Liebe Leserinnen und Leser,
30 Prozent Zölle auf alle EU-Exporte in die USA – diese Nachricht schlug gestern wie eine Bombe ein. Während Ursula von der Leyen noch von "Dialog und Stabilität" spricht, bereitet sich die europäische Wirtschaft auf das Schlimmste vor. Doch ist es wirklich so dramatisch, wie es klingt? Zwischen Säbelrasseln und echten wirtschaftlichen Verwerfungen liegen oft Welten. Lassen Sie uns heute einen nüchternen Blick auf die Lage werfen – und dabei auch die stillen Gewinner dieser turbulenten Zeiten nicht aus den Augen verlieren.
Der Zoll-Hammer fällt: Was steckt wirklich dahinter?
Die Ankündigung kam per Social Media – typisch Trump. Ab dem 1. August sollen Waren aus der EU und Mexiko mit 30 Prozent Strafzöllen belegt werden. Die Begründung? Ein vages Gerede von "langjährigen, großen und anhaltenden Handelsdefiziten" und unfairen EU-Praktiken.
Was mich stutzig macht: Die zeitliche Nähe zu anderen Zoll-Ankündigungen. Japan, Südkorea, Kanada, Brasilien – Trump scheint gerade die halbe Welt mit Tarifen zu überziehen. Sogar Kupfer soll mit 50 Prozent belastet werden. Das riecht weniger nach durchdachter Handelspolitik als nach Verhandlungstaktik mit der Brechstange.
Besonders pikant: Die EU hatte bis zuletzt auf ein umfassendes Handelsabkommen gehofft. Von der Leyen betont weiterhin die "Bereitschaft zur Zusammenarbeit" – diplomatisch für: Wir lassen uns nicht erpressen, aber reden können wir immer. Die Drohung mit "proportionalen Gegenmaßnahmen" zeigt jedoch, dass Brüssel durchaus Zähne zeigen kann, wenn es darauf ankommt.
Was bedeutet das für europäische Unternehmen?
Die Zahlen sind beeindruckend: 30 Prozent auf alle EU-Exporte würden "essenzielle transatlantische Lieferketten stören", warnt von der Leyen. Betroffen wären vor allem deutsche Autobauer, italienische Luxusgüterhersteller und französische Weinproduzenten – kurzum: das Herz der europäischen Exportwirtschaft.
Doch hier kommt die erste Überraschung: Die Märkte reagieren erstaunlich gelassen. Warum? Weil viele Unternehmen seit Trumps erster Amtszeit ihre Hausaufgaben gemacht haben. Produktionsverlagerungen, alternative Absatzmärkte, Währungsabsicherungen – die Werkzeugkiste gegen Handelskriege ist gut gefüllt.
Ein Blick auf Hunting Energy zeigt, wie proaktive Unternehmen agieren: Während andere jammern, schließt der britische Energieausrüster Standorte in Europa und verlagert nach Asien. Einsparungen: 10 Millionen Dollar jährlich. Die Dividende wird von 10 auf 13 Prozent erhöht. So geht Krisenmanagement.
Die heimlichen Profiteure des Chaos
Während die Schlagzeilen von Handelskrieg sprechen, reiben sich andere die Hände. Allen voran: die Banken. Coalition Greenwich prognostiziert 10 Prozent höhere Handelseinnahmen allein durch die Trump-induzierte Volatilität. Jede Zoll-Drohung, jede Deadline-Verschiebung generiert Handelsvolumen.
Ein perfides Spiel, bei dem JPMorgan, Goldman Sachs und auch unsere europäischen Großbanken immer gewinnen. Für clevere Anleger ergibt sich hier eine interessante Perspektive: Statt auf einzelne Verlierer im Handelskrieg zu setzen, könnten Bank-Aktien die bessere Wahl sein.
Noch spannender finde ich aber einen anderen Trend: Den stillen Boom im Energiesektor. Während alle auf die Zölle starren, explodiert der Strombedarf für Rechenzentren. Dominion Energy kontrolliert bereits 34 Prozent aller im Bau befindlichen Datacenter in den USA. Die KI-Revolution frisst Strom – und Versorger-Aktien profitieren.
Ein Blick über den Tellerrand
Inmitten des westlichen Zoll-Dramas sendet Malaysia ein bemerkenswertes Signal: Die Notenbank senkt erstmals seit fünf Jahren die Zinsen – trotz drohender Trump-Zölle. Die Botschaft ist klar: Wir lassen uns nicht erpressen. Ein mutiger Schritt, der zeigen könnte, dass es Alternativen zur Panik gibt.
Weniger erfreulich sind die Nachrichten aus der Ukraine. Russland intensiviert seine Angriffe, besonders im Westen des Landes. Die EU-Außengrenze zu Rumänien und Polen rückt damit wieder stärker in den Fokus. Für uns Europäer ein Reminder: Nicht nur Handelskriege bedrohen unseren Wohlstand.
Mein Fazit: Ruhe bewahren, Chancen nutzen
Liebe Leserinnen und Leser, die 30-Prozent-Zölle klingen dramatisch, doch die Geschichte lehrt uns: Zwischen Ankündigung und Umsetzung liegt oft ein weiter Weg. Die EU hat noch bis August Zeit zu verhandeln, und Trump braucht Deals mehr als Konflikte.
Was sollten Sie als Anleger tun? Diversifikation bleibt das Gebot der Stunde. Meiden Sie Unternehmen mit hoher US-Abhängigkeit ohne Plan B. Setzen Sie auf flexible Geschäftsmodelle und – ja – auch auf die Profiteure der Unsicherheit wie Banken oder Energieversorger.
Die wahre Lehre aus diesem Chaos: In turbulenten Zeiten trennt sich die Spreu vom Weizen. Unternehmen, die nur jammern, werden untergehen. Jene, die handeln und sich anpassen, werden gestärkt aus der Krise hervorgehen. Welche Aktien in Ihrem Portfolio gehören zu welcher Kategorie?
Mit nachdenklichen Grüßen und dem Rat zur Besonnenheit,
Ihr Eduard Altmann