Europas Aufrüstungspakt: Die 800-Milliarden-Euro-Wette gegen die Zeit

Die EU startet eine umfassende Verteidigungsoffensive mit 800 Milliarden Euro bis 2035, während Deutschland gleichzeitig Alltagskosten durch Digitalisierung senkt.

Kurz zusammengefasst:
  • Vier große Rüstungsprojekte für Europas Sicherheit
  • 150 Milliarden Euro Kreditprogramm für Beschaffung
  • Deutschland investiert zehn Milliarden in Drohnentechnik
  • Goldpreis erreicht vierten Rekordtag in Folge

Europas Aufrüstungspakt: Die 800-Milliarden-Euro-Wette gegen die Zeit

Lieber Leser,

während in Brüssel gestern die neue Verteidigungsroadmap der EU präsentiert wurde, läuft in deutschen Fahrschulen eine ganz andere Revolution: Führerscheine sollen billiger werden – durch Simulatoren statt Sonderfahrten. Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch zeigen beide, wie sehr sich unsere Prioritäten gerade verschieben.

Die EU-Kommission hat ihre Karten auf den Tisch gelegt: Bis 2030 soll Europa verteidigungsbereit sein. Mit vier großen Rüstungsprojekten, einer geplanten gemeinsamen Beschaffungsquote von 40 Prozent und der Aussicht auf Verteidigungsausgaben von zusätzlich 288 Milliarden Euro jährlich. Das ist keine Aufrüstung mehr – das ist eine industrielle Mobilmachung im Zeitraffer.

Der neue Eiserne Vorhang: Digital und tödlich

Die Bedrohungsanalyse der Kommission liest sich wie ein Thriller: Russland könnte spätestens 2030 militärisch bereit für einen weiteren Krieg sein. Die mysteriösen Drohnenflüge über Dänemark und Deutschland in den letzten Wochen – sie waren nur ein Vorgeschmack. „Die Gefahr wird nicht verschwinden, selbst wenn der Krieg in der Ukraine endet“, warnt EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas mit einer Nüchternheit, die aufhorchen lässt.

Was folgt, ist ein Aufrüstungsfahrplan, der es in sich hat. Vier Leuchtturmprojekte sollen Europas Verteidigung revolutionieren: Eine „Drohnenabwehr-Initiative“ – bewusst nicht mehr „Drohnenwall“ genannt, weil die Bedrohung aus allen Himmelsrichtungen kommt. Ein „European Air Shield“ unter deutscher Führung, wie Verteidigungsminister Pistorius stolz verkündet. Die „Eastern Flank Watch“ für die Ostgrenze. Und ein „Defence Space Shield“ zum Schutz unserer Satelliten.

Deutschland will allein zehn Milliarden Euro in Drohnen investieren. Die Ironie: Während Berlin an Kampfdrohnen bastelt, reformiert Verkehrsminister Schnieder den Führerschein mit Fahrsimulatoren. Die einen simulieren das Fahren, die anderen den Krieg.

Simulierte Mobilität: Deutschlands kuriose Kostenbremse

3.400 Euro für einen Führerschein – das ist der deutsche Durchschnitt. Mancherorts sogar 4.000 Euro. „Mobilität darf kein Privileg sein“, tönt Minister Schnieder und verspricht die große Revolution: Weniger Theoriefragen, mehr Simulatoren, kürzere Prüfungen.

Der Plan klingt verlockend: Ein Drittel weniger Prüfungsfragen, von 1.169 auf etwa 780. Fahrsimulatoren statt teurer Sonderfahrten. Die praktische Prüfung von 55 auf 25 Minuten verkürzt. Und das Beste: Fahrschulen brauchen keine Schulungsräume mehr – alles geht digital, per App.

Die Fahrlehrerverbände jubeln verhalten. „Die extrem steigende Zahl der Fahrstunden ist der hauptsächliche Kostentreiber“, erklärt Verbandsvize Kurt Bartels der Rheinischen Post. Seine Diagnose ist vernichtend: Jugendliche hätten durch Smartphones eine schlechtere Verkehrswahrnehmung als vor 20 Jahren.

Da haben wir’s: Die Generation, die mit VR-Brillen aufwächst, kann nicht mehr richtig Auto fahren. Die Lösung? Noch mehr Simulation.

Von Pakistan bis Belize: Die Welt sortiert sich neu

Während Europa aufrüstet und Deutschland am Führerschein feilt, explodiert anderswo die Gewalt. Pakistan und Afghanistan lieferten sich tagelange Gefechte mit Dutzenden Toten – bis zu einem 48-stündigen Waffenstillstand. „Der Ball liegt in deren Feld“, sagt Pakistans Premier Sharif mit einer Mischung aus Drohung und Dialogangebot.

Die Bilder aus Kabul sind verstörend. 34 Verletzte in einer einzigen Klinik nach einem pakistanischen Luftangriff. „Alles wurde plötzlich dunkel“, berichtet Abdul Kabir, dessen Büro getroffen wurde. Die Taliban fordern Respekt, Pakistan fordert Terrorbekämpfung. Ein Teufelskreis ohne Ausweg.

Und dann ist da noch diese kuriose Meldung aus der Karibik: VGTel installiert in Belize einen „MiraLink Environmental Sky Monitoring Node“ – Umweltüberwachung trifft auf tokenisierte Immobilien. Die Zukunft der Überwachungstechnologie, getarnt als Klimaschutz. Während Europa Drohnenwälle plant, überwachen Start-ups in Belize den Himmel für Kryptowährungen.

Der Markt für alles: Von Hormonen bis zur Vatikanbank

Die Zahlen des Tages kommen von Allied Market Research: Der globale Markt für hormonelle Verhütungsmittel soll bis 2035 auf 26,6 Milliarden Dollar wachsen. Wachstumsrate: 3,6 Prozent jährlich. Treiber: ungewollte Schwangerschaften und staatliche Familienplanungsinitiativen.

In Rom prangert derweil eine Vatikan-Kommission die zu langsame Aufarbeitung von Missbrauchsfällen an. „Leere Versprechungen und performative Gesten“, heißt es im Bericht. Selbst die italienischen Bischöfe verweigerten die Zusammenarbeit – nur 81 von 226 Diözesen antworteten auf einen Fragebogen.

Der Goldpreis? Explodiert weiter. 4.247 Dollar je Unze – vierter Rekordtag in Folge. Die Fed-Gouverneurin signalisiert weitere Zinssenkungen. Die Märkte feiern, als gäbe es kein Morgen. Dabei warnt Christopher Waller selbst: Der Arbeitsmarkt sendet „unheilvolle“ Signale. Seine Wortwahl verrät mehr als alle Daten.

Anzeige: Apropos Märkte – während Gold neue Höhen erreicht und Europa Milliarden in Sicherheit steckt, entstehen an anderen Fronten neue Chancen. Besonders die Halbleiterbranche erlebt eine geopolitisch getriebene Renaissance, die Europa direkt betrifft. Wer verstehen will, wie der „Chipkrieg“ zwischen den USA, China und Europa Investmenttrends verändert, findet eine detaillierte Analyse hier: Zum Hintergrundbericht „Die neue Nvidia“.

Die 150-Milliarden-Euro-Kreditlinie

Zurück nach Brüssel. Die EU-Kommission hat nicht nur Rüstungspläne, sondern auch eine Idee zur Finanzierung: Ein 150-Milliarden-Euro-Darlehensprogramm namens SAFE soll die gemeinsame Beschaffung ankurbeln. Bis 2027 sollen 40 Prozent aller Waffenkäufe gemeinsam erfolgen. Heute sind es gerade mal 20 Prozent.

Die Mitgliedstaaten sollen „freiwillige Koalitionen“ bilden. Deutschland führt beim Luftschild, andere Länder bei anderen Projekten. Es ist der Versuch, europäische Verteidigungsintegration ohne Souveränitätsverzicht zu erreichen. Ein Drahtseilakt.

Der eigentliche Clou versteckt sich in den Details: Die EU will 60 Prozent ihrer Waffen bis 2030 von europäischen – und ukrainischen! – Rüstungsfirmen kaufen. Die Ukraine als Teil der europäischen Verteidigungsindustrie, noch bevor sie EU-Mitglied ist. Geopolitik durch die Hintertür.

Deutschlands stille Revolution

123.000 Sicherheitsbeauftragte sollen in deutschen Betrieben wegfallen. Arbeitsministerin Bärbel Bas verspricht gleichen Schutz bei weniger Bürokratie. Die Unternehmen sparen angeblich 135 Millionen Euro jährlich. Die Gewerkschaften schäumen.

„Das Ministerium muss sich fragen lassen, wie wichtig ihm die Gesundheit der Beschäftigten wirklich ist“, wettert DGB-Vorständin Anja Piel. Die Unfallversicherung warnt: Ohne Sicherheitsbeauftragte steigen die Unfallrisiken.

Es ist der deutsche Spagat: Gleichzeitig aufrüsten und deregulieren. Milliarden für Verteidigung ausgeben und Millionen bei der Arbeitssicherheit sparen. Die Führerscheinausbildung digitalisieren und Kampfdrohnen analog bedienen.

Was bleibt

Europa rüstet auf wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Die Zeitenwende, von der alle reden – sie manifestiert sich in Rüstungsprojekten, Beschaffungsquoten und Milliardeninvestitionen. 800 Milliarden Euro zusätzlich bis 2035, wenn die Schätzungen stimmen.

Gleichzeitig versucht Deutschland, den Alltag billiger zu machen. Führerscheine durch Simulation, weniger Sicherheitsbeauftragte, mehr Digitalisierung. Als könnte man die Kosten der Aufrüstung durch Einsparungen im Kleinen kompensieren.

Die Märkte ignorieren die geopolitischen Spannungen. Gold auf Rekordhoch, Aktien im Rally-Modus, die Fed senkt weiter die Zinsen. Als lebten wir in zwei Parallelwelten: In der einen bereitet sich Europa auf einen möglichen Krieg vor, in der anderen optimieren Anleger ihre Portfolios.

Ausblick: Nächste Woche tagen die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Die Verteidigungspläne stehen auf der Agenda. Parallel veröffentlicht die EZB neue Inflationsprognosen. Und in den USA entscheidet die Fed Ende Oktober über weitere Zinssenkungen. Die Frage ist nicht, ob die Märkte reagieren werden – sondern wie heftig.

Eine Welt, die gleichzeitig aufrüstet und die Zinsen senkt, Drohnenwälle plant und Führerscheine verbilligt – das hatten wir noch nie. Vielleicht ist genau das die neue Normalität.

Herzliche Grüße und ein nachdenkliches Wochenende

Eduard Altmann

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