Dow Jones: Aktienmarkt im dauerhaften Ausnahmezustand

Der Dow Jones zeigt seit Monaten extreme Schwankungen mit starken Anstiegen und abrupten Korrekturen. Aktuell deutet sich eine Konsolidierung an, während die Fed-Entscheidung abgewartet wird.

Kurz zusammengefasst:
  • Dow Jones mit historischen Kursausschlägen
  • Aktuelle 9-tägige Gewinnserie beendet
  • Fed-Zinsentscheidung beeinflusst Marktstimmung
  • Analysten erwarten weitere Konsolidierung

Dow Jones: Aktienmarkt im dauerhaften Ausnahmezustand
von Sven Weisenhaus

Erst übertrieben rauf, dann übertrieben runter und wieder übertrieben rauf – und so weiter. Die Aktienmärkte sind seit geraumer Zeit in einem Ausnahmezustand. Ich erinnere mich noch, als ich am 9. August 2023 berichtete, dass der Dow Jones seine längste Gewinnserie seit 1987 erzielen konnte (siehe „Saisonalität: Bislang zeigen die US-Indizes nur leichte Schwäche“). Am 26. Juli war es mit dem 13. Gewinntag in Folge so weit (siehe grünes Rechteck im folgenden Chart). Wäre der Index am Folgetag ebenfalls gestiegen, hätte er einen uralten Rekord aus dem Jahre 1897 gebrochen. – Eine klare charttechnische Übertreibung.

Mit der damaligen Gewinnserie konnte der Dow Jones um +5,72 % zulegen. Zusammen mit den vorangegangenen Kursgewinnen waren es sogar +13,38 % – in 92 Handelstagen. Es folgte eine deutliche (ABCDE-)Korrektur. Abgesehen von der 13-tägigen Gewinnserie kann man übergeordnet betrachtet von einer normalen Kursentwicklung sprechen. Zumal die starken Kursgewinne nach einer Phase längerer Kursverluste erzielt worden waren.

Denn in das Jahr 2023 war der Dow Jones mit einer ABC-Korrektur gestartet. Und dieser war ein mehrmonatiger Abwärtstrend vorangegangen, der fast über das gesamte Jahr 2022 anhielt und den Dow Jones letztlich um -22,4 % nach unten drückte – in Form einer ABCDE-Korrektur. Diese kann man mit Blick auf die Kurskapriolen, die dabei geschlagen wurden, wiederum als extrem bezeichnen. Ich glaube, so etwas hatte es zuvor noch nicht gegeben – eine ganze Serie von charttechnischen Übertreibungen.

Und was danach geschah, kann man wohl zweifelsfrei auch wieder als Übertreibung bezeichnen – nämlich die Kursexplosion des Dow Jones um +57,27 % auf sein jüngstes Rekordhoch.

Interessant beim Blick auf diesen Chart ist: Mit dem anschließenden „Zoll-Crash“ wurde das markante Hoch vom Januar 2022 bei 36.952,65 Punkten von oben angelaufen, dabei zwar knapp unterschritten, aber letztlich verteidigt. Und damit wurde der bullishe Ausbruch über diese Hürde getestet und bestätigt. Man kann daher aus dieser charttechnischen Sicht davon ausgehen, dass der Dow Jones sein Tief in der jüngsten Korrektur erreicht hat. Das ist grundsätzlich bullish zu werten.

Zumal mit der (scharfen) Abwärtsbewegung 50 % des vorherigen Anstiegs korrigiert wurden (siehe graue Linien im folgenden Chart = Fibonacci-Retracements). Das gilt als normale Korrektur und somit als ausreichend. Und auch das kann man grundsätzlich bullish werten.

Fraglich ist allerdings, ob der Anstieg, der im Oktober 2022 begann und im Dezember 2024 endete – also mehr als 2 Jahre andauerte, schon nach einem Rücksetzer ausreichend konsolidiert wurde, der vom zweiten Hoch des Doppeltops nur 46 Tage anhielt.

Ein Plus von +57,27 % in 539 Tagen steht also einem Minus von -18,74 % in nur 46 Tagen gegenüber. – Wieder eine Übertreibung, dieses Mal in Form einer zu schnellen, crashartigen Korrektur.

Vom ersten Hoch, dem Rekordhoch, sind es übrigens -18,77 % bzw. 84 Tage. Das macht die Sache nur wenig besser. Man könnte allerdings einwenden, dass die Aufwärtsbewegung von Ende 2022 mit der ABC-Korrektur und die Aufwärtsbewegung inklusive dem 13-tägigen rekordverdächtigen Anstieg vom Sommer 2023 mit der ABCDE-Korrektur konsolidiert wurden. Insofern musste nur die Aufwärtsbewegung seit Oktober 2023 korrigiert werden.

In diesem Fall stehen sich folgende Werte gegenüber:
+39,43 % und -18,77 %
278 Tage und 84 Tage
Diese Relationen würden deutlich besser passen. Man könnte von einer ausreichenden Korrektur sprechen und daher von der Möglichkeit eines neuen Aufwärtstrends des Dow Jones ausgehen. Auch das kann man grundsätzlich bullish werten.

Kurzfristige Übertreibung durch Gewinnserie

Allerdings komme ich nun zum Beginn der heutigen Analyse zurück. Zur Erinnerung: Im Juli 2023 konnte der Dow Jones mit einer 13-tägigen Gewinnserie um +5,72 % und zusammen mit den vorangegangenen Kursgewinnen um +13,38 % zulegen – in insgesamt 92 Handelstagen – nach einer längeren Korrektur.

Am Montag dieser Woche hätte es der Dow Jones beinahe auf eine 10-tägige Gewinnserie gebracht, die lediglich durch einen Rücksetzer kurz vor Handelsende gerissen wurde. So kam er „nur“ auf 9 Gewinntage in Folge (siehe grünes Rechteck im folgenden Chart). Mit dieser hat der Index vom Tief des 21. April bis zum Hoch am Montag aber um +9,56 % zugelegt. Und zusammen mit den vorangegangenen Kursgewinnen sind es +13,20 % – in insgesamt nur 20 Handelstagen – nach einer relativ kurzen Korrektur.

Der Dow Jones befindet sich also auch jetzt schon wieder in einer charttechnischen Übertreibung.

Zwischenfazit

Erst übertrieben rauf, dann übertrieben runter und wieder übertrieben rauf. Der Dow Jones ist seit geraumer Zeit in einem Ausnahmezustand. Dabei hat er es kürzlich mit einer crashartigen Korrektur übertrieben. Eine Kurserholung war fällig. Doch auch bei dieser hat er es wieder übertrieben. Am 9. April erreichte der Dow Jones mit +7,87 % einen der größten Tagesanstiege aller Zeiten. Nach einem anschließenden Rücksetzer und der darauffolgenden 9-tägigen Gewinnserie ist nun wieder ein Rücksetzer fällig. Dieser scheint angelaufen zu sein, vor allem mit den vorgestrigen Kursverlusten.

Wie weit kann dieser reichen? Grundsätzlich war das Ausmaß der crashartigen Korrektur ausreichend. Daher kann man davon ausgehen, dass die Korrektur des Dow Jones ihr Tief hinter sich hat. Allerdings war deren Dauer relativ kurz. Und daher ist noch mit einer anhaltenden Konsolidierung zu rechnen, bevor es zu einem neuen, nachhaltigen Aufwärtstrend kommen kann. Wenn sich der Rücksetzer aber dem Tief des 9-tägigen Anstiegs nähert, könnte auch das Korrekturtief noch einmal getestet werden. Wird es verteidigt, könnte sich eine Seitwärtskonsolidierung oder ein Doppelboden bilden. Wird es nachhaltig unterschritten, ist mit deutlich tieferen Kursen zu rechnen.

Darauf sollten Sie nun achten: Zinsentscheid der Fed

Vieles wird dabei von der Zinsentscheidung der US-Notenbank gestern Abend (MESZ) abhängen. Diese dürfte eigentlich zu einem Non-Event werden, da größere Überraschungen nicht zu erwarten sind. Eine Zinssenkung gilt als äußerst unwahrscheinlich. Und was zukünftige Zinsschritte angeht, so wird mit einem Verweis auf die hohe Unsicherheit durch die US-Zölle gerechnet. Die Fed dürfte ihre abwartende Haltung unterstreichen.

Allerdings: Auch wenn die Fed genau das liefert, ist derzeit kaum abschätzbar, wie der Markt reagiert. Bleiben Kurssprünge aus, weil es so kommt wie erwartet? Zeigen sich die Anleger enttäuscht, weil Zinssenkungen vorerst ausbleiben? Oder reagieren die Anleger erleichtert, weil Fed-Chef Powell noch keine Notwendigkeit für Zinssenkungen sieht, da sich die US-Wirtschaft noch recht solide entwickelt? Letzteres ist durchaus zu erwarten, weil sich die Anleger zuletzt wieder nur die Rosinen aus den Nachrichten herausgepickt haben. Vielleicht kommt es aber auch zunächst zu stark steigenden Kursen, die anschließend in sich zusammenbrechen.

Zurückhaltung vor dem Zinsentscheid

Angesichts dieser Ungewissheit und der Möglichkeit von erneuten Kurskapriolen ist es sicherlich sinnvoll, die gestrige Zinsentscheidung und die Reaktion der Märkte abzuwarten und erst danach, also frühestens heute, neue Investitionsentscheidungen zu treffen.

Damit haben Sie nun einige Ideen, was Sie tun können.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

Neueste News

Alle News

Autor

  • Sven Weisenhaus ist ein erfahrener Trader und Börsenanalyst, der sich bereits seit 1999 intensiv mit den Themen Wirtschaft und Finanzen auseinandersetzt. Sein besonderes Interesse gilt seit Beginn dem Börsenhandel, woraufhin er sich detailliert mit den täglichen Entwicklungen an den Finanzmärkten beschäftigt hat. Im Rahmen seines privaten Tradings handelt er mit Aktien, Zertifikaten und vor allem CFDs (Differenzkontrakte).

    Sein Fachwissen erweiterte er durch Studienabschlüsse als Betriebswirt (VWA), Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH) und Diplom-Kaufmann (FH).

    Bei seinen Analysen kombiniert er verschiedene Ansätze: Neben fundamentalen Daten fließen auch charttechnische Methoden und Aspekte der Sentimenttheorie ein. Diese umfassende Herangehensweise ermöglicht es ihm, präzise Prognosen für Einzelaktien, Indizes, Rohstoffe und Währungspaare zu erstellen, die häufig genau ins Schwarze treffen.

    Seine Erkenntnisse teilt Sven Weisenhaus regelmäßig als Redakteur in diversen Börsenpublikationen. Unter anderem verfasste er über mehrere Jahre einen spezialisierten Börsendienst, der auf der Elliott-Wellen-Theorie basierte. Im Dezember 2012 übernahm er den kostenlosen Börsendienst „Geldanlage-Brief“, der mittlerweile im Newsletter „Börse - Intern“ aufgegangen ist. Seit Anfang 2016 schreibt er diesen Dienst als Teil des Teams von www.stockstreet.de. Zusätzlich verfasst er für Stockstreet seit einigen Jahren Börsenbriefe wie den „Target-Trend-Spezial“, einen täglichen Chartanalyse-Dienst, der hauptsächlich den DAX, aber auch andere Basiswerte nach der "Target-Trend-Methode" untersucht. Mit seinem breiten Erfahrungsschatz und seinem analytischen Ansatz zählt Sven Weisenhaus zu den führenden Experten auf seinem Gebiet.

    Alle Beiträge ansehen