Fed-Entscheidung setzt Märkte unter Druck

Die US-Börsen rutschten ab, während Anleger vor der Fed-Sitzung nervös sind. Eine Zinssenkung gilt als sicher, doch die Spaltung im Gremium könnte historisch ausfallen.

Kurz zusammengefasst:
  • S&P 500 und Dow Jones starten Woche im Minus
  • Historische Uneinigkeit bei Fed-Entscheidung erwartet
  • Dollar und Anleiherenditen legen zu
  • Übernahmespekulationen sorgen für extreme Kursbewegungen

Die Wall Street schlitterte am Montag ins Minus, während Anleger nervös auf die Federal Reserve-Sitzung am Mittwoch blicken. Der S&P 500 verlor 0,56 Prozent auf 6.832 Punkte, der Dow Jones gab 0,63 Prozent nach. Die Unsicherheit ist greifbar: Zwar gilt eine Zinssenkung um 25 Basispunkte als nahezu sicher – Händler preisen eine 87-prozentige Wahrscheinlichkeit ein – doch die Frage nach dem weiteren Kurs spaltet die Fed so stark wie seit Jahren nicht mehr.

„Es wird schwer für den Markt, eine klare Richtung zu finden, bevor die Fed gesprochen hat“, erklärt Carol Schleif, Chefstrategin bei BMO Private Wealth. Die starke Berichtssaison ist vorbei, neue Quartalszahlen kommen erst in vier Wochen. Was bleibt, ist die Zinsentscheidung – und die könnte turbulent werden.

Historische Uneinigkeit erwartet

Analysten rechnen mit Gegenstimmen aus beiden Lagern – sowohl von Falken als auch von Tauben. „Wir erwarten Dissens, möglicherweise von hawkishen wie dovish orientierten Mitgliedern“, warnt Bob Savage von BNY. Sollten vier oder mehr Fed-Mitglieder ausscheren, wäre es die größte Spaltung seit 1992. Seit 2019 gab es bei keiner Sitzung mehr als drei Gegenstimmen.

Der Hintergrund: Die US-Wirtschaft sendet widersprüchliche Signale. Einerseits schwächelt der Arbeitsmarkt, andererseits bleibt das Wachstum robust. Die Inflation liegt mit knapp drei Prozent deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed. Hinzu kommt die Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik unter Präsident Trump, dessen angekündigte Zölle bereits Spuren in den Verbraucherpreisen hinterlassen haben.

Dollar und Anleihen profitieren

Während Aktien unter Druck gerieten, legte der Dollar zu. Der Dollar-Index kletterte um 0,2 Prozent auf 99,18 Punkte. Spekulanten halten mittlerweile ihre größte Long-Position seit Trumps Zoll-Ankündigung, die den Greenback im vergangenen Jahr abstürzen ließ. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg, was zusätzlichen Druck auf Aktien ausübte.

„Wenn die Fed die Zinsen zu stark senkt, könnte die Wirtschaft überhitzen“, warnt Bank of America. Die Sorge: Aggressive Zinssenkungen könnten langfristige Anleiherenditen nach oben treiben – ein Alptraum für den Immobilienmarkt, wo 30-jährige Hypotheken bereits bei 6,4 Prozent notieren. Die Eigenheimpreise liegen 16 Prozent über dem Vorpandemie-Trend, das Medianalter von Erstkäufern ist auf ein Rekordhoch von 40 Jahren geklettert.

Verbraucher werden pessimistischer

Die Stimmung der US-Haushalte verdüsterte sich im November spürbar. Laut einer Umfrage der New York Fed verschlechterten sich die Erwartungen zur aktuellen und zukünftigen Finanzlage deutlich. „Ich bin nicht sicher, ob Sie glücklich sein werden, wenn Sie Ihre Kreditkartenrechnungen bezahlen“, formuliert es Bank of America sarkastisch. Während Computer und Kleidung günstiger wurden, belasten Zölle und hohe Zinsen die Haushaltsbudgets.

Paradoxerweise hellten sich die Arbeitsmarkterwartungen auf – die Angst vor Jobverlust sank auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2024. Ein Widerspruch zur Fed-Sorge um den Arbeitsmarkt, der die Debatte zusätzlich anheizt.

Einzelwerte mit extremen Ausschlägen

An den Aktienmärkten sorgten Übernahme-Spekulationen für Bewegung. Warner Bros Discovery schoss um drei Prozent hoch, nachdem Paramount mit einem 108,4-Milliarden-Dollar-Angebot Netflix ausstechen wollte. Paramount legte sieben Prozent zu und führte die S&P-500-Gewinner an, während Netflix über vier Prozent verlor und zum größten Belastungsfaktor wurde.

Im Technologiesektor – dem einzigen Gewinner unter den elf S&P-Branchen mit plus 0,5 Prozent – stützten Microsoft, Nvidia und Broadcom. Letztere kletterte zwei Prozent, befeuert durch Berichte über Gespräche mit Microsoft zur Entwicklung maßgeschneiderter Chips. Tesla dagegen sackte um vier Prozent ab, nachdem Morgan Stanley die Aktie herabstufte.

Confluent schoss 29 Prozent nach oben: IBM will den Dateninfrastruktur-Spezialisten für elf Milliarden Dollar übernehmen. Carvana gewann 13 Prozent, nachdem der Gebrauchtwagenhändler einen Platz im S&P 500 ergatterte – auf Kosten von Marvell Technology, das über sieben Prozent einbüßte.

China trotzt Trump mit Rekordüberschuss

Während Amerika hadert, meldet China einen historischen Meilenstein: Der Handelsüberschuss knackte erstmals die Ein-Billion-Dollar-Marke. Im November wuchsen die Exporte um 5,9 Prozent, eine bemerkenswerte Trendwende nach dem Oktober-Rückgang. Das Geheimnis: Chinesische Hersteller umgehen US-Zölle durch Diversifizierung.

Die Exporte in die USA brachen um 29 Prozent ein – kein Wunder bei durchschnittlichen Zöllen von 47,5 Prozent. Dafür explodierten Lieferungen nach Europa (plus 14,8 Prozent), Australien (plus 35,8 Prozent) und Südostasien (plus 8,2 Prozent). „Die Rolle von Handelsumleitung beim Ausgleich der US-Zölle scheint zuzunehmen“, analysiert Zichun Huang von Capital Economics.

Globale Zentralbanken auf Gegenkurs

Während die Fed Zinssenkungen erwägt, gehen andere Zentralbanken in die entgegengesetzte Richtung. Märkte erwarten Zinserhöhungen in Japan, Kanada und Australien bis Ende 2026 – ein bemerkenswerter Kontrast zur erwarteten US-Lockerung um mindestens 75 Basispunkte im selben Zeitraum.

Der Yen schwächelte nach einem schweren Erdbeben der Stärke 7,6 vor Japans Nordostküste. Der Dollar stieg um 0,4 Prozent auf 155,97 Yen. Analysten spekulieren, dass die Bank of Japan ihre für kommende Woche erwartete Zinserhöhung verschieben könnte, sollten die Schäden erheblich ausfallen.

In Europa hingegen überrascht EZB-Direktorin Isabel Schnabel mit hawkisher Rhetorik: Die nächste Bewegung könnte sogar eine Zinserhöhung sein. Deutsche 30-jährige Anleihen erreichten die höchsten Renditen seit 2011 – ein deutliches Signal gegen weitere Lockerungen.

Defense-Tech im Realitätscheck

Abseits der Makro-Debatte vollzieht sich in der US-Rüstungsindustrie eine stille Revolution. Silicon-Valley-gestützte Defense-Startups verdoppelten ihren Anteil an Pentagon-Verträgen auf 1,3 Prozent. Firmen wie Anduril Industries (bewertet mit 30 Milliarden Dollar) oder Saronic Technologies (vier Milliarden) stehen für eine neue Generation autonomer Waffensysteme.

Doch der Weg vom hippen Prototyp zur Massenproduktion ist steinig. „Es ist eine Sache, zu designen und zu innovieren. Eine andere, einen Prototyp zu bauen. Und eine völlig andere, dann die Produktion hochzufahren“, mahnt RTX-Chef Christopher Calio. Die etablierten „Primes“ – Boeing, Lockheed Martin, RTX, Northrop Grumman – halten weiterhin 92 Prozent der Pentagon-Aufträge.

Verteidigungsminister Pete Hegseth verspricht Transformation: Weg von der Prime-dominierten Kultur, hin zu agilen Startups. „Unser Ziel ist simpel, wenn auch monumental: Das gesamte Beschaffungssystem transformieren.“ Doch Branchenkenner sind skeptisch: Lobbymacht, Bürokratie und politische Interessen blockieren den Wandel. JPMorgan-Chef Jamie Dimon warnt die Platzhirsche: „Es gibt auch ein Tal des Todes für große Firmen – meist getrieben von Selbstzufriedenheit, Arroganz, Bürokratie.“

Das dürfte spannend werden – nicht nur an den Börsen.

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