Trump trifft Putin: Poker um die Ukraine – und die Märkte halten den Atem an

Das Treffen zwischen Trump und Putin in Alaska könnte den Ukraine-Konflikt entscheiden. Märkte reagieren mit Skepsis auf mögliche wirtschaftliche Folgen.

Kurz zusammengefasst:
  • Ukrainische Staatsanleihen zeigen starke Kursschwankungen
  • US-Notenbank steht vor Inflations- und Rezessionsdilemma
  • Neue Zölle auf Stahl und Chips verunsichern Investoren
  • Japanische Notenbank unter Druck durch US-Kommentare

Heute Abend um 19 Uhr deutscher Zeit treffen sich Donald Trump und Wladimir Putin auf einem Luftwaffenstützpunkt in Alaska. Das letzte Treffen dieser Art liegt vier Jahre zurück. Diesmal geht es um nicht weniger als die Zukunft der Ukraine – und die globalen Märkte schauen gebannt zu.

Die Vorzeichen sind gemischt: Trump spricht von einem "Bloodbath", den er beenden will, Putin lobt "aufrichtige Bemühungen" des US-Präsidenten. Doch hinter den diplomatischen Floskeln verbergen sich knallharte wirtschaftliche Interessen. Der Krieg hat Europa eine Energiekrise beschert, die Inflation angeheizt und Russlands Wirtschaft vom Westen abgekoppelt. Ein Waffenstillstand könnte vieles ändern – oder alles beim Alten lassen.

Was heute außerdem die Märkte bewegt: Die US-Notenbank steht vor einem Dilemma, neue Zölle auf Stahl und Chips sorgen für Unruhe, und an der Wall Street jagt ein Rekord den nächsten. Zeit, genauer hinzuschauen.

Das große Zittern: Ukraine-Gipfel als Marktbeweger

Die Finanzmärkte haben in den vergangenen Tagen ein bemerkenswertes Schauspiel geboten. Ukrainische Staatsanleihen, die noch vor Wochen bei 55 Cent je Dollar notierten, erlebten eine wilde Achterbahnfahrt. "Die Messlatte für echte Fortschritte liegt sehr hoch", warnt Kathryn Exum vom Emerging-Market-Spezialisten Gramercy. Die Investoren preisen bestenfalls einen symbolischen Waffenstillstand ein – mehr nicht.

Interessant ist, was zwischen den Zeilen der Vorbereitungen zu lesen ist: Trumps Delegation umfasst nicht nur Außenminister Marco Rubio, sondern auch Finanzminister Scott Bessent und Handelsminister Howard Lutnick. Diese Besetzung deutet darauf hin, dass es mindestens genauso sehr um Wirtschaftsinteressen geht wie um Frieden. Bessent hatte erst diese Woche mit seinen Kommentaren über die Bank of Japan für Aufsehen gesorgt – dazu gleich mehr.

Die Märkte zeigen sich skeptisch. Der Euro legte heute Morgen zwar leicht zu, doch Analysten wie Christopher Granville von TS Lombard sehen das Treffen als "definitiven Beginn der Endphase des Ukraine-Kriegs". Entweder gibt es einen dauerhaften Waffenstillstand, oder der Konflikt eskaliert weiter. Dazwischen gibt es wenig.

Für Europa steht viel auf dem Spiel: Die Abhängigkeit von amerikanischem Flüssiggas hat sich seit Kriegsbeginn verdreifacht. Ein Friedensabkommen könnte die Energiepreise drücken – aber auch neue Unsicherheiten schaffen, wenn russisches Gas wieder eine Option würde.

Fed im Zwiespalt: Wenn Inflation und Rezession gleichzeitig drohen

Die gestrigen US-Produzentenpreise haben die Märkte aufgeschreckt: Mit einem Plus von 0,4% lagen sie deutlich über den Erwartungen. Heute folgen die Importpreise – normalerweise eine Randnotiz, doch im Zeitalter der Zölle plötzlich hochbrisant.

Das Dilemma für die Fed: Einerseits schwächelt der Arbeitsmarkt, andererseits könnten Trumps Zölle eine neue Inflationswelle auslösen. "Für Powell sind die Wirtschaftsprobleme zweitrangig gegenüber den Zielen, aber er versteht unsere Verwundbarkeit", zitiert eine russische Quelle die Stimmung in Moskau. Die Ironie: Auch Putin kämpft mit Inflation und Rezessionsängsten.

Die Märkte haben ihre September-Zinssenkung noch nicht abgeschrieben – zu 93% ist sie eingepreist. Doch die Zweifel wachsen. Chicago-Fed-Präsident Austan Goolsbee sprach gestern von "Unbehagen" angesichts der stagflationären Impulse durch die Zölle. Klartext: Die Notenbank steckt in der Zwickmühle.

Der Chip-Krieg eskaliert: Trump kündigt neue Zölle an

Als wäre die Lage nicht schon kompliziert genug, kündigte Trump auf dem Weg nach Alaska neue Zölle auf Stahl und Halbleiter an. "Nächste Woche und die Woche darauf", so der Präsident lakonisch. Die Begründung: Unternehmen sollen zur heimischen Produktion gezwungen werden.

Applied Materials, der größte US-Zulieferer für Chip-Fabriken, bekam die Nervosität der Investoren bereits zu spüren: minus 14% im vorbörslichen Handel, trotz solider Quartalszahlen. CEO Gary Dickerson klagt über "erhöhte Unsicherheit und geringere Visibilität". Besonders brisant: Die schwache China-Nachfrage trifft auf neue Handelsbarrieren.

Die Halbleiterbranche, ohnehin schon im Spannungsfeld zwischen USA und China gefangen, sieht sich nun einem dreifachen Druck ausgesetzt: schwächelnde Nachfrage, geopolitische Spannungen und jetzt auch noch Importzölle. Für Europa, das seine eigene Chip-Souveränität aufbauen will, könnte das paradoxerweise eine Chance sein.

Börsenjubiläum bei Mettler Toledo – oder: Wenn Insider verkaufen

Ein kurioser Kontrast zum großen geopolitischen Theater: Bei Mettler Toledo, dem Schweizer Präzisionsinstrumente-Hersteller, verkaufte Direktor Thomas Salice diese Woche Aktien für 1,38 Millionen Dollar. Der Kurs von über 1.300 Dollar je Aktie mag Schwindelgefühle verursachen, doch das KGV von 33 zeigt: Der Markt glaubt an die Wachstumsstory.

Oder doch nicht? Insider-Verkäufe sind oft ein Warnsignal, auch wenn Salice gleichzeitig Optionen ausübte. Die leichte Überraschung bei den Q2-Zahlen (+5,1% beim EPS) wurde überschattet von Margendruck durch neue Zölle. Ein Mikrokosmos der aktuellen Marktlage: Solide Geschäfte treffen auf politische Unwägbarkeiten.

Japan: Wenn US-Minister Druck auf Notenbanken ausüben

Scott Bessents Kommentar, die Bank of Japan sei "hinter der Kurve", schlug diese Woche hohe Wellen. Tokio wiegelte ab – man interpretiere das nicht als Aufforderung zu Zinserhöhungen. Doch die Märkte sehen das anders: Der Yen legte zu, die Renditen japanischer Staatsanleihen stiegen.

"Es ist ein Zeichen der USA, dass sie die BoJ-Politik genau beobachten", meint Yuji Saito von SBI FX Trade. Die überraschend starken BIP-Zahlen (+1,0% im Q2) geben den Falken Aufwind. Die Ironie: Während die Fed über Zinssenkungen nachdenkt, könnte Japan den umgekehrten Weg gehen.

Für globale Investoren wird die Lage immer komplexer: Die lange Zeit synchronen Notenbanken driften auseinander. Das schafft Chancen – aber auch Risiken für unvorbereitete Portfolios.

Der Fleischfresser-Wurm und die texanische Angst

Eine Geschichte, die exemplarisch für die fragile Weltwirtschaft steht: In Texas bereiten sich Rancher auf die Rückkehr des "Screwworm" vor, eines Parasiten, der Nutztiere bei lebendigem Leib auffrisst. Die letzte große Plage liegt 50 Jahre zurück, doch jetzt drängt der Schädling von Mexiko nordwärts.

Die ökonomischen Folgen? Potenziell 1,8 Milliarden Dollar Schaden allein in Texas. Rindfleischpreise auf Rekordhoch könnten weiter steigen. Das eigentliche Problem: illegaler Viehhandel über die mexikanische Grenze, bei dem infizierte Tiere die Seuche verbreiten. "Es gibt keine Cowboys mehr", klagt ein Rancher – es fehlt an Arbeitskräften für die tägliche Kontrolle der Herden.

Die Geschichte zeigt: In einer vernetzten Welt können selbst Parasiten zu Wirtschaftsfaktoren werden. Und sie illustriert ein größeres Problem: Die Fragilität globaler Lieferketten, wenn Grenzen durchlässiger werden – für Waren, Menschen und eben auch Schädlinge.

Ausblick: Ein Wochenende der Weichenstellungen

Wenn Sie diesen Newsletter lesen, läuft in Alaska vielleicht gerade die Pressekonferenz nach dem Trump-Putin-Gipfel. Die Märkte werden am Montag zeigen, wie sie das Ergebnis bewerten. Erste Indikationen gibt es schon jetzt: Ukraine-Bonds steigen, der Ölpreis fällt leicht, Rüstungsaktien konsolidieren.

Die kommende Woche wird spannend: Am Mittwoch beginnt das Jackson Hole Symposium der Notenbanken – traditionell ein Ort für richtungsweisende Ankündigungen. Fed-Chef Powell könnte Hinweise auf den September geben. Und dann sind da noch Trumps angekündigte Stahl- und Chipzölle, die jeden Tag kommen können.

Eine Frage bleibt: Erleben wir gerade das Ende der Globalisierung, wie wir sie kannten? Oder nur eine Neuordnung der Spielregeln? Die Antwort werden die nächsten Monate zeigen. Eines ist sicher: Langweilig wird es nicht.

Ich wünsche Ihnen ein erkenntnisreiches Wochenende – und denken Sie daran: In Zeiten wie diesen ist Skepsis die beste Anlagestrategie.

Ihr Eduard Altmann

P.S.: Die Börse von Anchorage, wo Trump und Putin sich treffen, wurde 1974 geschlossen. Manchmal sagt das mehr über einen Ort aus als jede Wirtschaftsstatistik.

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