EZB hält still, während Trump zündelt: Die neue Weltordnung der Notenbanken
Liebe Leserinnen und Leser,
während sich die Europäische Zentralbank gestern in vornehme Zurückhaltung übte und den Leitzins bei 2,0 Prozent beließ, warf Donald Trump eine Bombe in die geopolitische Arena: Die USA nehmen nach über 30 Jahren wieder Atomwaffentests auf. Was auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat, offenbart bei genauerem Hinsehen die tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft. Die alten Spielregeln? Geschichte. Die neue Normalität? Ein permanenter Ausnahmezustand zwischen Handelskriegen, Währungspolitik und militärischer Machtdemonstration.
Wenn Notenbanker pokern: EZB bleibt am Spieltisch sitzen
Christine Lagarde hatte gestern ihren großen Auftritt – allerdings nicht in Frankfurt, sondern im Renaissance-Ambiente von Florenz. Die Botschaft der EZB-Präsidentin: Wir warten ab. Zum dritten Mal in Folge ließ die Notenbank den Einlagezins unverändert bei 2,0 Prozent. Das mag nach Stillstand klingen, ist aber tatsächlich hochstrategisch.
Die EZB sitzt in der Zwickmühle: Einerseits zeigt die Inflation mit 2,2 Prozent im September erste Ermüdungserscheinungen, andererseits brodelt es an allen Ecken. Die Franzosen stecken in einer Regierungskrise, Trump droht mit Zöllen, und niemand weiß, was Putin als Nächstes plant. In diesem Umfeld ist Abwarten tatsächlich die mutigste Entscheidung.
Besonders pikant: Während die Fed am Mittwoch bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinsen senkte, verharrt Frankfurt in Lauerstellung. Diese Divergenz der Geldpolitik könnte den Euro-Dollar-Kurs gehörig durcheinanderwirbeln. Schon jetzt spekulieren Devisenhändler auf eine weitere Aufwertung des Dollars – Gift für europäische Exporteure.
Die deutschen Sparer dürfen sich derweil über magere 1,28 Prozent beim Tagesgeld freuen. Nach Abzug der Inflation bleibt: ein Minusgeschäft. Die Zeit des kostenlosen Geldes ist vorbei, die Zeit der realen Renditen noch nicht angebrochen. Willkommen im geldpolitischen Niemandsland.
Atomare Eskalation: Wenn Trump die Büchse der Pandora öffnet
„Auf gleicher Basis“ – mit diesen drei Worten kündigte Trump gestern die Wiederaufnahme amerikanischer Atomwaffentests an. Der Zeitpunkt, kurz vor seinem Treffen mit Xi Jinping in Südkorea, war kein Zufall. Es ist Machtdemonstration in Reinkultur.
Die ökonomischen Implikationen sind gewaltig: Ein neues Wettrüsten würde Billionen verschlingen. Geld, das in Verteidigung fließt, fehlt bei Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz. Die Rüstungskonzerne reiben sich bereits die Hände – Lockheed Martin, Raytheon und Northrop Grumman könnten zu den großen Gewinnern werden.
Moskau reagierte prompt mit der Drohung eigener Tests. Der Kreml wittert aber auch eine Chance: Statt über die Ukraine könnte man jetzt über Abrüstung reden. Eine perfide Strategie, die den Westen spalten könnte.
Für Europa bedeutet diese Eskalation: höhere Verteidigungsausgaben sind unausweichlich. Die NATO-Zwei-Prozent-Marke? Makulatur. Drei oder vier Prozent des BIP könnten bald die neue Normalität werden. Das wird Löcher in die Haushalte reißen, die Schuldenbremse endgültig pulverisieren und die EZB vor neue Herausforderungen stellen.
Deutsche Tristesse: Der Arbeitsmarkt klebt fest
„Es wird nicht besser und nicht schlechter“, diagnostizierte Andrea Nahles gestern den deutschen Arbeitsmarkt. 2,911 Millionen Arbeitslose im Oktober – das ist die nackte Realität. Die vielgepriesene Herbstbelebung? Ein Rohrkrepierer.
Besonders alarmierend: Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen sank binnen Jahresfrist um 66.000 auf nur noch 623.000. Unternehmen stellen nicht ein, weil sie nicht investieren. Sie investieren nicht, weil die Rahmenbedingungen miserabel sind. Ein Teufelskreis.
Immerhin: Fast 300.000 Ukrainer haben mittlerweile einen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: 3,8 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld, und auf dem Ausbildungsmarkt herrscht Chaos. 54.000 Lehrstellen bleiben unbesetzt, während 40.000 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz dastehen. Ein Matching-Problem epischen Ausmaßes.
Der Vorschlag der Arbeitgeber, das Arbeitslosengeld auf zwölf Monate zu begrenzen? Sozialpolitischer Sprengstoff in Zeiten, in denen die AfD in Umfragen bei 20 Prozent steht. Der deutsche Arbeitsmarkt ist nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch zur Sollbruchstelle geworden.
Märkte im Minutentakt: Die versteckten Gewinner
Während die großen Schlagzeilen dominieren, vollziehen sich im Hintergrund bemerkenswerte Entwicklungen:
Kasachstans Öko-Coup: Die Bulat Utemuratov Foundation startet ein 600.000-Dollar-Projekt zur Renaturierung des Aralseebodens. Mit UC Berkeley und innovativer E-Seed-Technologie sollen bis 2040 eine Million Hektar begrünt werden. Für Investoren interessant: Hier entsteht ein neuer Markt für Umwelttechnologie in Zentralasien.
Verpackungsboom: Der industrielle Verpackungsmarkt soll bis 2034 auf 114,8 Milliarden Dollar wachsen. Treiber sind E-Commerce und Nachhaltigkeit. Deutsche Unternehmen wie Heidelberg Materials könnten profitieren.
HEYDUDE im Sturzflug: Crocs meldet für seine Tochtermarke einen Umsatzrückgang von 21,6 Prozent. Der Hype um Lifestyle-Schuhe scheint vorbei. Zeit für Value-Investoren, genauer hinzuschauen?
Anzeige: Während klassische Konsumwerte an Strahlkraft verlieren, erlebt der Technologiebereich inmitten geopolitischer Spannungen eine stille Renaissance. Insbesondere der europäische Chip-Sektor gilt zunehmend als strategischer Schlüsselmarkt. Wer verstehen will, welche Unternehmen hier die nächste Wachstumswelle tragen könnten, findet eine aktuelle Analyse zu dieser Entwicklung im Bericht „Die neue Nvidia – Chancen im Megatrend-Tsunami 2025“. Eine lesenswerte Einordnung für alle, die technologische Dynamiken rechtzeitig erkennen wollen.
Der Blick nach vorn: Was die nächsten Tage bringen
Morgen blicken alle auf die deutschen Einzelhandelszahlen für September. Erwartet wird ein Plus von 0,3 Prozent – angesichts der Konsumzurückhaltung wäre das fast schon ein Erfolg. Die französischen Inflationsdaten könnten Aufschluss darüber geben, ob die EZB-Zurückhaltung gerechtfertigt war.
Die große Unbekannte bleibt Trump. Seine Atomtest-Ankündigung könnte nur der Anfang sein. Gerüchte über neue Zölle gegen China machen bereits die Runde. Die Märkte sind nervös – der VIX, der Angstindex, steigt wieder.
Und dann ist da noch der schleichende Tod des Abrüstungsvertrags New START, der im Februar 2026 ausläuft. Ohne Nachfolgeregelung stehen wir vor einem neuen Kalten Krieg – mit unabsehbaren Folgen für Weltwirtschaft und Finanzmärkte.
Die Welt wird nicht einfacher. Im Gegenteil: Die Komplexität nimmt exponentiell zu. Was gestern noch undenkbar war – Atomtests, Handelskriege, Negativzinsen – ist heute Realität. Wer in diesem Umfeld bestehen will, braucht starke Nerven und einen langen Atem. Die EZB hat das verstanden. Die Frage ist: Haben wir es auch?
Bleiben Sie wachsam und lassen Sie sich nicht von der scheinbaren Ruhe täuschen. Unter der Oberfläche brodelt es gewaltig.
Mit nachdenklichen Grüßen aus einem unruhigen Europa,
Ihr Eduard Altmann
P.S.: Nächste Woche kommt Fed-Chef Powell zu Wort. Seine Einschätzung zur Trump-Eskalation dürfte die Märkte bewegen. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
