Okay, die Weihnachtszeit und Sylvester ist vorbei, an den Börsen werden nun die Themen der vergangenen Wochen komprimiert verarbeitet. Viel zu tun, aber mega-spannend!
Nvidia möchte ARM Holding kaufen, doch ich habe inzwischen meine Zweifel, dass diese Übernahme durchgeführt werden kann. Handelsstreit, Technologieführerschaft und Wirtschaftspolitik aller Industrienationen spielen dabei eine Rolle. In Kapitel 02 bin ich der Sache auf den Grund gegangen.
Wir schauen auf die große Auseinandersetzung zwischen China und den USA, die Bedeutung von Taiwan in diesem Zusammenhang, die aktuelle Lage von Intel und final die Relevanz der ARM Patente im Zusammenhang mit Europa.
Die Einzelmeldungen geben die Dramatik kaum wieder: Nvidia kauft ARM Holding, Intel bekommt neuen CEO, Huawei unterliegt US-Handelsembargo, Taiwan Semiconductor TSMC setzt US-Handelsembargo um, Apple ersetzt Intel durch ARM-Technologie, ... und heute hat die USA Xiaomi auf die Liste militärisch sensibler Unternehmen gesetzt.
Wenn wir das Ganze jedoch in einen Zusammenhang setzen, dann ergibt sich ein Bild, in dem die USA, China und Europa um ihre jeweilige Position in der globalen Wirtschaft kämpfen. Die Chip-Industrie hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Schlüsselsektor entwickelt, an dem sich die drei Regionen messen. Ich fürchte daher, dass meine im September 2020 formulierte Zuversicht über das Gelingen der Übernahme von ARM Holding durch Nvidia falsch war. Inzwischen haben sich die Dinge dahingehend verändert, dass ich eine harte Linie sowohl seitens China als auch seitens Europa durchaus für möglich halte. Auch die Briten, das Heimatland von ARM Holding, könnten als Akteur auftreten und in die Suppe spucken.
Schauen wir zunächst einmal auf die große Auseinandersetzung zwischen China und den USA. Die USA fürchteten zunächst, dass die enge Verstrickung von Huawei, dem chinesischen Anbieter von 5G-Technologie, mit der US-Chipindustrie zu einem Knowhow-Transfer in Richtung China führen könne. Als wichtiges Militärgeheimnis wurde die Technologie klassifiziert und so gab es schwer zu erfüllende Auflagen für Huawei bei der Beschaffung von Hard- und Software für die eigenen Smartphones, aber auch für die 5G-Technologie, die an den Antennenmasten und Verteilern eingesetzt wird.
Dieser Schritt erschwerte zwar das Geschäft von Huawei, doch der Dolchstoß kam erst mit dem Handelsembargo: Die USA verboten schließlich den Handel mit US-Technologie in Richtung Huawei. Das betraf letztlich auch viele internationale Unternehmen, wie bspw. auch Infineon, deren Produkte US-Patente oder US-Vorprodukte nutzen. Huawei war plötzlich ausgeschlossen: Wir müssen draußen bleiben.
Eines der Ergebnisse ist übrigens, dass heute die Schätzungen für die Absatzzahlen von Apples iPhone 12 in China deutlich nach oben korrigiert wurden. Die Chinesen sind heiß auf 5G-Handys und Huawei kann nicht liefern.
Diese Blockade wurde erst dadurch perfekt, das Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp (kurz: Taiwan Semi, oder TSMC) sich an dieses Embargo der USA gebunden fühlte. Mit einer Marktkapitalisierung von 600 Mrd. USD gehört Taiwan Semi zu den größten Unternehmen der Welt. Das Unternehmen fertigt Chips im Auftrag der Chip-Industrie her und stellt dafür modernste Fabriken zur Verfügung. Erst gestern hat Taiwan Semi bekannt gegeben, die Produktionskapazität massiv auszuweiten, da die Nachfrage nicht bedient werden könne. Welch eine Entwicklung, denn vor einem halben Jahr quollen die Chip-Lager über, da die Branche nicht nur durch Corona, sondern auch schon zuvor, eine Nachfrageflaute erlebte.
Taiwan gehörte eigentlich zu China und bis heute betrachtet China Taiwan als Bestandteil Chinas. Die USA unterstützen Taiwan jedoch, wo es nur geht und sichern sich mit dieser Unterstützung die Gefolgschaft. Um das zu verstehen, möchte ich einen kurzen, sehr kurzen, Exkurs in die Geschichte machen:
Taiwan stand 1895 bis 1945 unter der Herrschaft Japans. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Japan Taiwan an China und in China folgte ein Bürgerkrieg zwischen der Kommunistischen Partei und der Republik China. Die Republik China bestand seit 1912. Wir wissen, dass die Kommunisten gewannen, die Anhänger der unterlegenen Republik flohen nach Taiwan und wurden umgehend dort von den USA unterstützt, also gegen die chinesischen Kommunisten beschützt.
Die Unterstützung Taiwans ist also so etwas wie eine Missbilligung der Kommunistischen Partei Chinas, also des Chinas, wie wir es kennen. Ein Dorn im Auge Chinas und immer wieder Auslöser diplomatischer Eklats.
Genug zur Geschichte, neuer Schauplatz: Intel.
"Moores Law" ist vielen ein Begriff: Gordon Moore ist der Gründer von Intel und gab die Devise aus, dass sich die Leistung von Halbleitern (Chips) jedes Jahr (manche sagen auch: alle zwei Jahre) verdoppeln müsse, ohne die Kosten zu treiben. Moore war 1875 bis 1987 CEO von Intel und lieferte. Ihm folge sein Entwicklungsingenieur Andy Grove, auch er konnte diese technologische Revolution mit gleichbleibendem Tempo fortsetzen. 1998 folgte Craig Barren, ein Marketingexperte. So auch sein Nachfolger Paul Ottelini. In dieser Zeit hat Intel seine weltweite Dominanz als Marktführer aufs Spiel gesetzt. Brian Krzanich, ein Chemiker, konnte 2013 bis 2018 nochmals eine Gegenbewegung starten. Doch wirklich erfolgreich war auch er nicht mehr.
2018 gab es eigentlich niemanden mehr, der Intel führen wollte. Bob Swan lehnte zunächst ab, wurde jedoch so lange bearbeitet, bis er letztlich einwilligte. Als Finanzjongleur holte er aus der Bilanz heraus, was ging. Doch auch er konnte nur zusehen, wie inzwischen Nvidia und AMD das Kerngeschäft von Intel angriffen. Gestern wurde nun Pat Gelsinger zum Nachfolger von Bob Swan ausgerufen: Der CEO von VMWare, der sich als CTO, also als Chef-Ingenieur, einen Namen machte. Die Aktie von Intel ist in den vergangenen Tagen um 14% angesprungen.
Noch vor einer Woche habe ich im Heibel-Ticker im Rahmen der Leserfrage geschrieben, dass ich nicht weiß, welches Ereignis bei Intel für einen Kurssprung sorgen könnte. Jetzt weiß ich es. Und der Kurssprung spricht Bände: Pat Gelsinger hat noch nicht einmal Hand angelegt, da schießt die Aktie bereits nach oben. In meinen Augen sehen wir hier eine Short Squeeze: viele Anleger haben bei Intel auf fallende Kurse gewettet und wurden von der Meldung auf dem falschen Fuß erwischt. Nun müssen sie sich eindecken, ohne Rücksicht auf Verluste.
Nun haben Sie einen Eindruck, warum Taiwan Semi so wichtig für die USA ist: Intel war Weltmarktführer und Quasi-Monopolist bei der Entwicklung und Produktion von Prozessoren. Die britische ARM Holding bietet das Knowhow der Chips zum Kauf an, Unternehmen wie Apple entwickeln auf der Basis dieser Technologie nun eigene Chips und lassen sie von Taiwan Semi produzieren. Wenn Sie verfolgt haben, wie ein Intel-Chip vor wenigen Jahren zum Einfallstor für Hacker wurde, dann können Sie leicht nachvollziehen, wie wichtig es für militärisch sensible Produkte, aber auch für die Patente am Entwicklungswissen sind, um im internationalen Wettbewerb die Nase vorn zu behalten.
Die britische ARM Holding verkauft ihre Patente in alle Länder der Welt, also auch nach China. Wenn nun chinesische Unternehmen wie Huawei nicht mehr auf Intel Chips zugreifen können, dann brauchen sie aber zumindest die ARM-Technologie, um etwas eigenes zu entwickeln.
Sollte nun ARM an Nvidia verkauft werden, dann wird China hohe Auflagen stellen, um sich den Zugang zu dieser Technologie weiterhin zu sichern. ARM Holding ist heute in der Hand der japanischen Softbank. Als ARM vor vier Jahren nach Japan verkauft wurde, stellte die britische Regierung hohe Auflagen an den Käufer: Entwicklung und auch das Wissen sollten auf der britischen Insel bleiben. Als Finanzinvestor war es kein Problem für die Japaner, diese Bedingungen zu erfüllen.
Nvidia spricht jedoch von Synergien nach der Übernahme. Synergien können jedoch nur dann realisiert werden, wenn entsprechende Bereiche zusammengeführt werden. Das würde eine Übertragung vieler essenzieller Bereiche in die USA bedeuten.
Die Briten werden also Arbeitsplätze, Know-how und Patente auf der Insel behalten wollen. Das widerspricht dem Bestreben Nvidia, Synergien zu heben. China wird die Gefahr sehen, dass künftig durch die USA auch noch die Basis für die eigene Chipindustrie, nämlich die Patente von ARM Holding, für China gesperrt werden. Und dann ist da noch Europa...
Europa, genau genommen Deutschland, hat ebenfalls keine gute Erfahrung mit der Sanktionspolitik der USA in den vergangenen Jahren: Nordstream 2, ein Projekt zwischen Russland und Deutschland, das die Energieversorgung Europas betrifft, wird von den USA mit Händen und Füßen bekämpft. Drohungen und Sanktionen gehören zum Instrumentarium der USA, um eigene Energiepolitische Ziele im Ausland durchzudrücken.
Wie schwach Europa in der digitalen Welt aufgestellt ist, hat die Corona-Pandemie gezeigt. Neben ARM Holding haben wir noch STMicrosystems in den Niederlanden, sowie auch ASML, ebenfalls dort. Klar, wir können jetzt noch eine Reihe von kleinen Chip-Unternehmen aufzählen, deren Chips jedoch nur selten in Computer eingehen. Letztlich ist ARM ein Juwel, den die Briten nicht ohne weiteres hergeben sollten.
Was also, wenn die Auflagen für die Übernahme zu hoch werden? Was, wenn Nvidia irgendwann aufgibt?
Nun, für Softbank ist das inzwischen kein Problem: Von überquellenden Chip-Lagern hat sich die Branche nun in einen heißen Markt gewandelt, der für die 5G-Revolution in den Wachstumsmodus umgeschaltet hat. Die Geldschleusen der Notenbanken sind weit geöffnet, jeder IPO wird derzeit überzeichnet. Der Appetit der Anleger kann mit den derzeit verfügbaren Aktien nicht gesättigt werden, daher steigen die Aktienmärkte unaufhörlich - auch Aktien mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 50 und höher. Ein Börsengang von ARM Holding wäre heute sicherlich lukrativer für Softbank als der Verkauf an Nvidia.
Sollte sich ein solches Szenario abzeichnen, wird die Aktie von Nvidia Federn lassen. Daher haben wir sie derzeit nicht in unserem Portfolio und ich würde den Ausgang dieser Geschichte abwarten, bevor ich aktiv werde.
In meiner aktuellen Börsenbrief Ausgabe 21/2 finden Sie zudem folgende Themen:
01. Info-Kicker: Fliegender Start ins neue Börsenjahr
02. So tickt die Börse: Nvidia wird ARM Holding nicht bekommen
- Alibaba-Gründer Jack Ma gefunden
- Wochenperformance der wichtigsten Indizes
03. Sentiment: Euphorie ist ein scheues Reh
- @@
04. Ausblick: Investmentchancen wohin man schaut
05. Leserfragen
- : Sentiment für Tesla, Apple und Bitcoin zeigt Hype-Gefahr
- : Dürr hat das Tal der Tränen durchschritten
- : Verbraucherpreisinflation versus Vermögenspreisinflation
06. Update beobachteter Werte: TUI, TUI, Südzucker-Anleihe, Barrick Gold, Nynomic, Spotify
- TUI: TUI Bezugsrecht: Rechnung stimmte
- TUI: Kokolores der Unternehmenswertbetrachtung
- Südzucker-Anleihe: Deutlicher Ergebnisanstieg
- Barrick Gold: Vorläufige Ergebnisse zeigen hohen Ertrag bei Produktionsproblemen
- Nynomic: Zweite Kaufchance
- Spotify: Kurseinbruch: Ja, bitte mehr davon!
Stephan Heibel, Heibel-Ticker |
Seit 1998 verfolge ich begeistert die Börsen der USA und Europas. Mittlerweile schreibe ich wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über Hintergründe zum Aktienmarkt und Ursachen für Kursbewegungen von Aktien. Meine Leser schätzen meine neutrale, vereinfachende und unterhaltsame Art. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Investmentideen zur selbstständigen Portfolio-Optimierung: heibel-ticker.de
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