Die internationale Finanzwelt blickt gespannt auf die US-Notenbank: Während Märkte weltweit auf eine Zinswende setzen, gerät die Fed zunehmend unter politischen Druck. Gleichzeitig zeigen sich erste Risse in der Unabhängigkeit der Zentralbank – ein Novum seit ihrer Gründung 1913.
Märkte setzen auf aggressive Zinssenkungen
Die Erwartungen für Fed-Zinssenkungen treiben die globalen Aktienmärkte auf neue Rekordstände. MSCI’s Asien-Pacific-Index erreichte ein Vier-Jahres-Hoch, während japanische Indizes neue Allzeithochs markierten. Wall Street-Futures zeigen sich hingegen verhaltener nach den jüngsten Rekorden.
Besonders bemerkenswert: Futures preisen bereits 127 Basispunkte Zinssenkungen bis Juli 2026 ein – ein aggressiver Erwartungsaufbau, der wenig Raum für hawkische Überraschungen lässt. „Es sind ziemlich viele Zinssenkungen eingepreist“, warnt Thomas Mathews von Capital Economics vor möglichen Enttäuschungen.
Die Zinswende-Erwartungen setzen den Dollar massiv unter Druck. Das Pfund Sterling erreichte ein Zwei-Monats-Hoch, während der risikobereite Australische Dollar auf ein 10-Monats-Hoch kletterte. Gold profitiert ebenfalls und markierte bei 3.689 Dollar je Unze neue Rekorde.
Politischer Druck auf die Notenbank wächst
Erstmals seit der Fed-Gründung 1913 versucht ein US-Präsident aktiv, einen Gouverneur zu entlassen. Donald Trump scheiterte zunächst vor Gericht mit seinem Versuch, Lisa Cook zu feuern – doch das Berufungsverfahren läuft weiter. Das Oberste Gericht könnte letztendlich über diesen historischen Präzedenzfall entscheiden.
Parallel dazu bestätigte der Senat knapp Stephen Miran als neuen Fed-Gouverneur. Der Trump-Berater erhält damit rechtzeitig zur anstehenden Zinssitzung eine der zwölf Stimmen im Offenmarktausschuss. Analysten erwarten, dass Miran für stärkere Zinssenkungen stimmen wird, als die erwarteten 25 Basispunkte.
Die Kontroverse um Cook basiert auf Vorwürfen des Hypothekenbetrugs, die sie vehement bestreitet. Untersuchungen der Steuerbehörden in Michigan fanden jedoch „keinen Grund zu glauben“, dass Cook Steuerregeln verletzt habe. Immobilienexperten bewerten die Betrugsvorwürfe als schwach begründet.
Globale Auswirkungen der US-Geldpolitik
Die Fed-Zinswende strahlt weit über die USA hinaus. Australiens Zentralbank sieht „Risiken auf beiden Seiten“ für die Wirtschaftsaussichten, während sich Anzeichen einer Konsumerholung zeigen. Die RBA hat bereits dreimal in diesem Jahr die Zinsen gesenkt und Märkte preisen weitere 50 Basispunkte Lockerung ein.
Besonders deutlich werden die Auswirkungen in Vietnam: Der IWF prognostiziert eine Verlangsamung des BIP-Wachstums auf 6,5 Prozent aufgrund US-Zolleffekte. „Die Abwärtsrisiken sind hoch“, warnt der Währungsfonds vor einer weiteren Eskalation der Handelsspannungen.
Ausblick: Zwischen Erwartung und Realität
Die kommende Fed-Sitzung wird zeigen, ob die aggressiven Markterwartungen gerechtfertigt sind. Jerome Powell steht vor der Herausforderung, zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und politischen Pressionen zu navigieren – während die Unabhängigkeit der Institution auf dem Spiel steht.
Sollten die Zinssenkungen geringer ausfallen als erwartet, dürften die überhitzten Märkte eine Korrektur erleben. Umgekehrt könnte eine zu aggressive Lockerung den Dollar weiter schwächen und die globalen Ungleichgewichte verstärken. Die nächsten Wochen werden entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Fed und die Stabilität der internationalen Finanzmärkte.