Liebe Leserinnen und Leser,
während wir noch über Trumps jüngste Zolldrohungen diskutieren, vollzieht sich vor unseren Augen eine tektonische Verschiebung der Weltordnung. Von Syrien über Südkorea bis zu den Finanzmärkten – überall brodelt es. Die alten Gewissheiten bröckeln, neue Allianzen entstehen, und mittendrin stehen wir Europäer und fragen uns: Wo ist unser Platz in diesem globalen Schachspiel? Heute führe ich Sie durch die versteckten Zusammenhänge der jüngsten Entwicklungen – und zeige Ihnen, warum gerade die unscheinbaren Nachrichten die wichtigsten sein könnten.
Syrien-Drama: Wenn "Friedensmissionen" in Blutbädern enden
Was in Sweida geschieht, ist mehr als nur eine weitere Tragödie im syrischen Bürgerkrieg. Über 320 Tote in einer Woche – und das trotz amerikanischer Vermittlungsversuche und israelischer "Schutzversprechen" für die Drusen. Die Realität? Ein Lehrstück über die Grenzen westlicher Einflussnahme.
Besonders aufschlussreich finde ich Tom Barraks diplomatische Verzweiflungsrufe auf X (ehemals Twitter). Der US-Sondergesandte fordert ein sofortiges Ende der "brutalen Akte" – während gleichzeitig israelische Kampfjets syrische Regierungstruppen bombardieren. Diese Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realität offenbart die Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft.
Was mich nachdenklich stimmt: Ahmed al-Sharaa, Syriens neuer starker Mann, traf sich im Mai mit Trump. Die Hoffnung auf amerikanische Unterstützung zerschlug sich brutal, als Israel dennoch das Verteidigungsministerium in Damaskus bombardierte. Die Botschaft könnte klarer nicht sein: Washington kontrolliert seine Verbündeten nicht mehr – oder will es nicht.
Trumps Afghanistan-Kehrtwende: Opportunismus oder Strategie?
"I will try to save them, starting right now" – mit diesen Worten kündigte Trump an, afghanischen Flüchtlingen in den VAE zu helfen. Derselbe Trump, der die Flüchtlingsaufnahme stoppte und Schutzprogramme für Afghanen beendete. Was steckt dahinter?
Die Antwort liegt vermutlich in der geopolitischen Realität: Die VAE sind ein wichtiger Sicherheitspartner, und 1.000 festsitzende Afghanen werden zum diplomatischen Störfaktor. Trumps plötzlicher Humanismus dürfte weniger den Menschen als den Beziehungen zu Abu Dhabi geschuldet sein. Für uns Europäer ein Lehrstück: In Trumps Welt zählen nur Deals, keine Ideale.
Der stille Handelskrieg: China spielt Schach, während andere Dame spielen
Während alle auf Trumps August-Deadline für Südkorea starren, vollzieht sich im Hintergrund eine bemerkenswerte Entwicklung. Chinas Exporte von Seltenen Erden in die USA explodierten im Juni um 660 Prozent – nach monatelangen Einbrüchen wegen Exportbeschränkungen.
Was war geschehen? Ein stiller Deal: China lockerte die Beschränkungen, im Gegenzug durfte Nvidia seine KI-Chips wieder ins Reich der Mitte liefern. Diese Art von Realpolitik zeigt: Trotz aller Rhetorik sind beide Supermächte voneinander abhängig. Die Leidtragenden? Kleinere Länder wie Südkorea, die zwischen die Fronten geraten.
Südkoreas Sicherheitsberater Wi Sung-lac jettet verzweifelt nach Washington, während die Uhr tickt. 25 Prozent Zölle ab August – das würde die exportabhängige Wirtschaft hart treffen. Die Ironie: Trumps Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben könnte Südkorea zwingen, weniger amerikanische Waffen zu kaufen.
Finanzmarkt-Signale: Wenn Fair Value auf Realität trifft
Die Erfolgsgeschichte von Rimini Street – plus 67 Prozent seit dem InvestingPro-Tipp – zeigt exemplarisch die Kraft datengetriebener Analyse. Noch faszinierender: Der Oracle-Konkurrent profitierte ausgerechnet von einem Vergleich mit seinem größten Widersacher. Manchmal liegt das Gold auf der Straße, man muss es nur sehen.
Umgekehrt die Warnung bei DiaMedica: minus 35 Prozent, nachdem InvestingPro vor Überbewertung warnte. Die Lektion? In volatilen Zeiten trennt sich die Spreu vom Weizen schneller denn je. Fundamentaldaten schlagen Hoffnung – eine Binsenweisheit, die viele Biotech-Anleger gerade schmerzhaft lernen.
Goldman Sachs‘ Analyse zur Auslandsabhängigkeit des S&P 500 offenbart eine unterschätzte Wahrheit: Nur 28 Prozent der Umsätze kommen aus dem Ausland, davon mickrige 2 Prozent aus China. Die vielzitierte Abhängigkeit von Asien? Größtenteils ein Mythos. Tech-Unternehmen mit 56 Prozent Auslandsumsatz sind die Ausnahme, nicht die Regel.
Der neue Rohstoff-Realismus: Metalle für die Aufrüstung
Die NATO-Pläne, bis 2035 satte 5 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, haben einen oft übersehenen Nebeneffekt: explodierende Nachfrage nach kritischen Metallen. Ein Panzer verschlingt 45 Tonnen Stahl, ein Kampfjet 6,5 Tonnen Aluminium. Bei geplanten drei Billionen Dollar Militärausgaben bis 2030 wird klar: Der nächste Superzyklus kommt aus der Rüstung, nicht aus der Energiewende.
Besonders brisant: China kontrolliert 69 Prozent der globalen Produktion Seltener Erden und 99 Prozent der Verarbeitung schwerer Seltener Erden. Ein F-35-Kampfjet braucht über 400 Kilo davon. Europas Abhängigkeit in diesem Bereich macht alle Aufrüstungspläne zur Makulatur, wenn Peking den Hahn zudreht.
Mein Fazit: Die Welt sortiert sich neu – und wir?
Liebe Leserinnen und Leser, die Ereignisse dieser Woche zeigen überdeutlich: Wir leben in einer Übergangsphase zwischen der alten, regelbasierten Ordnung und einer neuen, noch undefinierten Weltordnung. Trump agiert wie ein Immobilienhändler auf der Weltbühne, China spielt langfristig Schach, und dazwischen zerreiben sich kleinere Akteure.
Für uns Europäer ergeben sich daraus klare Handlungsimperative: Erstens, eigene Stärken ausbauen statt auf andere hoffen. Die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen muss reduziert werden. Zweitens, Allianzen diversifizieren. Weder Washington noch Peking sind verlässliche Partner. Drittens, in Qualität investieren. Die Finanzmarkt-Beispiele zeigen: Fundamentaldaten schlagen Hype.
Was Ihre Investments angeht: Ich sehe Chancen bei europäischen Rüstungswerten (die Auftragsbücher füllen sich), bei Rohstoffrecyclern (die neue Goldgrube) und bei unterbewerteten Tech-Werten mit soliden Fundamentaldaten. Vorsicht geboten ist bei geopolitisch exponierten Exporteuren und gehypten Biotech-Storys ohne Substanz.
Die kommende Woche wird spannend: Trumps Zoll-Deadline für Südkorea rückt näher, die Syrien-Situation bleibt explosiv, und die Berichtssaison geht weiter. Eine Frage treibt mich besonders um: Erleben wir gerade das Ende der Pax Americana – und wenn ja, was tritt an ihre Stelle? Ihre Einschätzung würde mich brennend interessieren.
Mit nachdenklichen Grüßen aus einer Welt ohne Kompass,
Ihr Eduard Altmann