Liebe Leserinnen und Leser,
während Europa noch über Trumps Zolldrohungen debattiert, offenbart ein blutiges Drama in Syrien die wahren Machtverhältnisse der neuen Ära. Was als lokaler Konflikt zwischen Drusen und Beduinen begann, eskalierte binnen Tagen zu einem geopolitischen Lehrstück über amerikanische Außenpolitik, israelische Machtprojektion und die Grenzen europäischer Diplomatie. Heute führe ich Sie durch die verstörenden Entwicklungen, die zeigen: Die Spielregeln der internationalen Ordnung werden gerade neu geschrieben – mit weitreichenden Folgen für uns alle.
Syrien-Konflikt: Wenn Schutzmächte zu Brandstiftern werden
Über 320 Tote in einer Woche – das ist die brutale Bilanz der Kämpfe in der südsyrischen Provinz Sweida. Was offiziell als Schutzaktion für die drusische Minderheit verkauft wird, entpuppt sich bei genaurem Hinsehen als gefährliches Machtspiel. Israel bombardiert syrische Regierungstruppen, während Washington gleichzeitig auf eine "zentralisierte" syrische Regierung drängt. Ein Widerspruch? Nur auf den ersten Blick.
Die wahre Geschichte ist komplexer und beunruhigender: Syriens neue Führung unter Ahmed al-Sharaa glaubte tatsächlich, grünes Licht von den USA für ihre Truppenentsendung erhalten zu haben. Ein fataler Irrtum, wie die israelischen Luftschläge auf Damaskus – inklusive Verteidigungsministerium und Präsidentenpalast – brutal klarmachten. Washington distanzierte sich nachträglich von den israelischen Angriffen, bezeichnet das Ganze als "Missverständnis". Für die Toten in Sweida ein schwacher Trost.
Besonders pikant: Drei US-Energieunternehmen waren gerade zu Geschäftsgesprächen in Damaskus, als die israelischen Bomben fielen. Die Botschaft könnte klarer nicht sein: Wirtschaftliche Normalisierung ja, aber nur zu Israels Bedingungen.
Amerikas neue Innenpolitik: Migrationslager im Rekordtempo
Während die Welt auf Syrien blickt, vollzieht sich in den USA eine bemerkenswerte innenpolitische Transformation. 45 Milliarden Dollar fließen in den Blitzausbau von Migrantenlagern – von 40.000 auf 100.000 Plätze bis Jahresende. Die geplanten "Zeltstädte" auf Militärbasen erinnern an düstere Kapitel der Geschichte.
Das Pikante daran: Republikanisch geführte Bundesstaaten wetteifern geradezu darum, diese Lager zu beherbergen. Florida’s "Alligator Alcatraz" dient als Blaupause für ähnliche Projekte in mindestens fünf weiteren Staaten. Die neue Homeland Security-Chefin Kristi Noem bevorzugt dabei explizit staatliche gegenüber privaten Betreibern – ein klares Signal, dass hier langfristige Strukturen geschaffen werden.
Für uns Europäer ist das mehr als eine amerikanische Innenpolitik-Story. Es zeigt, wohin die Reise geht: Abschottung statt Integration, Lager statt Lösungen. Die Frage ist nur, wie lange es dauert, bis ähnliche Ideen auch bei uns salonfähig werden.
Ukraine-Konflikt: Die vergessene humanitäre Katastrophe
Inmitten der Syrien-Schlagzeilen geht fast unter, was Russland derzeit mit ukrainischen Zivilisten anstellt. Moskau deportiert systematisch Ukrainer – darunter viele ehemalige Gefangene – nicht direkt in die Ukraine, sondern lässt sie ohne Papiere an der georgischen Grenze stranden. 43 Menschen konnten bisher über Moldawien zurückgeführt werden, dutzende weitere harren unter "schwierigen Bedingungen" aus.
Diese perfide Taktik offenbart Putins Kalkül: Destabilisierung durch humanitäre Krisen. Georgien, ohnehin politisch zerrissen, wird zum unfreiwilligen Spielball. Die EU schweigt weitgehend – ein Armutszeugnis für unsere vielgepriesenen Werte.
Krypto-Hype trifft auf Realität
Zwischen all dem geopolitischen Chaos feiert die Krypto-Welt ihre eigenen Erfolge. Bybit meldet Rekorde beim "Megadrop" des COA-Tokens – über 100 Millionen Dollar in 14 Stunden eingesammelt. Die Euphorie kennt keine Grenzen, getrieben von Trumps krypto-freundlicher Politik und neuen Gesetzen im Repräsentantenhaus.
Doch Vorsicht ist geboten. Die Geschichte lehrt uns: Wenn selbst obskure Gaming-Token binnen Stunden ausverkauft sind, nähern wir uns gefährlich dem Höhepunkt des Hypes. Die wahre Bewährungsprobe kommt, wenn die erste Regulierungswelle zuschlägt oder der nächste große Hack die Schlagzeilen dominiert.
Brasilien zeigt Zähne: Die neue Süd-Süd-Achse
Der Konflikt zwischen Washington und Brasília eskaliert weiter. Nachdem Trump Visa-Restriktionen gegen brasilianische Richter verhängte – inklusive des einflussreichen Alexandre de Moraes und sieben weiterer Supreme Court-Mitglieder –, kontert Brasilien mit bemerkenswert scharfer Rhetorik. Die Justiz lasse sich nicht einschüchtern, heißt es aus Brasília.
Was nach bilateralem Streit aussieht, hat globale Dimension. Brasilien positioniert sich als Anführer des globalen Südens gegen amerikanische Einmischung. Die BRICS-Staaten beobachten genau, wie dieser Machtkampf ausgeht. Für Europa bedeutet das: Unsere traditionellen Partner emanzipieren sich. Zeit für eigenständigere Positionen?
Mein Fazit: Die Masken fallen
Liebe Leserinnen und Leser, die Ereignisse dieser Woche zeigen überdeutlich: Die alte Weltordnung löst sich auf, doch was danach kommt, ist alles andere als beruhigend. Wenn "Schutzmächte" bombardieren, Demokratien Massenlager bauen und Justiz zur Verhandlungsmasse wird, dann stehen wir vor fundamentalen Umbrüchen.
Für uns in Europa bedeutet das: Wir können uns nicht länger auf alte Gewissheiten verlassen. Weder auf amerikanischen Schutz noch auf völkerrechtliche Normen. Die Syrien-Episode zeigt brutal, wie schnell "Missverständnisse" in Blutbäder münden können. Die amerikanischen Migrationslager mahnen, wohin populistische Politik führt. Und Brasiliens Widerstand signalisiert das Ende westlicher Dominanz.
Was bleibt zu tun? Erstens: Illusionen ablegen. Die Welt wird rauer, und wir müssen uns darauf einstellen. Zweitens: Europäische Handlungsfähigkeit stärken. Wenn Washington und Moskau ihre Machtspiele treiben, brauchen wir eigene Optionen. Drittens: Werte verteidigen, aber realistisch bleiben. Moralische Überlegenheit hilft wenig, wenn die Gegenseite nach anderen Regeln spielt.
Die kommende Woche verspricht weitere Eskalationen. Syriens Waffenruhe hängt am seidenen Faden, Trumps Zoll-Deadline rückt näher, und die Fed-Entscheidungen stehen an. Bleiben Sie wachsam, bleiben Sie kritisch – und vor allem: Lassen Sie sich nicht von einfachen Antworten blenden in dieser zunehmend komplexen Welt.
Eine Frage treibt mich besonders um: Erleben wir gerade das Ende des regelbasierten Multilateralismus? Und wenn ja, was tritt an seine Stelle – das Recht des Stärkeren oder neue Allianzen der Willigen?
Mit nachdenklichen Grüßen aus einer Welt ohne Kompass,
Ihr Eduard Altmann