Evonik steht unter Druck – und sendet gleich zwei wichtige Signale. Zum einen legt der Konzern eine heikle Abweichung vom Governance-Kodex im Zusammenhang mit der Abfindung der Ex-Finanzchefin offen. Zum anderen wird ein Teil der Produktion konsequent nach Shanghai verlagert. Wie passt das zu einer Aktie, die nahe am Jahrestief notiert?
Governance-Fall um Ex-CFO
Kern der Nachricht ist die neue Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), datiert auf Dezember 2025. Evonik meldet darin ausdrücklich eine Abweichung von Empfehlung G.13 Satz 1 – dem sogenannten Abfindungs-Cap für Vorstände.
Auslöser ist das Ausscheiden der früheren Finanzvorständin Maike Schuh, die den Konzern im September 2025 auf eigenen Wunsch verlassen hat.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Der Kodex empfiehlt, dass Abfindungen bei vorzeitiger Beendigung eines Vorstandsmandats maximal zwei Jahresvergütungen betragen.
- Die mit Maike Schuh vereinbarten Zahlungen hängen von der Erreichung variabler Ziele ab, deren Umfang derzeit noch nicht feststeht.
- Evonik hält deshalb fest, dass die Gesamtsumme „unter Umständen“ über der empfohlenen Obergrenze von zwei Jahresvergütungen liegen kann.
- Vorstand und Aufsichtsrat erklären die Abweichung vorsorglich in der Entsprechenserklärung, um den regulatorischen Anforderungen zu genügen.
Die Mitteilung schafft Transparenz, macht aber zugleich deutlich, dass der Umbau im Top-Management im Jahr 2025 mit erheblichen Kosten verbunden ist. In einem ohnehin anspruchsvollen Umfeld für die Chemiebranche ist das kein Randthema.
Hinzu kommt: Seit dem Abgang von Maike Schuh führt CEO Christian Kullmann das Finanzressort kommissarisch. Eine dauerhafte Nachfolge ist noch offen, was die Governance-Frage zusätzlich auflädt.
Produktion verlagert: Fokus Shanghai
Parallel zur Governance-Meldung treibt Evonik die operative Neuausrichtung voran. Eine zentrale Entscheidung: Die Produktion des Reifenadditivs POLYVEST ST-E 60 wird ab dem dritten Quartal 2025 am Standort Shanghai gebündelt. Die Umsetzung läuft bereits.
Ziel ist eine klare Stärkung der Präsenz im asiatischen Markt, der für Reifen- und Klebstoffanwendungen weiterhin als Wachstumstreiber gilt. Kürzere Lieferketten und Nähe zum Kunden sollen die Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
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Die Verlagerung hat zwei Ebenen:
- Operativ: Effizientere Versorgung eines wichtigen Absatzmarkts und potenzielle Margenentlastung durch optimierte Strukturen.
- Standortpolitisch: Während in Deutschland über Deindustrialisierung und hohe Energiekosten diskutiert wird, verschiebt Evonik Kapazitäten dorthin, wo die Nachfrage besonders dynamisch ist – ein weiteres Warnsignal für die heimische Industrie.
Damit verbindet der Konzern eine kostspielige Bereinigung der Führungsstruktur mit einem klaren Schwenk in Richtung asiatischer Märkte.
Aktie am Boden, Umfeld schwach
Am Freitag schloss die Aktie bei 13,30 Euro. Damit liegt der Kurs nur wenige Prozent über dem 52‑Wochen-Tief von 12,83 Euro und rund 40 % unter dem Hoch von 22,26 Euro. Seit Jahresanfang summiert sich das Minus auf gut 20 %.
Charttechnisch zeigt sich ein angeschlagenes Bild:
- Der Kurs notiert spürbar unter dem 50‑Tage-Durchschnitt von 13,85 Euro und deutlich unter dem 200‑Tage-Durchschnitt von 17,03 Euro.
- Der RSI (14 Tage) von 15,8 signalisiert einen stark überverkauften Zustand.
- Die Marke um 12,80 Euro fungiert als zentrale Unterstützungszone; ein Bruch würde aus charttechnischer Sicht zusätzlichen Abwärtsraum eröffnen.
Das schwache Kursniveau spiegelt nicht nur unternehmensspezifische Themen wider. Das konjunkturelle Umfeld für zyklische Chemiewerte bleibt belastet. Jüngst hat das Ifo-Institut seine Prognose für das deutsche Wachstum 2026 auf nur noch 0,8 % gesenkt – ein Gegenwind, der sich in eher zurückhaltenden Einschätzungen für den Sektor niederschlägt. Mehrere Häuser haben ihre Kursziele in den vergangenen Wochen nach unten angepasst.
Vor diesem Hintergrund dürfte die Governance-Meldung allein keinen starken Kursausschlag auslösen, sie fügt sich jedoch in das Bild eines Konzerns ein, der gleichzeitig mit Abfindungslasten und strukturellen Standortfragen zu tun hat.
Konkreter Ausblick
In den kommenden Monaten zeichnen sich drei zentrale Themenfelder ab:
- CFO-Nachfolge: Die kommissarische Leitung des Finanzressorts durch den CEO ist auf Dauer keine Lösung. Eine überzeugende Neubesetzung könnte ein wichtiges Signal für Stabilität und Ausrichtung im Finanzbereich senden.
- Charttechnik: Hält die Unterstützungszone um 12,80 Euro, wäre eine technische Gegenbewegung angesichts des extrem niedrigen RSI durchaus möglich. Ein Rückfall darunter würde hingegen das Risiko eines Tests tieferer Kursregionen erhöhen.
- Geschäftsjahr 2025: Mit dem vollständigen Jahresbericht, der im März 2026 erwartet wird, muss Evonik zeigen, inwieweit die Shanghai-Verlagerung und laufende Sparprogramme die Margenschwäche abfedern können.
Unterm Strich bestätigt die neue Entsprechenserklärung die kostspieligen Folgen des Führungsumbaus, während die Produktionsverlagerung nach Shanghai die strategische Antwort auf ein schwieriges Heimatumfeld markiert. Die Aktie bleibt damit ein Titel im Umbau – mit einem Kurs nahe am Tief und einem klaren Prüfstein bei den Zahlen für 2025.
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