Liebe Leserinnen und Leser,
während ich diese Zeilen schreibe, überschlagen sich die Meldungen aus dem Nahen Osten. Israelische Kampfjets greifen iranische Ziele an, Teheran feuert zurück – und die Welt hält den Atem an. Doch das ist längst nicht alles, was die Märkte heute bewegt. Der G7-Gipfel in Kanada droht zum Schauplatz eines weiteren Handelseklats zu werden, und nächste Woche stehen gleich reihenweise Zentralbankentscheidungen an. Was bedeutet diese explosive Mischung für unsere Portfolios? Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Eskalation am Golf: Wenn Geopolitik zur Marktgefahr wird
Die Lage zwischen Israel und dem Iran hat eine neue, bedrohliche Qualität erreicht. Israelische Luftschläge trafen nach Berichten der Internationalen Atomenergiebehörde direkt die unterirdischen Urananreicherungsanlagen in Natanz – ein beispielloser Schritt. Teheran meldet über 220 Tote, darunter viele Zivilisten, und schlägt mit Raketen auf Tel Aviv und andere israelische Städte zurück. Die Bilder zerstörter Wohnhäuser und flüchtender Menschen erinnern uns daran, dass hinter den abstrakten Marktbewegungen menschliche Tragödien stehen.
Besonders brisant: Israel behauptet, der Iran stehe kurz vor der Entwicklung von Atomwaffen. Die USA, so berichten Insider, erwägen sogar direkte Militärschläge. Trump selbst deutete auf Social Media an, man wisse genau, wo sich Irans Führung aufhalte, und forderte die "bedingungslose Kapitulation" Teherans. Das klingt beunruhigend nach weiterer Eskalation.
Was heißt das für die Märkte? Der Ölpreis reagierte zunächst mit einem Sprung über 76 Dollar pro Barrel – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ein Fünftel des weltweiten Öls durch die Straße von Hormus fließt. Die gestrige Kollision zweier Tanker nahe dieser Meerenge mag ein Zufall gewesen sein, wirkt aber wie ein unheilvolles Omen. Interessant finde ich, dass die OPEC+ noch genügend Reservekapazitäten hätte, um selbst einen kompletten Ausfall der iranischen Produktion zu kompensieren. Doch würde das reichen, um panische Märkte zu beruhigen?
Trump beim G7: Diplomatie mit dem Vorschlaghammer
Während sich die Krise im Nahen Osten zuspitzt, sorgt Donald Trump beim G7-Gipfel für die nächsten Schlagzeilen. Seine vorzeitige Abreise begründete er mit der Nahost-Krise, doch seine Äußerungen zuvor sprechen Bände: Die EU biete keinen "fairen Deal", Japan sei "hart" in Verhandlungen, und Kanada solle gefälligst für den Raketenschutzschirm zahlen. Sogar Russlands Wiederaufnahme in die G8 brachte er ins Spiel – ein Affront für die europäischen Partner.
Besonders besorgniserregend aus unserer Sicht: Trump kündigte neue Pharma-Zölle an und drohte mit weiteren Eskalationen im Handelskonflikt. Die Schweizer Regierung hat bereits ihre Wachstumsprognose gesenkt, explizit wegen der globalen Handelsunsicherheiten. Und wenn selbst die sonst so stabilen Eidgenossen nervös werden, sollten wir aufhorchen.
Die Folgen spüren wir bereits: Der Dollar, traditionell der sichere Hafen in Krisenzeiten, zeigt ungewohnte Schwäche. Devisenstrategen rätseln: Ist es die Sorge vor Trumps Handelskrieg, die den Greenback belastet? Oder haben die Märkte einfach andere Prioritäten? Marc Chandler bringt es auf den Punkt: Die Investoren schauen derzeit mehr auf die Zentralbanken als auf die Geopolitik. Eine bemerkenswerte Verschiebung.
Zentralbank-Woche: Zwischen Zinsen und Zittern
Apropos Zentralbanken: Die kommende Woche wird spannend. Die Fed entscheidet am Mittwoch, und auch wenn niemand eine Zinsänderung erwartet, werden Powells Worte auf die Goldwaage gelegt. Wie bewertet die Fed die Mischung aus nachlassender Inflation, schwächelndem Arbeitsmarkt und geopolitischen Risiken?
Für uns Europäer mindestens genauso wichtig: Auch die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank stehen vor Entscheidungen. Bei den Eidgenossen wird sogar über Negativzinsen spekuliert, um den starken Franken zu bremsen – ein Zeichen, wie angespannt die Lage ist. Die SNB könnte damit zum Vorreiter einer neuen Lockerungsrunde werden.
Die Konjunkturdaten geben wenig Anlass zur Entspannung. Der Empire State Manufacturing Index stürzte im Juni regelrecht ab – ein Warnsignal für die US-Industrie. Aus China kamen gemischte Signale: starke Einzelhandelsumsätze, aber schwache Industrieproduktion. Es scheint, als würde die Weltwirtschaft auf mehreren Beinen hinken.
Kurz notiert: Lichtblicke und Luftlöcher
Nicht alles ist düster. Auf der Pariser Luftfahrtmesse zeigt sich die Branche in Kauflaune. Airbus sammelte Milliardenaufträge ein, während Boeing nach dem jüngsten 787-Absturz eher zurückhaltend agiert. Allerdings: Der diplomatische Eklat um geschlossene israelische Messestände zeigt, wie sehr der Nahost-Konflikt mittlerweile alle Bereiche durchdringt.
Auch bei den Unternehmensnachrichten gibt es Bewegung. Die Supermarktkette Big Lots meldete Insolvenz an – ein Warnsignal für den US-Einzelhandel? Und Microsoft zahlte 200 Millionen Dollar an OpenAI für KI-Entwicklung im Verteidigungsbereich. Die Tech-Giganten positionieren sich für die Zukunft, während traditionelle Händler straucheln.
Mein Fazit: Navigation im perfekten Sturm
Liebe Leserinnen und Leser, wir steuern auf eine Woche zu, die es in sich haben wird. Die toxische Mischung aus Nahost-Eskalation, Handelskrieg und Zentralbankentscheidungen schafft ein Umfeld maximaler Unsicherheit. Der schwächelnde Dollar zeigt, dass alte Gewissheiten nicht mehr gelten.
Was tun? Ich rate zu defensiver Positionierung. Gold bleibt trotz der moderaten Reaktion ein sinnvoller Portfoliobaustein. Bei Aktien würde ich auf Qualität und geringe Verschuldung achten. Und halten Sie etwas Pulver trocken – in solchen Zeiten entstehen oft die besten Kaufgelegenheiten.
Die zentrale Frage für die kommenden Tage: Schafft es die Fed, mit ihrer Kommunikation die Märkte zu beruhigen? Oder werden die geopolitischen Brandherde alles überschatten? Ich tippe auf Letzteres – und empfehle Ihnen, die Nachrichtenlage sehr genau zu verfolgen.
Bleiben Sie wachsam und besonnen.
Ihr Eduard Altmann