Liebe Leserinnen und Leser,
was für ein Mittwochmorgen! Die Nachrichtenlage gleicht heute einem Weckruf, der uns eindrücklich vor Augen führt, auf welch dünnem Eis sich die vermeintliche Ruhe an den Märkten manchmal bewegt. Berichte über eine mögliche israelische Militäraktion gegen den Iran lassen die Öl- und Goldpreise ausschlagen und die Nervosität steigen. Gleichzeitig überrascht uns Großbritannien mit einer Inflationsrate, die sich hartnäckiger zeigt als von vielen erhofft. Es sind genau diese Momente, die uns zeigen, wie schnell sich die Stimmung an den Finanzmärkten drehen kann und wie viele explosive Unsicherheitsfaktoren unter der Oberfläche der globalen Wirtschaft brodeln. Man fragt sich unweigerlich: Wie lange hält die Stabilität an den verschiedenen Fronten noch?
Geopolitische Zündfunken: Der Nahe Osten als akutes Pulverfass
Die Schlagzeilen werden heute Morgen von beunruhigenden Nachrichten aus dem Nahen Osten dominiert. Ein CNN-Bericht, der sich auf US-Geheimdienstinformationen beruft, deutet darauf hin, dass Israel Vorbereitungen für einen möglichen Militärschlag gegen iranische Nuklearanlagen treffen könnte. Auch wenn eine endgültige Entscheidung offenbar noch nicht gefallen ist, sorgt allein die Möglichkeit einer solchen Eskalation für erhebliche Unruhe. Die Reaktion an den Rohstoffmärkten ließ nicht lange auf sich warten: Die Ölpreise zogen spürbar an, da ein solcher Konflikt nicht nur die iranische Ölproduktion gefährden, sondern potenziell die gesamte Region destabilisieren und wichtige Schifffahrtsrouten wie die Straße von Hormus bedrohen könnte. Auch Gold, der klassische sichere Hafen, verzeichnete eine erhöhte Nachfrage. Die Angst vor einer unkontrollierbaren Ausweitung der Spannungen im Nahen Osten ist also mit einem Schlag wieder präsent.
Diese Entwicklung wirft ein grelles Licht auf die ohnehin schon dramatische Lage in Gaza. Trotz zunehmenden internationalen Drucks und verzweifelter Appelle gibt es kaum Fortschritte bei der dringend benötigten humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung. Die Berichte über die katastrophalen Bedingungen und die anhaltenden Kämpfe sind erschütternd. Diese ungelösten Konflikte sind nicht nur menschliche Tragödien von unvorstellbarem Ausmaß, sondern stellen auch eine permanente Bedrohung für die globale wirtschaftliche Stabilität, Lieferketten und insbesondere die Energiepreise dar.
Währenddessen versucht die Ukraine weiterhin, die Europäische Union zu einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland zu bewegen, insbesondere da die Entschlossenheit aufseiten der USA unter Präsident Trump zu wanken scheint. Kiew hat der EU ein Papier vorgelegt, das weitreichende neue Maßnahmen fordert, inklusive der Beschlagnahmung russischer Vermögen und Sekundärsanktionen gegen Käufer russischen Öls. Ob sich die EU-Staaten auf solch drastische Schritte einigen können, bleibt abzuwarten. Ein Zeichen europäischer Eigenständigkeit ist jedoch die gestrige Einigung der EU-Botschafter auf einen neuen, 150 Milliarden Euro schweren Rüstungsfonds (SAFE). Dieser soll gemeinsame Verteidigungsprojekte finanzieren und die europäische Rüstungsindustrie stärken – eine direkte Reaktion auf die russische Aggression und die Zweifel an der zukünftigen Schutzmachtrolle der USA.
Inflationsgespenst und Konjunktursorgen: Europa und die Weltwirtschaft im Stresstest
Nicht nur geopolitische, auch handfeste ökonomische Daten sorgen heute für Aufsehen. Die Inflationszahlen aus Großbritannien für April fielen mit 3,5% deutlich höher aus als erwartet und markieren den höchsten Stand seit über einem Jahr. Besonders die hartnäckige Teuerung im Dienstleistungssektor (5,4%) dürfte der Bank of England Kopfzerbrechen bereiten. Die Hoffnung auf baldige und schnelle Zinssenkungen im Vereinigten Königreich hat damit einen deutlichen Dämpfer erhalten. Das Pfund Sterling reagierte prompt mit Kursgewinnen. Diese Entwicklung mahnt uns auch in der Eurozone zur Vorsicht, dass der Kampf gegen die Inflation möglicherweise noch nicht ausgestanden ist.
Auch hier bei uns in Deutschland verdüstern sich die Konjunkturaussichten. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat seine Prognose für dieses Jahr deutlich gesenkt und rechnet nun nur noch mit einer Stagnation der deutschen Wirtschaft. Hauptgründe seien die "ausgeprägte Schwächephase", belastet durch die US-Zollpolitik und den industriellen Abschwung. Einziger Lichtblick: Das im März beschlossene Fiskalpaket könnte ab 2026 positive Impulse für Investitionen und Konsum bringen, so die Experten.
Ein Blick über den Atlantik zeigt ebenfalls ein verhaltenes Bild. Der Ausblick für die US-Wirtschaft bleibt trotz einer vorübergehenden Entspannung im Handelsstreit mit China schwach, wie eine aktuelle Reuters-Umfrage unter Ökonomen ergab. Die enorme Staatsverschuldung, durch Moody’s jüngstes Downgrade und Präsident Trumps ehrgeizige Steuerpläne weiter in den Fokus gerückt, belastet die fiskalische Gesundheit der USA. Für die Federal Reserve bedeutet dies, dass sie mit Zinssenkungen wohl weiter zögern wird, zumal die Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Inflation als Unsicherheitsfaktor gelten. China selbst betonte derweil auf einer WTO-Tagung die Notwendigkeit des Multilateralismus und kritisierte unilaterale Zollmaßnahmen scharf.
Diese globale Handelsunsicherheit hat konkrete Folgen: Kanadische Großbanken beispielsweise erwarten, im zweiten Quartal ihre Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle deutlich aufgestockt zu haben – eine direkte Reaktion auf die schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen. Und Südkorea kündigte weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen für seine exportabhängige Industrie an, insbesondere für Pharma- und Autohersteller, die unter den US-Zöllen leiden.
Markt-Blitzlichter: Wo Anleger jetzt besonders hinschauen
- Ölmarkt unter Hochspannung: Neben den Israel-Iran-Spannungen bleibt der Ölmarkt auch durch andere Faktoren volatil. Dazu gehört das strategische Ringen zwischen der OPEC+ und den US-Schieferölproduzenten um Marktanteile. Berichten zufolge zielen Saudi-Arabien und Russland darauf ab, die US-Produktion durch höhere Fördermengen unter Druck zu setzen. Gleichzeitig zeigen die jüngsten API-Daten einen unerwarteten Anstieg der US-Rohöllagerbestände. Interessant ist auch, dass Kasachstan seine Ölproduktion im Mai offenbar entgegen dem Druck der OPEC+ erhöht hat.
- Bitcoin im Höhenflug – mit Vorbehalten: Die größte Kryptowährung notiert weiter in der Nähe ihres Allzeithochs. Beflügelt wird der Kurs durch die Hoffnung auf eine freundlichere Regulierung in den USA, insbesondere durch ein fortschreitendes Stablecoin-Gesetz, sowie die generell positive Haltung der Trump-Administration gegenüber digitalen Vermögenswerten. Allerdings könnten die anhaltenden Handelsunsicherheiten und das Zögern der Fed bei Zinssenkungen den Aufwärtstrend bremsen.
- Dollar unter Druck: Der US-Dollar zeigt sich angesichts der Fiskalsorgen in den USA und der Unwägbarkeiten der amerikanischen Handelspolitik weiterhin schwach. Die laufenden G7-Finanzministertreffen in Kanada könnten hier weitere Impulse setzen, falls es zu Diskussionen über Wechselkurse kommt.
- Japanische Anleihen im Fokus: Die Renditen für japanische Staatsanleihen mit langen Laufzeiten bewegen sich weiter auf Rekordniveaus. Nach einer schwachen Auktion 20-jähriger Papiere bleiben die Sorgen um die Nachfrage und die zukünftige Fiskalpolitik der Regierung bestehen.
Mein Fazit: Nervenstärke und Weitsicht sind gefragt
Liebe Leserinnen und Leser, der heutige Tag macht überdeutlich: Die Finanzmärkte operieren in einem Umfeld spürbarer Nervosität. Die geopolitischen Risiken sind akut und können jederzeit zu abrupten Marktbewegungen führen. Gleichzeitig ist der Kampf gegen die Inflation, wie das Beispiel Großbritannien zeigt, ein zähes Ringen, während die konjunkturelle Dynamik in wichtigen Wirtschaftsräumen wie Deutschland und den USA zu wünschen übrig lässt. Für uns als Anleger bedeutet diese Gemengelage, dass wir einen kühlen Kopf bewahren, unsere Risiken sorgfältig managen und uns nicht von jeder einzelnen Schlagzeile aus der Ruhe bringen lassen dürfen. Dennoch gilt es, die potenziellen Auswirkungen dieser Krisenherde auf unsere Portfolios genau im Auge zu behalten.
Spannend wird im weiteren Tagesverlauf die Veröffentlichung der offiziellen US-Lagerbestandsdaten für Rohöl. Werden sie den überraschenden Anstieg aus den API-Daten bestätigen? Und welche Signale gehen von den G7-Finanzministern bezüglich der globalen Wirtschaftslage und der Währungsmärkte aus?
Bleiben Sie wachsam und gut informiert.
Herzlichst,
Ihr Eduard Altmann