Liebe Leserinnen und Leser,
während Jerome Powell heute Nachmittag in Jackson Hole ans Rednerpult tritt, halten die Märkte kollektiv den Atem an. Die Frage ist nicht ob, sondern wie deutlich der Fed-Chef die Tür für Zinssenkungen öffnen wird. Doch die wahre Geschichte spielt sich diesmal nicht in Wyoming ab, sondern in den Datenräumen der Statistikämter, den Chefetagen deutscher Konzerne und – überraschenderweise – an einer ukrainischen Drohnen-Kommandozentrale.
Der große Powell-Moment: Warum diesmal alles anders ist
Um 16 Uhr unserer Zeit wird Jerome Powell sprechen, und die Märkte haben bereits ihre Wetten platziert: 70 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im September, sagen die Terminmärkte. Noch vor zwei Wochen lag diese Zahl bei über 90 Prozent. Was ist passiert?
Die Antwort lieferte diese Woche Beth Hammack, Chefin der Cleveland Fed, mit bemerkenswerter Klarheit: „Würde heute abgestimmt, wäre ich gegen eine Lockerung.“ Ein Satz, der wie ein Eimer kaltes Wasser auf die Zinssenkungseuphorie wirkte. Dabei sprechen die harten Fakten eigentlich für Powell: Das durchschnittliche US-Stellenwachstum der letzten drei Monate liegt bei mageren 35.000 Jobs – ein Wert, der normalerweise alle Alarmglocken schrillen lassen würde.
Doch hier kommt die Trump-Variable ins Spiel: Mit Stephen Miran als neuem Mitglied des Fed-Gouverneursrats und Gerüchten über Christopher Waller als Powell-Nachfolger wird die Zentralbank-Unabhängigkeit zum Politikum. „Der potenzielle Schaden für die wirtschaftlichen Perspektiven kann nicht überschätzt werden“, warnt Helaba-Analyst Ulrich Wortberg. Die Fed sitzt in der Zwickmühle: Zu dovish, und sie bestätigt Trumps Narrative. Zu hawkish, und sie riskiert eine Rezession.
Deutschlands BIP-Schock: Wenn Revisionen zur bösen Überraschung werden
„Diese Konjunkturnachricht zieht einem schon am frühen Morgen die Schuhe aus“, entfuhr es Alexander Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe heute früh. Statt der erwarteten -0,1 Prozent schrumpfte Deutschlands Wirtschaft im zweiten Quartal um satte 0,3 Prozent. Die Exporte brachen ein, der Konsum schwächelt – und das alles noch vor den vollen Auswirkungen der Trump-Zölle.
Was die Statistiker heute präsentierten, ist mehr als eine technische Revision. Es ist das Eingeständnis, dass die deutsche Wirtschaft tiefer in der Krise steckt als gedacht. „Der Handelskrieg hinterlässt stärkere Bremsspuren als zunächst vermutet“, analysiert KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher trocken. Dabei ist der eigentliche Hammer noch gar nicht gefallen: Die 15 Prozent Zölle im neuen EU-USA-Deal bedeuten eine Versechsfachung gegenüber dem Status quo ante Trump.
Die Commerzbank versucht zu beruhigen: Das Minus sei „zum Teil eine Gegenbewegung“ zum positiven ersten Quartal. Doch diese Interpretation wirkt wie Pfeifen im dunklen Wald. Wenn schon die Androhung von Zöllen solche Verwerfungen auslöst, was passiert erst bei voller Implementierung?
Pipeline-Drama: Wenn Energiesicherheit zum geopolitischen Spielball wird
Die Bilder brennender Öltanks in der russischen Pumpstation Unetscha gingen heute viral – geschickt inszeniert vom ukrainischen Drohnenkommandeur Robert Brovdi, der seinem Telegram-Post noch die ungarische Botschaft „Ruszkik haza!“ (Russen, haut ab!) anfügte. Was wie militärische PR wirkt, hat handfeste wirtschaftliche Konsequenzen: Die Druschba-Pipeline, einst Symbol sowjetischer Energiedominanz, wird zum Kollateralschaden des Krieges.
Viktor Orbán reagierte mit einem bemerkenswerten Schachzug: Ein handschriftlicher Hilferuf an Donald Trump, prompt mit dessen Notiz „Wir werden das regeln“ beantwortet und medienwirksam veröffentlicht. Hier offenbart sich die neue Realität europäischer Energiepolitik: Nationale Alleingänge, transatlantische Nebendiplomatie und die Ukraine als unberechenbarer Akteur.
Für die PCK-Raffinerie in Schwedt wird es nun eng. „Es muss geklärt werden, ob die nächste Lieferung bereits diese Pumpstation passiert hat“, erklärt Rosneft-Deutschland-Sprecher Burkhard Woelki. 120.000 Tonnen kasachisches Öl monatlich hängen in der Schwebe – ein Tropfen auf den heißen Stein der deutschen Energieversorgung, aber symbolträchtig für Europas Verwundbarkeit.
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Hungersnot in Gaza: Die erste ihrer Art im Nahen Osten
Während die Märkte über Basispunkte debattieren, meldet die IPC-Initiative heute eine Nachricht von historischer Tragweite: Erstmals wird im Nahen Osten offiziell eine Hungersnot erklärt, konkret für Gaza-Stadt und Umgebung. 132.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut bedroht, 41.000 davon in kritischem Zustand.
„Das Albtraum-Szenario ist nun Wirklichkeit“, kommentiert Jeremy Laurence vom UN-Menschenrechtsbüro. Israel weist die Feststellung zurück, doch die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Wenn täglich zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Einwohner an Hunger sterben, erfüllt das die technische Definition einer Hungersnot.
Die wirtschaftlichen Implikationen reichen weit über Gaza hinaus. Tom Fletcher, UN-Nothilfekoordinator, macht schwere Vorwürfe: „Es handelt sich um eine Hungersnot, die von einigen israelischen Politikern offen als Kriegswaffe eingesetzt wird.“ Während Lebensmittel an den Grenzen verrotten, diskutiert Israels Verteidigungsminister Israel Katz über die „Zerstörung“ Gaza-Citys. Eine Million Menschen sollen umgesiedelt werden – ein logistischer und humanitärer Albtraum mit unabsehbaren regionalen Folgen.
Marktausblick: Wenn der September ruft
Die Börsen zeigen sich heute erstaunlich resilient. Der DAX pendelt um die 24.280 Punkte, US-Futures deuten leichte Gewinne an. Doch unter der Oberfläche brodelt es: Die Commerzbank-Aktie verliert nach ihrer Rally 3,8 Prozent, Südzucker knickt nach der Gewinnwarnung ein, während Rüstungswerte wie Hensoldt weiter zulegen.
Chris Weston von Pepperstone bringt es auf den Punkt: „Die Glaubwürdigkeit der Fed steht klar im Fokus.“ Genau das macht Powells heutige Rede so brisant. Er muss den Spagat schaffen zwischen Inflationsbekämpfung und Rezessionsvermeidung, zwischen Unabhängigkeit und politischem Druck.
Für deutsche Anleger bleibt die Lage zwiespältig. Einerseits könnten US-Zinssenkungen den Dollar schwächen und Exporte erleichtern. Andererseits zeigt die heutige BIP-Revision, dass strukturelle Probleme nicht durch Geldpolitik gelöst werden. „Eine Alternative zum Politikwechsel gibt es nicht“, mahnt die Analyse, doch die neue Bundesregierung scheint „aus Angst vor dem Wähler“ noch nicht bereit.
Der September naht mit all seinen saisonalen Tücken. Phil Orlando von Federated Hermes erwartet sechs Zinssenkungen bis Ende 2026, ING-Mann Carsten Brzeski warnt hingegen: „Es könnte bis zum nächsten Jahr dauern, bevor eine substanziellere Erholung einsetzt.“ Zwischen diesen Polen müssen Anleger navigieren.
Was die kommende Woche bringt: Montags der Ifo-Geschäftsklimaindex (wird er die BIP-Schwäche bestätigen?), Mittwochs Nvidias Zahlen (die KI-Gretchenfrage), und am Freitag US-Inflationsdaten. Dazwischen versucht die neue Bundesregierung, ihr Infrastrukturpaket zu verkaufen – ohne die nötigen Strukturreformen anzugehen.
Die Märkte warten auf Powells Worte. Doch die wahren Herausforderungen liegen tiefer: in der Erosion institutioneller Unabhängigkeit, in Europas wirtschaftlicher Schwäche und in geopolitischen Verwerfungen, die von der Ukraine bis Gaza reichen. In dieser Gemengelage wird jede Zinsentscheidung zur Nebensache.
Mit nachdenklichen Grüßen aus Frankfurt,
Eduard Altmann
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