Tesla, Palantir & Bitcoin: Wenn Rekordzahlen nicht mehr reichen

Palantir und Tesla verlieren trotz starker Quartalsergebnisse an Wert, während Bitcoin um die 100.000-Dollar-Marke schwankt. Europäische Industriewerte und Halbleiteraktien zeigen dagegen Stärke.

Kurz zusammengefasst:
  • Palantir verliert trotz 63% Umsatzwachstum
  • Tesla kämpft mit Gewinneinbruch und Margendruck
  • Bitcoin notiert knapp über 100.000 Dollar
  • Europäische Werte und Halbleiter überraschen positiv

Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal erzählen fallende Kurse mehr über die Psychologie der Märkte als jede Bilanzpressekonferenz. Palantir liefert ein Umsatzwachstum von 63 Prozent ab – und verliert fast neun Prozent an Wert. Tesla kämpft trotz solider Zahlen mit Bewertungsskepsis. Und Bitcoin? Der schwebt knapp über der magischen 100.000-Dollar-Marke, während Anleger nervös auf das nächste Signal warten. Willkommen in einer Börsenwoche, in der Erwartungen schwerer wiegen als Ergebnisse und in der sich zeigt: Selbst im Bullenmarkt gibt es Momente der Ernüchterung.

Palantir: Wenn 63 Prozent Wachstum zu wenig sind

Die Zahlen von Palantir lesen sich wie aus dem Lehrbuch eines KI-Gewinners: 1,18 Milliarden Dollar Umsatz im dritten Quartal, ein Plus von 63 Prozent zum Vorjahr. Das US-Geschäft explodiert regelrecht mit 77 Prozent Wachstum auf 883 Millionen Dollar. Ein frischer Vertrag mit der US-Armee bringt potenziell bis zu 10 Milliarden Dollar in die Kasse. CEO Alex Karp schwärmt von der transformativen Kraft der hauseigenen KI-Plattform AIP. Alles perfekt also?

Nicht für die Börse. Die Aktie sackte nach den Zahlen um fast neun Prozent ab, auf Fünf-Tagessicht steht ein Minus von über 14 Prozent zu Buche. Der Grund ist so simpel wie schmerzhaft: Die Bewertung hat sich von der Realität entkoppelt. Mit dem 83-Fachen der für 2026 erwarteten Umsätze handelt Palantir selbst für KI-Verhältnisse am oberen Ende des Wahnsinns. Analysten von Jefferies und der Deutschen Bank loben zwar die operativen Leistungen, mahnen aber gleichzeitig zur Vorsicht. Was fehlt? Konkrete Aussagen zum kommenden Jahr. Solange die Vision größer bleibt als die Guidance, bleiben Gewinnmitnahmen das Gebot der Stunde.

Tesla zwischen Robotaxi-Traum und Margendruck

Bei Tesla zeigt sich ein ähnliches Muster, wenn auch weniger dramatisch. Der Elektropionier meldete für das dritte Quartal einen Umsatzanstieg von 12 Prozent auf 28,1 Milliarden Dollar. Klingt solide – bis man genauer hinschaut. Der GAAP-Gewinn brach um 37 Prozent auf 1,37 Milliarden ein. Grund sind aggressive Preissenkungen und massive Investitionen in Forschung und Entwicklung. Fast 500.000 Fahrzeuge wurden ausgeliefert, doch die Margen leiden.

Elon Musk setzt längst auf die nächste große Wette: Robotaxis, den humanoiden Roboter Optimus und die Monetarisierung des autonomen Fahrens. Die Aktionäre genehmigten sein Rekord-Vergütungspaket, doch die Börse fragt sich: Wie viel Zukunft steckt wirklich im aktuellen Kurs von 429,52 Dollar? Die Analysten sind gespalten. Optimisten sehen Kursziele von 600 Dollar und verweisen auf das Potenzial in KI und Energiespeicherung. Skeptiker mahnen, dass Tesla heute zum Vielfachen künftiger Erfolge bewertet wird, die noch nicht einmal regulatorisch genehmigt sind. Europa schwächelt, die US-Nachfrage wird durch auslaufende Steuervergünstigungen gestützt – ein fragiles Fundament für eine Bewertung, die bereits Perfektion einpreist.

Bitcoin: Die 100.000-Dollar-Zitterpartie

Während Aktien kämpfen, ringt Bitcoin um psychologische Stabilität. Mit rund 106.000 Dollar notiert die Kryptowährung zwar deutlich über der runden Marke, doch das Momentum fehlt. Die jüngste Korrektur hat Anleger verunsichert, zumal sie in eine Phase fällt, in der viele auf eine Jahresendrallye gehofft hatten. Experten mahnen zur Geduld: Rücksetzer seien notwendige Pausen für Reflexion und Neuausrichtung, so Vivien Lin von BingX.

Interessant wird es bei den Prognosen. Cathie Wood, die Starinvestorin von Ark Invest, hat ihre Bitcoin-Schätzung für 2030 von 1,5 Millionen auf 1,2 Millionen Dollar gesenkt – immer noch ambitioniert, aber ein Signal, dass auch die größten Bullen ihre Erwartungen kalibrieren. Derweil sorgt eine andere Zahl für Aufsehen: Die US-Notenbank hat binnen fünf Tagen 125 Milliarden Dollar über Repo-Geschäfte ins Bankensystem gepumpt. Analyst Florian Grummes spricht von einem „stealth easing“, einer verdeckten Geldlockerung. Für Bitcoin könnte das mittelfristig Rückenwind bedeuten – wenn die Liquidität in Risikoanlagen fließt statt in Staatsanleihen.

Europas Industriewerte überraschen positiv

Während die Tech-Stars straucheln, glänzen einige europäische Schwergewichte. Siemens Energy schießt um über vier Prozent nach oben, nachdem Jefferies die Aktie auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 55 auf 134 Euro mehr als verdoppelt hat. Die Begründung: Siemens Energy adressiert mit seinem Portfolio – von Gasturbinen über Windkraft bis zu Netztechnologien – genau die Engpässe, die durch KI-Rechenzentren, erneuerbare Energien und Netzmodernisierung entstehen. Analyst Lucas Ferhani erwartet eine jährliche Gewinnsteigerung von 40 Prozent bis 2028 und sieht massive Preissetzungsmacht.

Auch die Commerzbank profitiert von einer Neubewertung. Die Deutsche Bank stuft die Aktie auf „Buy“ hoch, das Kursziel liegt bei 37 Euro. Nach den starken Zahlen im dritten Quartal sehen Analysten die Bank auf einem klaren Wachstumspfad. Die Nettozinserträge haben ihren Tiefpunkt erreicht, die Kapitalüberschüsse sind immens – und das Ausschüttungspotenzial wird vom Markt unterschätzt. Die Aktie legt prompt über fünf Prozent zu.

Halbleiter: Asiens Antwort auf Nvidias Blackwell-Hunger

Fernöstliche Chipwerte erleben zum Wochenstart eine bemerkenswerte Rally. SK hynix steigt um 4,5 Prozent, Samsung Electronics um 2,8 Prozent, während in Tokio Advantest und Tokyo Electron jeweils über vier Prozent zulegen. Der Auslöser? Nvidia-CEO Jensen Huang bezeichnete die Nachfrage nach der neuen Blackwell-KI-Chip-Generation als „sehr stark“. Entscheidend ist: Blackwell ist nicht nur ein GPU, sondern eine komplette Plattform mit CPUs, Netzwerktechnik und Switches. Das bedeutet massiven Bedarf an Speicherchips, Foundry-Kapazitäten und Testsystemen.

TSMC, Nvidias langjähriger Partner, fährt die Produktion hoch – und die gesamte Lieferkette zieht mit. Doch es gibt auch Warnzeichen: TSMCs Umsatzwachstum verlangsamte sich im Oktober auf 16,9 Prozent, das schwächste Plus seit Februar. Manche Beobachter fürchten, dass der KI-Hype seinen Höhepunkt erreicht haben könnte. Gleichzeitig verschärfen Exportbeschränkungen für Hochleistungschips nach China die geopolitischen Spannungen. Für Anleger bleibt es ein Drahtseilakt: Die Chancen sind real, aber viele Kursgewinne bereits eingepreist.

Rüstungsaktien auf Rekordkurs

Während Tech-Titel schwächeln, kennen Rüstungswerte kaum Grenzen. Rheinmetall startet ein Joint Venture mit dem finnischen Unternehmen ICEYE zur Produktion hochauflösender Radarsatelliten. Die neue Tochter „Rheinmetall ICEYE Space Solutions“ soll noch vor Jahresende operativ starten, der erste Satellit ist für 2026 geplant. Die Expansion ins All zeigt, wie breit Rheinmetall sein Portfolio aufstellt – vom Panzer bis zum Weltraum. Die Aktie legt über zwei Prozent zu, ebenso wie die Papiere von Renk und Hensoldt.

Die Bank of America hat allerdings ihr Kursziel für Rheinmetall leicht von 2.225 auf 2.200 Euro gesenkt, hält aber an der Kaufempfehlung fest. Das Unternehmen bekräftigte sein Ziel, bis 2030 einen Umsatz von 40 bis 50 Milliarden Euro zu erreichen. Das Wachstum soll ab 2027 mit der Hochskalierung der Munitionsproduktion beschleunigen, gefolgt von Fahrzeugen, Elektronik und Luftverteidigung. Der Auftragsbestand könnte bis Mitte 2026 auf 120 Milliarden Euro steigen – ein Polster, das langfristiges Wachstum absichert.

Novo Nordisk: Verlierer im Bieterkampf, Gewinner an der Börse

Manchmal ist Verlieren ein Segen. Novo Nordisk zog sein Angebot für das US-Biotech-Unternehmen Metsera zurück, nachdem Pfizer mit einem verbesserten Gebot von bis zu 10 Milliarden Dollar das Rennen gemacht hatte. Die Reaktion der Anleger? Erleichterung. Die Novo-Aktie steigt um drei Prozent. Der Grund ist einfach: Ein milliardenschwerer Übernahmekrieg hätte Ressourcen gebunden, die das Unternehmen für die Weiterentwicklung seiner erfolgreichen Abnehmmedikamente wie Wegovy braucht. Zudem waren kartellrechtliche Bedenken im Raum gestanden. Pfizer übernimmt nun die Risiken – und Novo kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.

Die Woche voraus: Shutdown-Ende und Quartalszahlen

Der längste Regierungsstillstand in der US-Geschichte nähert sich seinem Ende. Der Senat hat in einer Abstimmung am Sonntag einen Gesetzentwurf vorangebracht, der die Regierung bis Ende Januar finanzieren soll. Noch muss das Repräsentantenhaus zustimmen und Präsident Trump unterschreiben, doch die Zeichen stehen auf Entspannung. Für die Märkte ist das ein Befreiungsschlag – auch wenn die Lösung nur vorübergehend ist und die grundlegenden Haushaltskonflikte ungelöst bleiben.

Diese Woche stehen zudem wichtige Quartalszahlen an. Bayer meldet am Dienstag, Analyst Richard Vosser rechnet mit einer positiven Überraschung. Am Freitag folgt Suss Microtec, dessen Aktie nach Kaufempfehlungen von Jefferies und UBS bereits über zehn Prozent zugelegt hat. Die Analysten sehen eine Belebung der Aufträge im KI-Bereich und eine attraktive Bewertung. Der Kapitalmarkttag am 17. November könnte weiteren Schwung bringen.

Derweil bleibt die Frage, ob die Tech-Rally wieder Fahrt aufnimmt oder ob wir eine längere Konsolidierung erleben. Die US-Futures deuten auf einen freundlichen Wochenstart hin, doch die Nervosität bleibt. Eines ist klar: In einem Markt, in dem selbst Rekordwachstum nicht mehr ausreicht, zählt vor allem eines – realistische Erwartungen.

Bleiben Sie informiert und behalten Sie einen kühlen Kopf.

Herzliche Grüße
Andreas Sommer

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