Bayer arbeitet an mehreren Fronten: Hoffnung auf eine grundlegende Klärung der Glyphosat-Rechtslage in den USA, eine Klage gegen einen Großversicherer, ein gemischt ausgefallenes Quartal – und erste sichtbare Fortschritte in der Pharma-Pipeline. Gleichzeitig hat sich die Aktie deutlich erholt und notiert nahe Jahreshoch. Wie stabil ist dieser neue Optimismus?
Supreme Court-Hoffnung als Kurstreiber
Der wichtigste Impuls für die jüngste Rallye kommt aus den USA. Bayer hat gegen ein Urteil aus dem Jahr 2023 Berufung eingelegt, in dem eine Jury in Missouri den Konzern in einem Roundup-Fall verurteilt hatte. Nun steht die Chance im Raum, dass sich der Supreme Court mit dem Fall befasst.
Besonders brisant: Über den Solicitor General hat sich die ehemalige Trump-Administration für eine Überprüfung durch das höchste US-Gericht ausgesprochen. Damit geht es nicht nur um einen Einzelfall, sondern um eine Grundsatzfrage – nämlich, ob bundesstaatliche oder staatliche Kennzeichnungsvorschriften für Pflanzenschutzmittel den Vorrang haben.
Ein Urteil zugunsten von Bayer könnte die Flut an Glyphosat-Klagen deutlich eindämmen und den finanziellen Druck der Rechtsstreitigkeiten verringern. Diese Perspektive ist ein wesentlicher Grund, warum der Markt die Aktie zuletzt wieder höher bewertet.
Neue Front: Klage gegen AIG
Parallel dazu eröffnet Bayer eine weitere juristische Baustelle – diesmal nicht gegen Kläger, sondern gegen einen Versicherer. Am 12. Dezember 2025 reichte der Konzern beim Circuit Court von St. Louis County eine Klage gegen AIG Property Casualty Co. ein.
Im Kern wirft Bayer AIG vor, sich rechtswidrig zu weigern, Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit Roundup-Vergleichen zu zahlen. Bayer verweist darauf, dass Monsanto als früherer Eigentümer von Roundup alle Prämien fristgerecht geleistet und die Vertragsbedingungen eingehalten habe. Nun soll das Gericht feststellen, dass AIG Verteidigungs- und Vergleichskosten bis zur Erschöpfung der Policenlimits übernehmen muss.
Die wichtigsten Fakten zur AIG-Klage im Überblick:
- Rund 149.000 Kläger haben mehr als 56.000 Roundup-Klagen eingereicht
- Bisherige Vergleichszahlungen von Bayer: über 10 Milliarden US-Dollar
- Strittige Versicherungsverträge decken den Zeitraum 1967 bis 1986 ab
- Zusätzlich geht es um rund 1,9 Milliarden US-Dollar aus PCB-Vergleichen
- AIG soll Zahlungsforderungen im Juli, Oktober und Dezember 2024 abgelehnt haben
Die Auseinandersetzung mit AIG zielt darauf ab, einen Teil der bereits geleisteten oder künftigen Vergleichszahlungen auf den Versicherer zu verlagern und damit die eigene Bilanz zu entlasten.
Zahlen und Umbau: Licht und Schatten
Operativ liefert Bayer im dritten Quartal 2025 ein gemischtes Bild. Der Konzernumsatz stieg währungs- und portfoliobereinigt leicht um 0,9 Prozent auf 9,66 Milliarden Euro. Deutlich stärker entwickelte sich das operative Ergebnis: Das bereinigte EBITDA legte um 20,8 Prozent auf 1,51 Milliarden Euro zu.
In den Geschäftsbereichen zeigt sich ein differenziertes Bild:
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- Crop Science profitierte von höheren Umsätzen und einem klaren Ergebnisanstieg
- Pharma hielt das Umsatzniveau des Vorjahres
- Consumer Health zeigte moderates Wachstum bei stabilen Erträgen
Trotz dieser operativen Fortschritte blieb das Nettoergebnis tiefrot. Unter dem Strich stand im dritten Quartal ein Verlust von rund 1,0 Milliarde Euro. Hauptgrund waren Sonderaufwendungen für Rechtsstreitigkeiten von 934 Millionen Euro allein in diesem Zeitraum. Entsprechend erhöhte Bayer die Rückstellungen für Sondereffekte auf 3,5 bis 4,0 Milliarden Euro.
Parallel treibt CEO Bill Anderson die Restrukturierung weiter voran. Seit Start der Effizienzprogramme wurden etwa 13.500 Vollzeitstellen abgebaut, die globale Belegschaft liegt nun bei rund 88.500 Mitarbeitenden. Ziel des Umbaus ist eine schlankere Organisation mit schnelleren Entscheidungswegen und geringeren Verwaltungs- und Managementkosten.
Pharma-Pipeline sendet positive Signale
Abseits der Rechtsrisiken und der Strukturmaßnahmen gibt es Fortschritte in der Produktpipeline, die für die langfristige Ertragsbasis wichtig sind.
- Am 12. Dezember 2025 erhielt Aflibercept 8 mg eine positive Empfehlung des CHMP für die EU-Zulassung bei Makulaödemen nach retinalem Venenverschluss. Eine EU-Zulassung in diesem Indikationsgebiet würde die Position des Präparats im Bereich der Augenheilkunde stärken.
- Zudem startete Bayer eine Phase-IIa-Studie zur Behandlung des Alport-Syndroms, einer seltenen genetischen Nierenerkrankung. Hier geht es um ein potenziell neues Therapiefeld mit hoher medizinischer Notwendigkeit.
- Bereits im Oktober 2025 wurde Lynkuet (Elinzanetant) in den USA für die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden zugelassen – ein weiterer Baustein im Ausbau des Pharma-Portfolios.
Diese Fortschritte unterstreichen, dass parallel zur juristischen und finanziellen Bereinigung weiter in künftige Wachstumstreiber investiert wird.
Bewertung, Kursniveau und Risiken
Bewertungsseitig notiert Bayer weiterhin deutlich unter dem Branchenschnitt. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis liegt bei etwa 0,78 und damit klar unter dem durchschnittlichen Sektorwert von 2,68. Der Markt preist also nach wie vor erhebliche Risiken ein.
Die Bilanz bleibt ein kritischer Punkt:
– Debt-to-Equity-Ratio von rund 133 Prozent signalisiert eine hohe Verschuldung
– Goodwill-Position von etwa 28 Milliarden Euro stellt einen maßgeblichen Unsicherheitsfaktor dar, falls es zu weiteren Abschreibungen kommen sollte
– Der freie Cashflow der letzten zwölf Monate liegt bei rund 3,9 Milliarden Euro und bildet die Basis, um Schulden schrittweise zu reduzieren und Rechtskosten zu stemmen
An der Börse spiegelt sich der Stimmungsumschwung dennoch klar wider. Die Aktie hat seit Jahresbeginn rund 88 Prozent zugelegt und notiert mit einem Schlusskurs von 36,31 Euro nur gut ein Prozent unter ihrem jüngsten 52-Wochen-Hoch von 36,75 Euro. Damit hat sie sich seit dem Tief bei 18,85 Euro fast verdoppelt.
Auffällig ist der Abstand zu den Durchschnittskursen: Der Titel liegt rund 24 Prozent über dem 50-Tage- und gut 36 Prozent über dem 200-Tage-Durchschnitt. Das unterstreicht die Stärke der jüngsten Bewegung, zeigt aber auch, wie viel der neue Optimismus bereits im Kurs steckt.
Fazit: Zwischen Aufschwung und Altlasten
Bayer steht an einem neuralgischen Punkt: Einerseits stützt die Aussicht auf eine mögliche Supreme-Court-Entscheidung zur Glyphosat-Thematik die Fantasie einer deutlichen Entlastung bei den Rechtsrisiken. Die Klage gegen AIG zielt zusätzlich darauf, einen Teil der Lasten an den Versicherer weiterzugeben. Zudem liefern sowohl die operative Entwicklung mit deutlich verbessertem EBITDA als auch die positive Nachrichtenlage aus der Pharma-Pipeline Argumente für eine höhere Bewertung.
Auf der anderen Seite bleiben die strukturell hohe Verschuldung, bedeutende Goodwill-Positionen und die weiterhin beachtlichen Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten klare Risikofaktoren. Nach der starken Kursrallye nahe an das 52-Wochen-Hoch wird entscheidend sein, ob Bayer in den kommenden Quartalen sowohl bei der juristischen Klärung als auch beim Schuldenabbau und bei der Umsetzung der Restrukturierung weitere konkrete Fortschritte vorweisen kann.
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