brasilien und Ungarn, während andere Länder ihre Zinssenkungszyklen fortsetzen dürften.

Gold glänzt bei 4.500 Dollar – und klettert weiter

Der Goldpreis schwebt in Reichweite der 4.500-Dollar-Marke und markierte am Dienstag bei 4.497,55 Dollar ein neues Rekordhoch. Mit einem Plus von über 70 Prozent seit Jahresbeginn verzeichnet das Edelmetall den stärksten Jahresanstieg seit 1979. Die Treiber dieser Rally sind vielfältig: Neben klassischer Nachfrage nach sicheren Häfen in unsicheren Zeiten spielen Erwartungen weiterer US-Zinssenkungen, robuste Käufe von Zentralbanken und De-Dollarisierungstrends eine Schlüsselrolle.

Besonders bemerkenswert ist die Nachfrage über börsengehandelte Goldfonds. Bis Oktober flossen 64 Milliarden Dollar in physisch besicherte Gold-ETFs – allein im Rekordmonat September waren es 17,3 Milliarden Dollar. Auch Chinas Zentralbank setzt ihren Goldkauftrend fort: Im November erhöhten sich die Reserven auf 74,12 Millionen Feinunzen, was den 13. Monat in Folge mit Zuflüssen markiert.

Niedrigere Zinsen verringern die Opportunitätskosten für zinsloses Gold, während gleichzeitig Donald Trumps Handelskrieg und ein schwächelnder Dollar die Attraktivität des Edelmetalls steigern. Mit effektiven Zollsätzen von 145 Prozent auf chinesische Importe und Gegenzöllen von 125 Prozent aus Peking bleiben die geopolitischen Risiken hoch – ein ideales Umfeld für das ultimative Krisenmetall.

Yen unter Druck trotz Zinserhöhung

Japans Währung bewegt sich auf dünnem Eis. Trotz der jüngsten Zinserhöhung der Bank of Japan auf den höchsten Stand seit 30 Jahren verlor der Yen deutlich an Boden und testete erneut die 156-Marke zum Dollar. Das Problem: Die Zinsdifferenz zu den USA schrumpft zu langsam für ungeduldige Investoren.

Finanzministerin Satsuki Katayama ließ die bisher schärfste Warnung verlauten und signalisierte Tokios Bereitschaft zur Währungsintervention. „Japan hat freie Hand im Umgang mit übermäßigen Yen-Bewegungen“, so die Ministerin. Die Drohung zeigt Wirkung – zumindest kurzfristig. Der Yen erholte sich um 0,7 Prozent auf 155,9 pro Dollar.

Doch Analysten bleiben skeptisch. BOJ-Gouverneur Kazuo Ueda ließ in seiner Pressekonferenz bewusst offen, wann die nächste Zinserhöhung kommt. Zwar betonte er, weitere Erhöhungen stünden an, doch die vage Kommunikation deutet auf eine langsame Gangart hin. „Die BOJ will vermutlich etwa alle sechs Monate die Zinsen anheben“, schätzt Ex-Direktoriumsmitglied Makoto Sakurai, der für Mitte 2026 mit dem nächsten Schritt rechnet.

Einige Insider spekulieren jedoch über einen früheren Move – möglicherweise bereits im April. Ausschlaggebend wird sein, wie stark der schwache Yen die Inflation anheizt. Zwei Direktoriumsmitglieder widersprachen bereits den Inflationsprognosen der Bank und sehen die 2-Prozent-Marke früher erreicht als offizielle Schätzungen. Kein Wunder also, dass Anleger nervös reagieren: Bei tiefnegativen Realzinsen bleibt der Abwärtstrend des Yen intakt – trotz verbaler Interventionsdrohungen.

US-Einzelhandel trotzt gedämpften Erwartungen

Amerikanische Verbraucher zeigen sich überraschend widerstandsfähig. Laut vorläufigen Daten von Visa und Mastercard stiegen die Einzelhandelsumsätze in der Weihnachtssaison um etwa 4 Prozent. Visa meldete für den Zeitraum vom 1. November bis 21. Dezember ein Plus von 4,2 Prozent, während Mastercard 3,9 Prozent verzeichnete – beide Werte lagen über den Erwartungen zu Beginn der Saison.

„Käufer gingen deliberater vor und nutzten oft KI-Tools, um Preise zu vergleichen und ihre Budgets zu strecken“, erklärt Visa-Chefökonom Wayne Best. Michelle Meyer vom Mastercard Economics Institute ergänzt: „Konsumenten kauften früh ein und setzten auf Promotionen für die besten Deals.“

Elektronikprodukte führten das Wachstum mit 5,8 Prozent an, gefolgt von Bekleidung und Accessoires mit 5,3 Prozent. Der Online-Handel wuchs schneller als stationäre Geschäfte, doch die physischen Läden dominierten weiterhin mit 73 Prozent aller Transaktionen. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Amerikaner wirtschaftliche Sorgen und Inflationsängste zumindest vorübergehend beiseite schoben – eine gute Nachricht für Einzelhändler, die mit frühen Rabatten um jeden Dollar kämpften.

China-Chipimporte verlieren Schwung

Nach Monaten starken Wachstums verlangsamten sich Chinas Halbleiter-Ausrüstungsimporte im November spürbar. Laut Barclays-Analyse sanken die Importe um 8 Prozent im Jahresvergleich und um 24 Prozent gegenüber Oktober. Dennoch bleibt die Jahresbilanz mit 7 Prozent Plus positiv, nachdem die Monate August bis Oktober zweistellige Zuwächse geliefert hatten.

Besonders deutlich zeigt sich die Abschwächung bei Lithographie-Ausrüstung, dem Herzstück moderner Chipfertigung: minus 15 Prozent im Jahresvergleich und minus 32 Prozent zum Vormonat. Auf Jahressicht liegen die Lithographie-Importe 10 Prozent im Minus. Auch Ätz-Equipment brach um 32 Prozent im Jahresvergleich ein, während Back-End-Ausrüstung um 40 Prozent zulegte.

Die Verlangsamung im November deutet eher auf einen Momentumverlust als auf eine Trendwende hin. Taiwans Export-Orders – ein wichtiger Frühindikator für Technologienachfrage – kletterten im November um beeindruckende 39,5 Prozent, den stärksten Anstieg seit fast fünf Jahren. Halbleiter bleiben von US-Zöllen verschont, was taiwanesischen Chipriesen wie TSMC zugute kommt und Chinas Hunger nach Technologie-Unabhängigkeit weiter befeuert.

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