Stopps wöchentlicher Rundumschlag: Deutsche
Bankenfusion, Brexit-Verschiebung, US-Zinsen und vieles mehr.
21. März 2019. MÜNCHEN
(Baader Bank). Die bundesdeutsche Wirtschaft weist viele
internationale Champions auf. Neben Großkonzernen der Automobil-,
Chemie- oder Pharmaindustrie sind dies auch eine lange Liste jenes
sprichwörtlichen deutschen Mittelstands, der oft unauffällig seine
Weltmarktnische pflegt. Was der deutschen Wirtschaft aber aktuell
fehlt, ist ein starker nationaler oder gar internationaler
Champion in der Kreditwirtschaft. Dass ein solcher benötigt wird,
um die deutsche Exportwirtschaft zu begleiten, ist ja durchaus ein
ernst zu nehmendes Argument. Deutsche Bank und Commerzbank können
diese Rolle aber nur noch bedingt erfüllen, bewegen sie sich
international höchstens im Mittelfeld. Doch neben allen
vorgebrachten Argumenten darf eine Ursache für die Schwäche der
beiden Institute nicht vergessen werden: die anhaltende
Nullzinsphase.
Eins und eins wäre weniger als zwei
Dass eine Fusion aus Deutscher Bank und Commerzbank, die beide immer noch hausgemachte Probleme mit sich herumschleppen, einen neuen nationalen Champion schaffen würde, wird derzeit immer wieder stark bezweifelt. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die beiden Institute bei einer Fusion automatisch ihre Positionen addieren können. Eins und eins wäre weniger als zwei. Vielmehr würde es vorkommen, dass Unternehmen etwa bei Konsortialkrediten aus Gründen der Risikostreuung eine neue Bank mit ins Konsortium nehmen würden. Damit dürften auch bei Mittelständlern mehr Auslandsbanken als bisher zum Zuge kommen. Es ist ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass dieser Platz vielleicht von Goldman Sachs, dem ehemaligen Arbeitgeber des Staatssekretärs im Bundesfinanzministeriums, Jörg Kukies, eingenommen werden könnte.Berlin will nicht noch mal eine Bank retten müssen
Dabei dürfte hinter den Bemühungen der Bundesregierung, unter Führung von Finanzminister Olaf Scholz, den Zusammenschluss der beiden Banken voranzutreiben, noch eine andere Motivation stecken. Berlin will einfach nicht noch einmal in die Verlegenheit kommen, eine Großbank auf Kosten des Steuerzahlers retten zu müssen. Mit einem Gebilde aus Deutscher Bank und Commerzbank aber dürfte dieses Risiko nicht unbedingt abnehmen - im Gegenteil, eine neue Großbank wäre erst recht "too big to fail", von der Sinnhaftigkeit einer solchen Fusion mal ganz abgesehen. Denn in diesem Zusammenhang sei auch nochmals daran erinnert, dass vor Jahren die Deutsche Bank mit der Dresdner Bank, die dann an die Allianz und später an die Commerzbank verkauft wurde, fusionieren sollte. Es kommt also mit Verspätung doch zum Zusammenschluss. Nur wäre man damals noch groß und bedeutend gewesen!Eigenkapitalschwäche geht auch auf Niedrigzins zurück
Ungeachtet dessen würde es ohnehin keinen wundern, wenn das neue Gebilde noch eine Kapitalspritze aus Steuergeldern benötigen würde, um mit genügend Eigenkapital ausgerüstet zu sein. Denn ein üppiges Kapitalpolster haben sich die beiden Partner bisher kaum ansammeln können. Zugegeben, dabei spielen insbesondere bei der Deutschen Bank die Sünden der Vergangenheit eine große Rolle. Ein weiterer Grund aber, warum die beiden größten deutschen Banken sich so schwertun, genügend Speck anzusammeln, liegt nun mal in der anhaltend expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). In einem Umfeld, wo Niedrig- und Negativzinsen langfristig zum Alltag geworden sind, fällt es jeder Bank schwer, eine ordentliche Marge zu verdienen. Je niedriger das Zinsniveau, desto geringer ist nun mal auch die Zinsmarge - und desto stärker der Druck auf die Profitabilität der Banken. Deshalb hat die aktuelle Debatte um die Zukunft der Deutschen Bank und der Commerzbank ihre Ursachen eben auch in der Geldpolitik der EZB. Erhalten US-Banken für ihre bei der US-Notenbank gehaltene Mindestreserve Zinsen, so müssen beispielsweise deutsche Kreditinstitute Strafzinsen an die Europäische Zentralbank zahlen. Das tut doppelt weh!Hoher Wettbewerbsdruck in Deutschland
Hinzu kommt im Falle von Deutschland eine weitere Besonderheit - und zwar die starke Stellung von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, die den Wettbewerb in jedes Dorf tragen. Auch dies führt zu einer Senkung des Preisniveaus im Markt - zur Freude der Kunden und zum Verdruss der Kreditwirtschaft.Wie lange soll der B-Day verschoben werden?
Theresa May hat den erwarteten Brief an die EU-Kommission also geschrieben und viele Börsianer denken in diesem Zusammenhang an den Song "Zwickts mi, I glaab I tram!" von Wolfgang Ambros. Bittet die Premierministerin für Großbritannien doch acht Tage vor dem Scheidungstermin um einen Aufschub für den Austritt aus der Gemeinschaft bis Ende Juni. Aus Brüssel wurde prompt signalisiert, dass es eine Fristverlängerung höchstens bis zum 23. Mai geben könne. Danach beginnen schließlich die Europa-Wahlen. Bleibt UK länger in der EU, müsste sich das Land an den Wahlen beteiligen, was dort kaum einer will, am wenigsten Theresa May.Pfund gibt nach
Nachdem der wortgewaltige Präsident des britischen Parlaments, John Bercow, eine abermalige Abstimmung über das von der Regierung mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen untersagt hatte, war das britische Pfund am Montag zunächst eingebrochen, konnte sich aber dann wieder stabilisieren. Nun, nachdem May den Verlängerungsantrag gestellt hat, ist die britische Währung wieder auf Talfahrt gegangen und notierte im Tief bei ca. 1,3145 USD. Gefragt waren an den Bondmärkten allerdings zehnjährige britische Staatsanleihen, was eher für ein Vertrauen der Märkte in Gilts spricht. So gingen die Renditen in diesem Bereich auf 1,112 Prozent zurück. Der Risikoaufschlag gegenüber deutschen "Bunds" liegt damit bei ca. 107 BP.Mehr als eine Fristverlängerung nötig
Um den Deadlock und die Spaltung in Großbritannien zu überwinden, braucht es wohl nicht nur eine Fristverlängerung. So rät der "Economist" der Premierministerin erstens durch etliche Probeabstimmungen herausfinden, welche Form des Brexits eine Mehrheit im Parlament erreichen würde. Und zweitens sollte man die Mehrheitsentscheidung per Referendum legitimieren. Doch das ist nicht von heute auf morgen machbar. Diese von den Briten angedachte Form der Scheidung ist nichts Halbes und nichts Ganzes, wird dem Ansehen Europas sehr schaden und die Quittung für diese Schmierenkomödie gibt es Ende Mai seitens der Bevölkerung. Für die Briten sollte es daher nur zwei Alternativen geben. Entweder eine ganz kurze Fristverlängerung oder für eine weitere Legislaturperiode Mitglied der EU.Bietet das Norwegen-plus-Modell einen Ausweg an?
Auf diese Weise könnte sich Großbritannien vielleicht doch mit dem sogenannten Norwegen-plus-Modell anfreunden, für das der "Economist" von Anfang an plädiert hatte. Das hieße, Großbritannien würde innerhalb der Zollunion bleiben und vielleicht auch innerhalb des Binnenmarktes. Dann aber müsste sich May der oppositionellen Labour-Party annähern, deren Vorsitzender Jeremy Corbyn sich längst für Norwegen-plus stark macht. Ob das die angezählte Premierministerin in der eigenen Partei, die ein zerstrittener Haufen geworden ist, überstehen würde, ist allerdings fraglich. Ob sie den Mumm dazu hätte ebenfalls.Europa-Wahl kommt zur Unzeit
Die Crux an einer Aufschiebung des Austrittstermins und gar an einem zweiten Referendum ist ohnehin die Europa-Wahl Ende Mai. Will man in Brüssel wirklich die Briten nochmal wählen lassen? Derartige Überlegungen stellen für die EU ein Dilemma dar und beeinträchtigen sie in ihrer Bereitschaft, auf die Briten zugehen zu können.Powell bleibt geduldig
Am gestrigen Abend hat der Offenmarkt-Ausschuss der US-amerikanischen Notenbank (Fed) beschlossen, den Leitzins auf dem bisherigen Niveau zwischen 2,25 und 2,50 Prozent zu belassen. Damit setzten die Notenbanker das um, was bereits seit mehreren Wochen ihre Wortführer bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder betonten: Eine Zinspause über mehrere Sitzungen. Und nun hat man sogar noch die im Dezember vergangenen Jahres avisierten zwei Zinsanhebungen in 2019 einkassiert.Bank of England muss warten
Aber nach der Zinsentscheidung ist auch immer vor der Zinsentscheidung. Nur betrifft dies nicht die USA, sondern heute tagen die Mitglieder der Bank of England (BoE) über die weiteren Zinsmaßnahmen. Jedoch werden angesichts der unübersichtlichen Gemengelage rund um den Brexit auch in London keine neuen Fakten geschaffen und verständlicherweise auf Zeit gespielt. Eine inzwischen oftmals politisch praktizierte Unart!EZB-Ökonomen sind stolz auf sich
Es ist Usus, dass nach dem Ende einer Maßnahme, diese rückwirkend bewertet wird. So handhabten es auch die Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie haben erst kürzlich eine Einschätzung der in 2014 begonnenen und Ende 2018 beendeten Ankaufprogramme vorgestellt. Hierbei wurde ein positives Fazit gezogen, aber alles andere hätte auch Verwunderung hervorgerufen. Nach Einschätzung der EZB hat das Anleihekaufprogramm die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen um ca. 1 PP gedrückt. Jedoch sind solche Aussagen immer mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht mit Fakten direkt belegt werden können. Denn es gibt nicht zwei voneinander losgelöste Finanzmärkte (mit und ohne QE), so dass die Ergebnisse mathematisch miteinander verglichen werden könnten.ZEW-Index erfreut Märkte
Eine positive wie auch eine negative Nachricht mussten die Börsianer diese Woche in ihre Dispositionen einpreisen. Während der ZEW-Konjunkturindex viel besser als erwartet ausgefallen war, korrigierten der Sachverständigenrat der Bundesregierung seine Wachstumsprognose kräftig nach unten. Wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitteilte, kletterte der ZEW-Teilindex der Konjunkturerwartungen im März von minus 13,4 auf minus 3,6 Punkte und nähert sich damit wieder der Wachstumszone. Offenbar werden die konjunkturellen Risiken von den befragten Finanzexperten weniger dramatisch eingeschätzt als gemeinhin angenommen. Nach Bekanntgabe des ZEW-Indexes zog der Euro-Kurs mit 1,1358 USD auf den höchsten Stand seit Anfang März an und auch die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen entfernte sich vorerst von der Null-Linie."Fünf Weisen" kassieren Konjunkturprognose
Im Gegensatz zum ZEW nahmen die fünf "Wirtschaftsweisen" ihre Konjunkturprognose für Deutschland in 2019 deutlich von 1,5 Prozent auf 0,8 Prozent zurück. Die Hochkonjunktur ist nach ihrer Überzeugung erst mal vorbei - eine Einschätzung, die der Sachverständigenrat insbesondere auf "vorübergehende" Produktionsprobleme in der Auto- und Chemieindustrie zurückführt. Aber auch die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft habe nachgelassen, unter anderem durch eine schwächere Exportnachfrage.Sachverständigenrat für 2020 wieder zuversichtlich
Dennoch sehen die "Fünf Weisen" in vielen Branchen die Zahl der Erwerbstätigen weiter steigen und sind für 2020 wieder optimistisch. Prognostizieren sie doch im kommenden Jahr ein Wachstum von 1,7 Prozent. Eine derartige Erwartung könnte sich ja auch in dem anziehenden ZEW-Index widerspiegeln. Allerdings warnt der Sachverständigenrat zugleich vor einer Spirale protektionistischer Maßnahmen wie US-Zölle auf deutsche Autos. In so einem Fall könne es sogar passieren, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wächst, sondern schrumpft.Der Kampf mit der 164,50er-Marke
Das Sorgenbarometer der Eurozone wird dieser Tage seinem Namen mehr als gerecht. Nachdem vereinzelt Verkaufsempfehlungen für Aktien infolge unterschiedlicher konjunktureller Signale ausgesprochen wurden, kombiniert mit Brexit und den Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, ist ein gravierender Renditeanstieg für deutsche Staatsanleihen nicht in Sicht.Über den Autor
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds der Baader Bank.Klaus Stopp, Baader Bank AG |
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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