Die globalen Finanzmärkte stehen unter Hochspannung. Während die USA unter Präsident Donald Trump ihre aggressive Handelspolitik mit neuen, unerwarteten Zöllen verschärfen, reagieren Zentralbanken und Anleger nervös. Die Unsicherheit über die nächsten Schritte Washingtons überschattet zunehmend die konjunkturellen Daten und sorgt für erhebliche Verwerfungen an den Devisen- und Aktienmärkten. Der jüngste Paukenschlag: Ein 100%-Zoll auf im Ausland produzierte Filme. Was bedeutet diese Eskalation für die Weltwirtschaft und wohin steuern die Märkte in diesem aufgeheizten Handelskrieg?
Trumps Zoll-Offensive und die Folgen
Die Ankündigung Präsident Trumps am Sonntag, einen umfassenden 100%-Zoll auf alle Filmproduktionen zu erheben, die außerhalb der USA entstehen, markiert eine neue Eskalationsstufe in der amerikanischen Handelspolitik. Trump begründete den Schritt auf der Plattform Truth Social damit, die heimische Filmindustrie sterbe einen "sehr schnellen Tod", da andere Länder Studios und Filmemacher mit Anreizen weglockten. Dies sei eine "konzertierte Aktion anderer Nationen und daher eine Bedrohung der Nationalen Sicherheit", so Trump, der die ausländischen Produktionen zudem als "Messaging und Propaganda" bezeichnete. Wie dieser Zoll konkret umgesetzt werden soll – angesichts diverser Vertriebswege wie Kinos, Streamingdienste und Kabelfernsehen – bleibt vorerst unklar.
Dieser Vorstoß reiht sich ein in eine Serie protektionistischer Maßnahmen. Bereits zuvor hatte Trump umfassende Zölle gegen viele Handelspartner verhängt, darunter spezifische Abgaben auf Stahl, Aluminium und Autos sowie massive Zölle von 145% gegen China. Auch wenn das chinesische Handelsministerium Gesprächsbereitschaft signalisiert hat, scheinen die Fronten verhärtet. Analysten von BCA Research sehen trotz marginaler Deeskalationssignale kaum Chancen auf ein nachhaltiges Handelsabkommen während Trumps Amtszeit – die Wahrscheinlichkeit wird auf nur 50% geschätzt. Die wirtschaftlichen Schäden häufen sich bereits. BCA warnt vor einer deutlichen Schwäche der chinesischen Wirtschaft in den kommenden Quartalen, da Peking mit Konjunkturmaßnahmen hinterherhinke und die chinesischen Exporte aufgrund schwacher globaler Nachfrage und sinkender US-Investitionsabsichten voraussichtlich schrumpfen werden.
Trump selbst verteidigt seine Politik vehement. In einem Interview mit NBC News wies er Bedenken zurück, dass Zölle die Konsumentenpreise erhöhen würden, und meinte flapsig, Amerikaner bräuchten eben nicht "30 Puppen" oder "250 Bleistifte". Er beansprucht die positiven Aspekte der US-Wirtschaft für sich ("Trump economy"), während er Schwächen seinem Vorgänger anlastet ("Biden economy"). Dennoch räumte er ein, den Handel mit China quasi "kalt abgestellt" zu haben, betonte aber, Peking wolle nun dringend einen Deal.
Zentralbanken im Spannungsfeld
Diese aggressive und sprunghafte Handelspolitik zwingt die Notenbanken weltweit in einen schwierigen Spagat. In den USA dämpfte der robuste Arbeitsmarktbericht für März zwar die Erwartungen an eine baldige Zinssenkung der Federal Reserve (Fed) – die Marktwahrscheinlichkeit für einen Schritt im Juni sank auf 37%. Doch trotz dieser eigentlich positiven Daten konnte der Dollar nur begrenzt profitieren und tat sich schwer, die Gewinne zu halten. Dieses Zögern spiegelt das Misstrauen der Investoren wider, die durch die ständigen Politikwechsel und Trumps wiederholte Kritik an Fed-Chef Jerome Powell – den er als "total steif" bezeichnete, auch wenn er ihn nicht vorzeitig entlassen will – verunsichert sind. Die Fed dürfte daher bei ihrer Sitzung diese Woche eine abwartende Haltung einnehmen.
Besonders betroffen ist die Bank of Japan (BOJ). Angesichts der "extrem hohen Unsicherheit" durch die US-Zölle legte die BOJ unter Gouverneur Kazuo Ueda eine Pause bei Zinserhöhungen ein, obwohl die Kerninflation seit drei Jahren über dem 2%-Ziel liegt und der Lohndruck anhält. Ueda warnte, dass sich der Zeitpunkt für eine nachhaltige Zielerreichung "etwas nach hinten verschoben" habe. Die BOJ steckt in der Zwickmühle: Weitere Zinserhöhungen könnten die exportabhängige Wirtschaft inmitten eines globalen Handelskriegs abwürgen. Ein zu zögerliches Vorgehen könnte jedoch den Yen weiter schwächen lassen – was die Inflation anheizt und den Zorn Trumps provozieren könnte, der Japan der Währungsmanipulation bezichtigt. Der Yen gab nach der BOJ-Entscheidung nach. Gleichzeitig stellte Finanzminister Katsunobu Kato klar, dass Japan seine massiven Bestände an US-Staatsanleihen (über 1 Billion Dollar) nicht als Druckmittel in Handelsgesprächen einsetzen werde.
Auch andere Zentralbanken agieren vorsichtig. Die Bank of England dürfte diese Woche die Zinsen weiter senken, während die Notenbanken in Norwegen und Schweden ihre Raten voraussichtlich stabil halten werden.
Märkte unter Druck – Dollar, Yen und Anlegerstrategien
Die Unsicherheit schlägt sich direkt an den Märkten nieder. Der US-Dollar findet trotz positiver Wirtschaftsdaten und geringerer Zinssenkungsfantasie keinen klaren Auftrieb. Die abrupten Politikwechsel haben das Vertrauen erschüttert, was sich auch in den spekulativen Positionierungen zeigt: Viele Investoren setzen weiterhin auf eine Dollarschwäche, was den Markt anfällig für einen "Short Squeeze" bei positiven Nachrichten macht. Der Euro konnte leicht zulegen, während der Dollar gegenüber dem Yen nachgab.
Der Yen geriet nach der zurückhaltenden Haltung der BOJ unter Druck. Die Sorge vor einer weiteren Abwertung und möglichem Druck aus Washington bleibt bestehen. Analysten von Morgan Stanley sehen die nächste Zinserhöhung in Japan nun erst Ende nächsten Jahres, halten einen früheren Schritt im September aber für möglich, sollte der Inflationsdruck steigen oder der Yen stark fallen.
Angesichts der unklaren Lage raten Analysten zur Vorsicht. BCA Research empfiehlt Anlegern eine defensive Positionierung und bevorzugt chinesische Staatsanleihen und A-Aktien gegenüber riskanteren Offshore-Titeln. Sie raten zudem, den MSCI China Index unterzugewichten, da Risiken durch einen potenziellen Dollar-Rebound und eine globale Risikoaversion bestehen. Die chinesischen Aktienmärkte hätten die sich verschlechternde Wachstumsperspektive noch nicht vollständig eingepreist.
Globale Machtverschiebung am Horizont?
Die Turbulenzen könnten langfristig auch Gewinner hervorbringen. Analysten von Nomura sehen Anzeichen dafür, dass die Ära der "US-wirtschaftlichen Ausnahmestellung" zu Ende gehen könnte. Sollte sich dieses Narrativ verfestigen, könnten erhebliche Kapitalströme aus den USA in andere Märkte umgeleitet werden. Immerhin halten ausländische Investoren US-Aktien im Wert von rund 16,5 Billionen Dollar.
Als Hauptprofiteure einer solchen Diversifizierung identifiziert Nomura Indien (bei den Schwellenländern) und Japan (bei den Industrieländern). Beide Länder böten dank ihrer Marktgröße, Liquidität und Vielfalt an Anlagemöglichkeiten die besten Voraussetzungen, um erhebliche Kapitalzuflüsse aufzunehmen. China rangiert im Modell zwar hoch, doch geopolitische Risiken und Dateneinschränkungen geben Anlass zur Vorsicht. Sollten sich die Beziehungen zwischen den USA und China jedoch "bedeutend verbessern", könnte China laut Nomura potenziell "beispiellose Kapitalzuflüsse" erleben – ein großes "Wenn" angesichts der aktuellen Lage.
Fazit: Die aggressive US-Handelspolitik unter Donald Trump hat eine Phase hoher Unsicherheit eingeläutet, die die globalen Finanzmärkte fest im Griff hat. Die unberechenbaren Zollankündigungen stellen Zentralbanken vor enorme Herausforderungen und überschatten positive Wirtschaftsdaten. Während Anleger in Deckung gehen und defensive Strategien bevorzugen, könnten sich langfristig globale Kapitalströme verschieben – mit potenziellen Gewinnern wie Indien und Japan. Der Ausgang des schwelenden Handelskriegs bleibt jedoch völlig offen und verspricht weiterhin hohe Volatilität an den Märkten.