Chiplets, Müllverbrennung und KI-Sicherheit: Wie Technologie die Wirtschaft neu ordnet
Guten Nachmittag,
während die Welt gebannt auf Wahlergebnisse und Zentralbankentscheidungen blickt, vollzieht sich eine stille Revolution in den Fundamenten unserer Wirtschaft. Drei scheinbar unverbundene Entwicklungen zeichnen ein faszinierendes Bild: Die Halbleiterindustrie erfindet sich mit Chiplets neu, Müllverbrennung wird zum Milliarden-Geschäft mit Klimaschutz-Versprechen, und künstliche Intelligenz dringt tiefer in die Sicherheitsarchitektur von Unternehmen vor.
Was diese Themen verbindet? Sie zeigen, wie technologische Innovation nicht nur Produkte verändert, sondern ganze Wertschöpfungsketten umkrempelt – mit erheblichen Konsequenzen für Investoren, Politik und Gesellschaft.
Die Chiplet-Revolution: Wenn Klein plötzlich groß wird
Der Halbleitermarkt steht vor einem Paradigmenwechsel, der so fundamental ist wie der Übergang vom Transistor zum integrierten Schaltkreis. Chiplets – spezialisierte Miniatur-Chips, die zu einem Gesamtsystem kombiniert werden – sollen laut MarketsandMarkets von 52 Milliarden Dollar (2025) auf 157 Milliarden Dollar (2030) wachsen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von knapp 25 Prozent.
Die Zahlen sind beeindruckend, doch die wahre Geschichte liegt tiefer: Chiplets lösen ein Problem, das die Industrie seit Jahren quält. Traditionelle monolithische Chips werden immer teurer in der Entwicklung und Produktion. Jeder Generationssprung in der Miniaturisierung kostet Milliarden – und scheitert häufiger. Chiplets hingegen erlauben es, verschiedene Funktionen auf separaten, spezialisierten Chips zu fertigen und diese dann zu kombinieren. AMD und Intel, beide unter enormem Druck durch den KI-Boom und Konkurrenten wie Nvidia, setzen massiv auf diese Technologie.
Besonders interessant: Der asiatisch-pazifische Raum soll den größten Marktanteil erobern. Taiwan (TSMC), Südkorea (Samsung) und Japan dominieren bereits die Fertigung – eine geopolitische Dimension, die Europa nicht ignorieren kann. Während die EU mit dem Chips Act versucht, Fertigungskapazitäten aufzubauen, könnte die Chiplet-Technologie die Spielregeln erneut ändern. Denn hier zählt nicht nur reine Fertigungsgröße, sondern auch Integrationskompetenz und Packaging-Technologie – Bereiche, in denen Europa durchaus Stärken besitzt.
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Apropos Chiplets und der Umbruch in der Halbleiterindustrie: Wer sich intensiver mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Chip-Krieges zwischen den USA und China befassen möchte, findet spannende Einblicke in einer aktuellen Analyse von Bernd Wünsche. Darin wird erläutert, welche europäischen Technologieunternehmen als nächste große Gewinner des Chip-Booms gelten könnten – inklusive eines detaillierten Reports zur sogenannten „neuen Nvidia“. Hier geht’s zum Hintergrundbericht.
Müll als Milliardengeschäft: Die Waste-to-Energy-Wette
Von High-Tech zu Low-Tech? Nicht ganz. Der globale Markt für Waste-to-Energy (Müllverbrennung mit Energiegewinnung) soll bis 2032 auf 70 Milliarden Dollar wachsen – getrieben von steigenden Abfallmengen, Energiebedarf und dem Druck, Deponien zu reduzieren.
Die Weltbank prognostiziert einen Anstieg des globalen Mülls von 2,3 Milliarden Tonnen (2023) auf 3,8 Milliarden Tonnen (2050). Gleichzeitig verschärfen Regierungen weltweit ihre Vorgaben: Die EU-Abfallrahmenrichtlinie zwingt Mitgliedstaaten, Deponierung zu minimieren. Indiens „Swachh Bharat Mission“ und Japans „Clean Energy Strategy“ fördern aktiv Müllverwertung.
Doch die Branche kämpft mit einem Glaubwürdigkeitsproblem. Kritiker bemängeln hohe CO₂-Emissionen und Luftverschmutzung. Die Antwort der Industrie: Carbon Capture and Storage (CCS). Projekte wie in Oslo sollen Anlagen faktisch CO₂-negativ machen – indem sie mehr Kohlendioxid abscheiden als sie ausstoßen. Ob das funktioniert und wirtschaftlich skalierbar ist, bleibt abzuwarten. Für Investoren bedeutet das: hohes Potenzial, aber auch regulatorisches und technologisches Risiko.
Interessant ist die geografische Verteilung: Asien-Pazifik dominiert mit 80 Prozent der Anlagen in öffentlich-privater Partnerschaft – ein Modell, das auch in Europa zunehmend Anklang findet. Deutschland und Schweden betreiben bereits zahlreiche Anlagen, doch die Technologie bleibt umstritten. Die Frage ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch: Wer zahlt für die teure Infrastruktur, und wer profitiert von den Energieerlösen?
KI-Sicherheit: Wenn Algorithmen Wache halten
Während Chiplets die Hardware revolutionieren und Müllverbrennung die Energiewirtschaft tangiert, verändert künstliche Intelligenz die Art, wie Unternehmen ihre digitalen Infrastrukturen schützen. Living Security und Netskope haben eine Integration vorgestellt, die menschliches Risikoverhalten in Echtzeit in Zugriffskontrollen einfließen lässt.
Das klingt technisch, hat aber weitreichende Implikationen: Traditionelle Sicherheitssysteme arbeiten mit statischen Regeln – ein Passwort, eine Berechtigung. Die neue Generation analysiert kontinuierlich das Verhalten von Nutzern: Wer klickt auf Phishing-Mails? Wer nutzt schwache Passwörter? Wer verstößt gegen Datenschutzrichtlinien? Basierend darauf werden Zugriffsrechte dynamisch angepasst.
Das ist nicht nur Sicherheitstheater. Studien zeigen: 10 Prozent der Nutzer verursachen 73 Prozent aller riskanten Verhaltensweisen. Wenn KI diese Minderheit identifiziert und deren Rechte einschränkt, sinkt das Gesamtrisiko erheblich – ohne alle Mitarbeiter gleichermaßen zu gängeln.
Doch die Technologie wirft Fragen auf: Wie transparent sind die Algorithmen? Wer kontrolliert die Kontrolleure? Und was passiert, wenn KI falsch liegt und legitime Nutzer aussperrt? Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wird zur Managementaufgabe – und zum Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die hier klug agieren, können Sicherheitskosten senken und gleichzeitig die Produktivität steigern.
Was verbindet diese drei Welten?
Auf den ersten Blick wenig. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein gemeinsames Muster: Alle drei Entwicklungen brechen mit etablierten Paradigmen und zwingen Unternehmen, ihre Strategien zu überdenken.
Chiplets fordern die Halbleiterindustrie heraus, von monolithischen Giganten zu modularen Systemen zu wechseln – eine Abkehr von Jahrzehnten der Integration. Waste-to-Energy verlangt von Regierungen und Unternehmen, Müll nicht als Problem, sondern als Ressource zu begreifen. Und KI-Sicherheit verschiebt die Verteidigung von der Perimeter-Firewall zum individuellen Nutzerverhalten.
In allen drei Fällen gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft der Markt. Intel und AMD haben Chiplets erkannt, bevor es zu spät war. Länder wie China und Indien investieren massiv in Müllverwertung, während Europa noch diskutiert. Und Unternehmen, die KI-Sicherheit ignorieren, werden früher oder später Opfer von Cyberangriffen.
Für Investoren bedeutet das: Technologie ist nicht mehr nur ein Sektor, sondern durchdringt alle Branchen. Wer die nächsten Gewinner identifizieren will, muss über den Tellerrand schauen – und bereit sein, in Unternehmen zu investieren, die heute noch klein, aber morgen systemrelevant sein könnten.
Morgen blicken wir auf die Handelsbilanz Deutschlands und die neuesten Zahlen aus der Automobilindustrie. Daimler Truck legt Quartalszahlen vor – ein Stimmungstest für die Nutzfahrzeugbranche. Und die Uni Michigan veröffentlicht ihre Verbraucherstimmung – ein Frühindikator, der oft unterschätzt wird.
Bis dahin wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Handelstag.
Eduard Altmann
Donnerstag, 6. November 2025
