Liebe Leserinnen und Leser,
es herrscht eine trügerische Stille über den westlichen Finanzmetropolen. Während in Frankfurt die Bücher für das Jahr faktisch geschlossen sind und die Wall Street diesen „Boxing Day“ eher als Brückentag interpretiert, spielt sich abseits der großen Indizes eine tektonische Verschiebung ab.
Wir erleben an diesem Freitag keine klassische Jahresendrallye, sondern eine Flucht in die Substanz. Wer glaubte, das Jahr 2025 würde sanft ausklingen, sieht sich getäuscht. Während die Algorithmen ruhen, erwachen die Rohstoffe. Es scheint, als dämmere den Märkten kurz vor Silvester eine fundamentale Erkenntnis: Die digitale KI-Zukunft, die wir das ganze Jahr gefeiert haben, benötigt ein analoges Fundament, das gerade dramatisch knapp wird.
Hier ist das Briefing für die letzten Meter dieses Jahres.
Die Rache der Physis: Silber im Höhenrausch
Was wir heute an den Rohstoffmärkten sehen, ist mehr als Volatilität; es ist eine Neubewertung der Realität. Während der Goldpreis die historische Marke von 4.500 US-Dollar durchbrochen hat (aktuell ca. 4.528 Dollar), spielt die eigentliche Musik eine Etage tiefer.
Silber hat heute die psychologisch massive Hürde von 75 US-Dollar pro Unze genommen. Mit einem Jahresplus von über 150 Prozent entkoppelt sich das Edelmetall von seinem Ruf als „kleiner Bruder“ des Goldes und avanciert zum strategischen Industriemetall Nummer eins.
Die Analyse: Hinter dem Preissprung steckt keine Spekulation, sondern industrielle Panik.
1. Der China-Faktor: Berichte über drastische Exportkontrollen aus dem Reich der Mitte ab 2026 sorgen für Nervosität. In Shanghai werden bereits Aufschläge von bis zu 8 Dollar auf den Weltmarktpreis gezahlt – ein klares Signal für physische Knappheit.
2. Der KI-Hunger: Michael Intrator, CEO von CoreWeave, brachte es heute auf den Punkt: Wir erleben einen „gewaltsamen Wandel“ in der Lieferkette. KI-Hardware, E-Mobilität und Solarpaneele konkurrieren um denselben Rohstoff. Die digitale Revolution frisst ihre physischen Kinder.
3. Die Zentralbanken: Angesichts einer US-Schuldenquote jenseits der 120 Prozent wird Gold und Silber nicht mehr nur als Schmuck, sondern als Währungsersatz gehortet.
Tech-Sektor: Die Bestätigung
An der Wall Street reagierten die Anleger heute erstmals im regulären Handel auf den gestern analysierten Paukenschlag bei Nvidia. Die Aktie kletterte um gut 1 Prozent. Der Markt validiert damit Jensen Huangs Strategie, sich durch den Zukauf von Groq-Technologie nicht nur Konkurrenz vom Hals zu schaffen, sondern die Wertschöpfungskette vertikal abzuriegeln.
Dass dies kein Solo-Lauf ist, beweist Micron Technology. Der Speicherspezialist bestätigt, was Nvidia vorlebt: Die Auftragsbücher für Hochleistungsspeicher (HBM) sind bis weit ins Jahr 2026 gefüllt. Ein Kursplus von 240 Prozent in diesem Jahr spricht eine deutliche Sprache. Der KI-Boom ist keine Blase, er ist ein Infrastrukturprojekt, dessen Materialbedarf gerade erst erkannt wird.
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Geopolitik: Torschlusspanik in Kiew
Während die Börsenkurse nach oben zeigen, blickt die Geopolitik in den Abgrund der Ungewissheit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj agiert unter Hochdruck. Seine heutige Ankündigung, noch „bis Neujahr“ ein Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump anzustreben, zeugt von massiver Nervosität. „Es kann noch viel entschieden werden“, so Selenskyj auf Telegram.
Die Botschaft ist klar: Kiew fürchtet das Machtvakuum bis zur Amtseinführung im Januar. In Berlin reagiert die Politik bereits: Armin Laschet (CDU) und Manfred Weber (EVP) fordern europäische Initiativen bis hin zu Friedenstruppen, um nicht zum bloßen Statisten amerikanischer Deals degradiert zu werden.
Gleichzeitig zeigt der erste Anschlag auf eine Moschee in Syrien seit dem Sturz Assads, wie fragil die neuen Ordnungen im Nahen Osten sind. Die geopolitische Risikoprämie, die Gold und Silber derzeit treibt, ist mehr als gerechtfertigt.
Japan: Das Wunder von Tokio
Wer heute nach Wachstum sucht, muss nicht nur ins Silicon Valley schauen, sondern nach Fernost. Der japanische TOPIX hat ein neues Allzeithoch markiert, der Nikkei notiert jenseits der 50.750 Punkte.
Das Bemerkenswerte daran ist nicht der Kursstand, sondern der makroökonomische Unterbau: Mit einer Kerninflation von 2,3 Prozent in Tokio hat Japan das Gespenst der Deflation endgültig vertrieben. Das Land beweist, dass eine alternde Gesellschaft mit hoher Staatsverschuldung (ca. 230 Prozent) dynamisch bleiben kann, wenn Geldpolitik und Unternehmensreformen ineinandergreifen. Japan ist der stille Gewinner dieses Jahres.
Markt-Splitter
- Wall Street: Der Handel verläuft feiertagsbedingt ruhig. Ein Detail sticht jedoch heraus: Nike legt leicht zu (+0,5%), beflügelt von der Nachricht, dass Apple-CEO Tim Cook privat Aktien im Wert von 3 Millionen Dollar erworben hat. Wenn der Chef des wertvollsten Unternehmens der Welt beim Sportartikelhersteller einsteigt, ist das mehr als nur Portfolio-Diversifikation – es ist ein Vertrauensbeweis.
- Krypto: Bitcoin verharrt in einer Konsolidierung bei rund 89.000 Dollar. Das Kapital fließt heute offensichtlich eher in glänzendes Metall als in digitalen Code. Pikant: Trump Media (DJT) hat kürzlich 2.000 Bitcoin bewegt. Die Verschmelzung von Politik und Krypto-Assets schreitet voran.
Quintessenz
Wir beenden diese Woche mit einer wichtigen Lehre: 2025 war das Jahr des digitalen Aufbruchs. Doch 2026 kündigt sich als das Jahr an, in dem die physische Realität ihren Preis einfordert. Ob Silber für die Chips, Energie für die Rechenzentren oder diplomatische Härte für den Frieden – die immateriellen Bewertungen der Tech-Welt müssen nun durch materielle Substanz gedeckt werden.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und einen klaren Blick für die letzten Handelstage dieses ereignisreichen Jahres.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann
