Die globalen Finanzmärkte senden klare Warnsignale. Eine Mischung aus eskalierender US-Handelspolitik, besorgniserregender Staatsverschuldung in den USA und geopolitischen Spannungen drückt auf die Stimmung der Anleger weltweit. Während die G7-Finanzminister am heutigen 22. Mai 2025 um Einigkeit ringen, zeigen Wirtschaftsdaten von Japan bis Argentinien ein Bild wachsender Fragilität. Droht der Weltwirtschaft eine harte Landung?
Trumps Handelspolitik: Öl ins globale Feuer
Die aggressive Handelspolitik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump erweist sich zunehmend als Brandbeschleuniger für die Weltwirtschaft. Auf dem aktuellen Treffen der G7-Finanzminister und Notenbankchefs in Banff, Kanada, versuchen die Teilnehmer zwar, Streitigkeiten über die US-Zölle herunterzuspielen und Gemeinsamkeiten etwa bei der Unterstützung der Ukraine oder im Kampf gegen Finanzkriminalität zu finden. Doch die Schatten der Vergangenheit sind lang: Bereits 2018, ebenfalls unter kanadischer G7-Präsidentschaft, führten Trumps damalige Stahl- und Aluminiumzölle zur Verwerfung und verhinderten ein gemeinsames Kommuniqué. Damals sprach man vom "G6 plus eins"-Gipfel.
Heute sind Trumps Zollandrohungen weitaus umfassender und bedrohen wichtige Handelspartner wie Japan, Deutschland, Frankreich und Italien mit einer Verdopplung der Abgaben auf 20 Prozent oder mehr ab Anfang Juli. Selbst Großbritannien und Gastgeber Kanada kämpfen mit bestehenden US-Zöllen. Berichten zufolge bemüht sich US-Finanzminister Scott Bessent zwar um Kompromisse, doch die grundsätzliche Haltung Washingtons, insbesondere im Hinblick auf China und dessen als wettbewerbsverzerrend angesehene Subventionen, bleibt hart. "Die Botschaft, die wir an Bessent senden, ist, dass Zölle nicht die richtige Antwort auf globale Ungleichgewichte sind", zitierten Medien einen europäischen Vertreter. Die Sorge vor einer weiteren Fragmentierung der G7 ist groß. "Es wäre ernst, wenn wir uns nicht einigen", so ein anderer europäischer Offizieller.
Die Auswirkungen dieser Politik sind bereits spürbar. Japans verarbeitendes Gewerbe schrumpfte im Mai den elften Monat in Folge, wie frische Einkaufsmanagerindex-Daten (PMI) zeigen. Mit einem Wert von 49 Punkten verharrt der Index unter der Wachstumsschwelle von 50. Als Hauptgründe gelten gedämpfte Bestellungen aus dem In- und Ausland sowie explizit die Sorgen vor erhöhten US-Handelszöllen, die besonders die Elektronik-, Industrie- und Automobilbranche treffen. Auch wenn sich die Auftragslage im Vergleich zum April leicht besserte, bleibt die Produktion schwach.
Selbst abseits der G7-Partner zeigt sich Trumps konfrontativer Kurs. So konfrontierte der US-Präsident erst kürzlich den südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa mit haltlosen Behauptungen über einen angeblichen "Völkermord an Weißen" und unfaire Landenteignungen. Dieser Vorfall verdeutlicht die Bereitschaft der US-Regierung, auch etablierte diplomatische Beziehungen für innenpolitische Botschaften und eine aggressive Außenpolitik zu strapazieren. Südafrika drohen unter Trumps "Liberation Day"-Regime bereits Zölle von 30 Prozent.
US-Staatsverschuldung: Die tickende Zeitbombe
Parallel zur Handelspolitik sorgt die Fiskallage in den Vereinigten Staaten für massive Verunsicherung an den Märkten. Eine am Mittwoch durchgeführte Auktion 20-jähriger US-Staatsanleihen im Volumen von 16 Milliarden Dollar stieß auf eine nur schwache Nachfrage. Die Investoren zeigten sich besorgt über die steigende Schuldenlast des Landes, während im Kongress um ein Steuer- und Ausgabengesetz gerungen wird, das die fiskalische Situation weiter verschärfen dürfte. Es wird erwartet, dass dieses Gesetz die US-Schulden bis 2034 um rund 3,3 Billionen Dollar erhöhen könnte – oder sogar um 5,2 Billionen Dollar, sollten temporäre Regelungen verlängert werden.
Die Reaktion der Märkte ließ nicht auf sich warten: Nach der Auktion stiegen die Renditen für 20-jährige US-Anleihen auf 5,127 Prozent, den höchsten Stand seit November 2023. Auch die Renditen der richtungsweisenden 10-jährigen Papiere kletterten auf 4,607 Prozent. "Wir haben ein Altlastenproblem beim Defizit, und es scheint nicht zu verschwinden… es ist einfach zu viel Verschuldung da draußen", kommentierte Tom di Galoma von der Mischler Financial Group. George Cipolloni von Penn Mutual Asset Management ergänzte: "Renditen von 5 Prozent bei Langläufern und eine weitere schlecht gelaufene Auktion sind kein Zeichen dafür, dass die Leute ein gutes Gefühl bezüglich der US-Wirtschaft haben."
Diese Entwicklung folgt auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur Moody’s von der Bestnote "Aaa" erst letzten Freitag, was die Sorgen um den 36 Billionen Dollar schweren Schuldenberg der USA weiter anheizte. Zuvor hatten bereits Fitch und Standard & Poor’s die US-Bonität herabgestuft. Die Unsicherheit führte am Mittwoch zu deutlichen Kursverlusten an den US-Börsen – Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq Composite verzeichneten ihre größten Tagesverluste seit dem 21. April – und zu einem breiten Rückgang des US-Dollars. Der Euro stieg im Gegenzug auf ein Zweiwochenhoch von 1,1334 Dollar.
Weltwirtschaft im Stresstest: Unterschiedliche Signale
Die Turbulenzen, die von der US-Politik ausgehen, treffen auf eine Weltwirtschaft, die ohnehin mit unterschiedlichen Herausforderungen kämpft.
In Asien zeichnet sich ein gemischtes Bild. Während der japanische Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe trübe Aussichten signalisiert, gab es heute auch einen positiven Lichtblick: Die japanischen Kernmaschinenbauaufträge, ein wichtiger Frühindikator für die Investitionsausgaben der Unternehmen, stiegen im März überraschend deutlich um 13,0 Prozent gegenüber dem Vormonat. Auf Jahressicht lag das Plus sogar bei 8,4 Prozent, während Analysten einen Rückgang erwartet hatten. Dies könnte darauf hindeuten, dass zumindest einige Sektoren noch robust sind, die Unsicherheit aber hoch bleibt. Auch Japans Dienstleistungssektor, der zuletzt noch expandierte, schwächte sich im Mai ab. Insgesamt schrumpfte die japanische Wirtschaftsaktivität (Composite PMI) den zweiten Monat in drei Monaten. In Singapur wuchs die Wirtschaft im ersten Quartal 2025 zwar um 3,9 Prozent im Jahresvergleich und damit leicht stärker als zunächst geschätzt. Auf Quartalssicht ergab sich jedoch ein Rückgang von 0,6 Prozent. Die Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2025 wurde bereits im April auf verhaltene 0,0 bis 2,0 Prozent gesenkt.
In Schwellenländern wie Argentinien führen drastische Sparmaßnahmen zur Bekämpfung hoher Inflation zu sozialen Verwerfungen. Am Mittwoch kam es in Buenos Aires erneut zu Protesten vor dem Kongress, bei denen Dutzende Menschen verletzt wurden. Pensionäre und Aktivisten fordern höhere Renten, während die Regierung von Präsident Javier Milei auf einem strikten Sparkurs beharrt, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Rund 38 Prozent der Bevölkerung lebten im zweiten Halbjahr des Vorjahres in Armut. "Der Plan der Regierung ist offensichtlich, Millionen von Menschen, die den Mindestlohn beziehen, durch Hunger zu töten", warf ein oppositioneller Abgeordneter der Regierung vor.
Ausblick: Nervosität und offene Fragen
Die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft navigieren durch extrem unruhiges Fahrwasser. Die Kombination aus aggressiver US-Handelspolitik, einer bedrohlich anwachsenden US-Staatsverschuldung und geopolitischen Brandherden sorgt für erhebliche Nervosität bei Investoren. Die Uneinigkeit innerhalb der G7 über grundlegende handelspolitische Fragen und sogar über die Formulierung gemeinsamer Erklärungen zur Ukraine-Krise – Berichten zufolge wollen US-Vertreter die Bezeichnung des russischen Einmarsches als "illegal" streichen – ist ein alarmierendes Zeichen für die Erosion internationaler Zusammenarbeit.
Während einzelne Wirtschaftsdaten wie die japanischen Maschinenbauaufträge kurzfristige Hoffnungsschimmer senden können, bleibt das Gesamtbild von Unsicherheit geprägt. Die Frage, die sich Anleger und politische Entscheidungsträger gleichermaßen stellen müssen: Können die globalen Volkswirtschaften diesen vielfältigen Belastungen standhalten, oder steuern wir auf eine ernste Krise zu? Die kommenden Monate dürften entscheidend werden.