Liebe Leserinnen und Leser,
während die Welt gespannt nach Washington blickt, wo Donald Trump und Benjamin Netanyahu über Krieg und Frieden verhandeln werden, vollzieht sich an den Finanzmärkten ein historisches Drama. Der Dollar erlebt seine schlechteste Halbjahresperformance seit über 50 Jahren, und gleichzeitig verschmelzen Silicon Valley und Pentagon zu einer beunruhigenden Allianz. Was bedeuten diese tektonischen Verschiebungen für uns Anleger? Lassen Sie mich heute die Puzzleteile für Sie zusammenfügen.
Gaza-Waffenstillstand: Hoffnung mit vielen Fragezeichen
Trump gibt sich optimistisch: "Nächste Woche" soll es einen Waffenstillstand in Gaza geben. Die Ankündigung kommt pünktlich vor seinem Treffen mit Netanyahu am Montag. Doch wer genau hinhört, bemerkt die Widersprüche. Hamas will alle Geiseln freilassen – aber nur gegen ein vollständiges Kriegsende. Israel besteht auf Entwaffnung der Hamas. Zwei unvereinbare Positionen, die sich nicht einfach per Handschlag lösen lassen.
Was mich besonders nachdenklich stimmt: Die Todeszahlen sind erschütternd. Über 56.000 Palästinenser sollen laut Gesundheitsministerium Gaza gestorben sein. Israel spricht von 1.200 eigenen Opfern beim Hamas-Angriff im Oktober 2023. Hinter diesen abstrakten Zahlen stehen menschliche Tragödien, die jede politische Lösung überschatten.
Für die Märkte bedeutet ein möglicher Waffenstillstand kurzfristig Entspannung. Die Ölpreise könnten weiter fallen, Risikoprämien sinken. Aber Vorsicht: Der Nahost-Konflikt ist ein Pulverfass mit kurzer Lunte. Ein falsches Wort, eine missverstandene Geste, und die Eskalation ist zurück.
Der Dollar-Absturz: Mehr als nur Währungsschwäche
Es ist offiziell: Der US-Dollar durchlebt gerade seine verheerendste erste Jahreshälfte seit 1973. Damals kollabierte das Bretton-Woods-System – heute wankt die Fed-Unabhängigkeit unter Trumps Attacken. Powell sei "schrecklich", poltert der Präsident und fordert Zinsen auf Japan-Niveau. Die Märkte reagieren allergisch auf diese Politisierung der Geldpolitik.
Goldman Sachs zieht bereits Konsequenzen und erwartet nun drei Zinssenkungen in diesem Jahr statt nur einer. Die Begründung? Milde Inflationseffekte trotz Trumps Zoll-Chaos. Aber ist das realistisch? Ich bezweifle es. Die fiskalische Zeitbombe tickt: Trumps 3,3-Billionen-Dollar-Steuerpaket wird gerade durch den Senat gepeitscht. Die Republikaner kämpfen in endlosen "Vote-a-rama"-Sitzungen um jeden Paragraphen.
Für uns Europäer ist die Dollar-Schwäche ein zweischneidiges Schwert. Der Euro notiert bei 1,178 Dollar – ein Vier-Jahres-Hoch! Unsere Exporte werden teurer, aber unsere Kaufkraft steigt. Rohstoffe, Energie, Importe – alles wird billiger. Die EZB gewinnt plötzlich ungeahnten geldpolitischen Spielraum. Lagarde dürfte beim heutigen Notenbankertreffen in Sintra ein zufriedenes Lächeln aufsetzen.
Tech goes Military: Die verstörende Fusion
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzieht sich eine beunruhigende Entwicklung: Die Grenzen zwischen Silicon Valley und Pentagon verschwimmen. Laut den neuesten Berichten fließen Hunderte Millionen Dollar in militärische KI-Projekte. Tech-Giganten, die uns einst mit "Don’t be evil" kamen, entwickeln jetzt Algorithmen für Drohnenschwärme.
Diese Militarisierung der Tech-Branche wirft unbequeme Fragen auf. Wollen wir wirklich in Unternehmen investieren, die Kriegstechnologie entwickeln? Die ethischen Bedenken werden von satten Renditen übertönt. Defense-Tech ist der neue Wachstumsmarkt – moralisch fragwürdig, finanziell lukrativ.
Besonders pikant: Dieselben KI-Modelle, die uns bei der Textverarbeitung helfen, optimieren morgen vielleicht Zielerfassungssysteme. Die Dual-Use-Problematik war nie brisanter. Als Anleger stehen wir vor einem Dilemma: Mitmachen oder Prinzipien bewahren?
Handelspolitik: Das Pokerspiel geht weiter
Die Juli-Deadline für Trumps Zölle rückt näher, und die Nervosität steigt. Überraschend kommen aber auch positive Signale. Die EU fordert "sofortige Erleichterung" in Schlüsselsektoren – ein Zeichen, dass man verhandlungsbereit ist. Besonders die Automobilbranche bangt: 25 Prozent Zölle auf Autos wären ein Todesstoß für viele Hersteller.
Was mich optimistisch stimmt: Beide Seiten wissen, dass sie verlieren, wenn sie nicht kooperieren. Die Lieferketten sind zu verflochten, die Abhängigkeiten zu groß. Ein Deal ist möglich – aber zu welchem Preis? Europa muss aufpassen, nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Der Krypto-Comeback: Boba Network und die FTX-Geister
Inmitten all der Turbulenzen meldet sich der Krypto-Sektor zurück. Boba Network, ein Layer-2-Projekt für KI-Anwendungen, sichert sich 70 Millionen Dollar Finanzierung. Das Pikante: Sie haben einen Deal mit dem FTX Recovery Trust ausgehandelt. Die Geister der Vergangenheit werden zu Geburtshelfern der Zukunft.
Die Botschaft ist klar: Trotz aller Skandale und Pleiten geht die Blockchain-Innovation weiter. KI trifft auf Krypto – eine potente Mischung. Ob daraus mehr wird als heiße Luft? Die Zeit wird es zeigen. Aber die Risikokapitalgeber wittern offenbar Morgenluft.
Mein Fazit: Navigation durch stürmische See
Liebe Leserinnen und Leser, wir segeln durch außergewöhnlich stürmische Gewässer. Der Nahost-Konflikt schwelt weiter, der Dollar taumelt, Tech und Militär verschmelzen. Gleichzeitig pokern Trump und die EU um Handelsbedingungen, während im Hintergrund die Krypto-Phoenix aus der Asche steigt.
Was heißt das für Ihr Portfolio? Diversifikation war nie wichtiger. Der schwache Dollar macht europäische Qualitätsaktien attraktiv – nutzen Sie das! Bei US-Tech würde ich genau hinschauen: Wer verdient sein Geld womit? Gold bleibt ein sicherer Hafen in unsicheren Zeiten.
Besonders gespannt bin ich auf die Signale aus Sintra. Powell und Lagarde treffen sich heute – was sie zwischen den Zeilen sagen, könnte die Märkte der kommenden Monate prägen. Achten Sie auch auf die ISM-Daten und Powells Rede. Die Volatilität dürfte hoch bleiben.
Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Die Militarisierung der Tech-Branche bereitet mir Sorgen. Ja, Innovation war schon immer dual-use. Aber müssen wir wirklich jeden Trend mitmachen? Manchmal ist Verzicht auch eine Form von Rendite – die des reinen Gewissens.
Bleiben Sie kritisch und werteorientiert in diesen turbulenten Zeiten,
Ihr Eduard Altmann