Liebe Leserinnen und Leser,
ein ereignisreicher Börsenmonat liegt hinter uns, und das Wochenende lädt zum Durchatmen ein – aber die Weltpolitik und die Märkte gönnen sich kaum eine Pause. Der Dauerkonflikt um Zölle und Handel, angeführt von der Trump-Administration, beherrscht weiter die Schlagzeilen. Doch abseits des täglichen Lärms formieren sich bemerkenswerte Reaktionen und Gegenstrategien. Es ist faszinierend zu beobachten, wie unterschiedlich die Akteure auf dem globalen Parkett agieren. Diese Woche gab es dazu besonders markante Signale – von einer fast schon legendären Investorenstimme bis hin zur subtilen, aber machtvollen Anpassungsfähigkeit Chinas. Lassen Sie uns gemeinsam hinschauen, was sich da gerade verschiebt.
Die Stimme der Vernunft? Buffetts Frontalangriff auf die Zollpolitik
Wenn Warren Buffett spricht, hört die Finanzwelt zu. Und diese Woche sprach er Klartext. Auf der Jahreshauptversammlung von Berkshire Hathaway holte die Investorenlegende zum Rundumschlag gegen die aktuelle US-Handelspolitik aus. Seine Worte waren unmissverständlich: Handelstarife seien ein "Akt des Krieges", Handel dürfe keine politische Waffe sein. Buffett, sonst ein Inbegriff des amerikanischen Optimismus, warnte eindringlich vor den Folgen des Protektionismus und plädierte für globalen Wohlstand. "Je wohlhabender der Rest der Welt wird, desto besser und sicherer wird es für uns [in Amerika]", so sein Credo. Eine scharfe Mahnung davor, die Weltgemeinschaft zu verprellen – gerade in einer Zeit, in der die USA unter Trump genau diesen Weg zu beschreiten scheinen, wie die Bilanzen seiner ersten und Ausblicke auf die nächsten 100 Tage zeigen. Die Trump-Administration hat die effektiven Zölle auf ein Niveau getrieben, das seit den 1930ern nicht mehr gesehen wurde, und scheut auch nicht davor zurück, alte Wirtschaftsgesetze (wie IEEPA) zu reaktivieren, um ihre Agenda durchzusetzen. Buffett hält dagegen: eine bemerkenswerte Dissonanz zwischen Wirtschaftsikone und politischer Führung.
Pekings Gelassenheit: Chinas Weg jenseits der US-Abhängigkeit
Während Washington mit Zöllen um sich wirft (aktuell bis zu 145% auf chinesische Waren!), scheint Peking eine andere Strategie zu verfolgen: stoische Ruhe und Diversifizierung. Die Annahme im Trump-Lager, China würde unter dem "Sticker Schock" einknicken und panisch zum Hörer greifen, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: China reduziert seine Abhängigkeit vom US-Markt schon seit Jahren. Ende 2024 gingen nur noch knapp 15% der chinesischen Exporte in die USA (2018: über 19%). Stattdessen intensiviert Peking die Beziehungen zu anderen asiatischen Partnern wie Japan, Südkorea und vor allem dem ASEAN-Block, der die USA bereits als Chinas wichtigsten Handelspartner abgelöst hat.
China scheint darauf zu wetten, dass der Schmerz der Entkopplung für die USA am Ende größer sein könnte. Die jüngsten Meldungen über massenhaft stornierte Frachtaufträge von China in die USA passen ins Bild: Sie deuten zwar auf eine schwächere Nachfrage hin, könnten aber auch die US-Importeure empfindlicher treffen als die chinesische Exportwirtschaft, die längst neue Abnehmer sucht. Peking hat zudem noch geldpolitische Pfeile im Köcher (Zinssenkungen, QE-ähnliche Maßnahmen) und könnte mit einem großen Konjunkturpaket reagieren. Die Botschaft aus Peking scheint klar: Man kann warten, man hat Alternativen, und man glaubt nicht, dass Zölle allein die chinesische Wirtschaft aus der Bahn werfen können. Eine kühle, fast schon herausfordernde Antwort auf Trumps Politik. Selbst die laufenden, ersten "substanziellen" Zollgespräche zwischen den USA und Taiwan wirken vor diesem Hintergrund wie ein Nebenschauplatz im großen Ringen.
Politische Streiflichter: Wahlen, Gespräche und Konflikte
Abseits des großen Handelsdramas rotiert das politische Karussell weiter:
- Australien: Anthony Albanese sichert sich eine zweite Amtszeit. Bemerkenswert: Sein Sieg wird auch auf eine Gegenreaktion der Wähler auf den "Trump-Faktor" zurückgeführt. Die Vergleiche zwischen den australischen Konservativen und Trumps Rhetorik scheinen geschadet zu haben – ein interessantes Signal für die globale Wirkung von US-Innenpolitik.
- Ukraine & Russland: Präsident Zelenskiy bezeichnet sein kurzes Treffen mit Donald Trump am Rande der Papst-Beerdigung als das bisher "beste". Man sei sich einig über die Notwendigkeit eines 30-tägigen Waffenstillstands als ersten Schritt. Auch über Sanktionen sei "sehr stark" gesprochen worden. Gleichzeitig liefert sich Russland über Hardliner Medwedew Wortgefechte mit Trump über dessen Interpretation der Rolle der USA im Zweiten Weltkrieg. Die Diplomatie bleibt ein zartes Pflänzchen.
- Naher Osten: Die Spannungen köcheln weiter. Israel fängt eine von Huthi-Rebellen im Jemen abgefeuerte Rakete ab – der dritte Angriff binnen 24 Stunden, trotz der massiven US-Militärschläge gegen die Gruppe. Ein Zeichen dafür, dass die Konflikte in der Region schwer einzudämmen sind.
- Asien: In Singapur scheint die Regierungspartei PAP auf einen weiteren Wahlsieg zuzusteuern und damit ihre seit Jahrzehnten ungebrochene Macht zu festigen. In Südkorea hingegen wurde nach der Amtsenthebung von Präsident Yoon ein neuer konservativer Präsidentschaftskandidat nominiert.
Diese Ereignisse mögen auf den ersten Blick nichts mit den Märkten zu tun haben, doch sie formen das Umfeld, in dem sich die Wirtschaft bewegt – Stabilität hier, Unsicherheit dort.
Bitcoin, MSTR & Co.: Die Suche nach Alternativen in der Praxis
Die anhaltende Unsicherheit und die Skepsis gegenüber traditionellen Währungs- und Handelssystemen beflügeln auch die Suche nach Alternativen. Im Krypto-Bereich gab es dazu interessante Entwicklungen:
- Ethereum & Bitcoin: Vitalik Buterin, Mitgründer von Ethereum, schlägt vor, die Komplexität von Ethereum zu reduzieren und sich an der Einfachheit von Bitcoin zu orientieren – für ihn "eines der besten Dinge an Bitcoin". Ein bemerkenswerter Ruf nach "Back to Basics" im komplexen Krypto-Universum.
- Performance-Vergleich: Michael Saylor (MicroStrategy/Strategy) weist darauf hin, dass seine stark in Bitcoin investierte Firma (MSTR) im bisherigen Jahresverlauf alle anderen großen Assets, inklusive Bitcoin selbst, bei weitem outperformt hat (+249% YTD für MSTR vs. +64% für BTC). Ein extremes Beispiel für einen gehebelten Zugang zu Krypto.
- Bitcoin vs. Gold: Eine Analyse von Citi legt nahe, dass Bitcoin sich zunehmend anders verhält als Gold. Während Gold traditionell von fallenden Zinsen profitiert, habe Bitcoin zuletzt gerade bei steigenden Realzinsen und Inflationssorgen Stärke gezeigt – eher wie eine "harte" Ware (Commodity) denn wie ein klassischer "sicherer Hafen". Dies könnte auf eine sich wandelnde Rolle im Portfolio hindeuten, auch wenn Bitcoin volatil bleibt.
Diese Punkte zeigen: Der Krypto-Sektor entwickelt sich weiter, sucht nach seiner Identität und bietet Anlegern – mit allen Chancen und Risiken – eine Alternative zu etablierten Anlageklassen.
Mein Fazit zum Wochenende
Was nehme ich aus all dem mit? Die Weltwirtschaft befindet sich in einem komplexen Spannungsfeld. Die aggressive US-Handelspolitik trifft auf zunehmenden Widerstand und clevere Anpassungsstrategien, allen voran aus China. Mahnende Stimmen wie Warren Buffett werden lauter, scheinen aber in Washington wenig Gehör zu finden. Gleichzeitig sorgen geopolitische Verschiebungen und technologische Entwicklungen (wie im Krypto-Sektor) für zusätzliche Dynamik.
Für uns als Anleger bedeutet das: Es bleibt entscheidend, über den Tellerrand der täglichen Schlagzeilen zu blicken und die größeren Linien zu erkennen. Die Welt ist kein monolithischer Block, der nur auf US-Impulse reagiert. Diversifikation, ein kühler Kopf und die Bereitschaft, auch unkonventionelle Entwicklungen zu beobachten, sind wichtiger denn je.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein nachdenkliches, aber auch erholsames Wochenende!
Herzlichst,
Ihr Eduard Altmann
Samstag, 03. Mai 2025