Trumps Billionen-Poker: Wer zahlt die Zeche für Amerikas Schuldenflut?

Trumps neues Steuerpaket treibt US-Verschuldung auf Rekordniveau und verunsichert Märkte weltweit. Experten warnen vor inflationären Folgen und Risiken für die Finanzstabilität.

Kurz zusammengefasst:
  • US-Schuldenberg wächst um bis zu 5 Billionen Dollar
  • Fed-Offizielle äußern ungewöhnliche Bedenken
  • EZB sieht Eurozone stabil, doch PMIs schwächeln
  • Globale Märkte reagieren nervös auf US-Politik

Liebe Leserinnen und Leser,

ein denkwürdiger Donnerstagnachmittag liegt hinter uns. Während wir in Europa die neuesten, eher ernüchternden Konjunkturdaten verdauen, hat in Washington das Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit Präsident Trumps gigantisches Steuer- und Ausgabenpaket auf den Weg gebracht. "Ein großer, schöner Gesetzentwurf", wie Trump es nennt. Doch für viele Beobachter, mich eingeschlossen, wirkt es eher wie ein finanzpolitischer Vabanque-Spiel mit potenziell gravierenden Folgen – nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Weltwirtschaft. Man fragt sich unweigerlich: Wer soll diese Billionen-Party eigentlich bezahlen? Und was bedeutet das für uns an den Märkten, für unsere Währungen und die Stabilität der globalen Finanzarchitektur?

Amerikas Schuldenberg wächst – und der Rest der Welt schaut gebannt zu

Die Zahlen sind schwindelerregend: Das frisch verabschiedete Paket soll die ohnehin schon astronomische US-Staatsverschuldung von über 36 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren um weitere 3,8 Billionen Dollar anwachsen lassen, so das überparteiliche Congressional Budget Office. Und das ist wohlgemerkt nur eine Schätzung; andere Analysten befürchten gar bis zu 5 Billionen zusätzlich. Es ist ein offenes Geheimnis, dass diese Entwicklung die Finanzmärkte zunehmend nervös macht. Die schwache Nachfrage bei der jüngsten Auktion 20-jähriger US-Staatsanleihen, die die Renditen für langlaufende Papiere auf Mehrjahreshochs trieb, spricht Bände.

Selbst Fed-Gouverneur Christopher Waller, eigentlich für seine klare Haltung bekannt, äußerte sich heute ungewohnt besorgt über die fiskalische Disziplinlosigkeit. "Die Märkte beobachten die Fiskalpolitik (…) und sie haben einige Bedenken", so Waller in einem Fernsehinterview. Defizite von zwei Billionen Dollar in den letzten Jahren seien "einfach nicht nachhaltig". Eine bemerkenswerte Aussage von einem Notenbanker, der parallel dazu zwar noch einen Pfad für Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf sieht, diesen aber stark von der Entwicklung der Trump’schen Zollpolitik abhängig macht.

Die Skepsis teilt auch Jamie Dimon, der Chef von JPMorgan. Er bezeichnete Trumps Gesetzespaket zwar als potenziell stabilisierend, aber keineswegs förderlich für den Defizitabbau. Im Gegenteil: "Ich denke, das Defizit wird groß sein und wahrscheinlich wachsen." Diese Einschätzungen nähren die "Sell America"-Stimmung, von der einige Marktstrategen bereits sprechen. Ein "Risk-off bei amerikanischen Vermögenswerten über die gesamte Breite" sei spürbar, meinte auch Waller. Ob Bitcoin, das heute erneut ein Allzeithoch markierte, auch von dieser Suche nach Alternativen zu US-Assets profitiert? Durchaus denkbar.

Notenbanken im Zickzack-Kurs: EZB hofft auf Stabilität, Fed im Bann der Zölle

Die europäische Perspektive auf dieses amerikanische Drama ist von einer gewissen Ambivalenz geprägt. Die heute veröffentlichten Protokolle der EZB-Ratssitzung vom April zeigen eine wachsende Zuversicht der Währungshüter, dass der Inflationsschock in der Eurozone nahezu überwunden sei. Man sieht sich als "Leuchtfeuer der Stabilität" in turbulenten Zeiten, besonders da die Finanzmärkte zuletzt exzessive Volatilität zeigten. Doch unter der Oberfläche schwelen auch hier Sorgen: Einige Ratsmitglieder warnten explizit vor den inflationären Langzeitfolgen eines globalen Handelskrieges, der durch die Zerschlagung globaler Wertschöpfungsketten die Kosten für Unternehmen in die Höhe treiben könnte. Eine nicht unbegründete Furcht, wenn man die US-Zollpolitik betrachtet.

Die heute veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für die Eurozone zeichnen ebenfalls ein trübes Bild. Die Geschäftsaktivität ist im Mai unerwartet geschrumpft, der Composite PMI fiel unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Besonders der Dienstleistungssektor schwächelte. Zwar gab es im verarbeitenden Gewerbe, auch in Deutschland, eine gewisse Stabilisierung, die teils dem "Front-Running" – also vorgezogenen Bestellungen angesichts drohender US-Zölle – zugeschrieben wird. Doch die Analysten von Capital Economics sehen in diesen Zahlen eher Argumente für weitere Zinssenkungen der EZB, möglicherweise schon im Juni und Juli.

Die US-Notenbank Fed scheint derweil gefangen zwischen den innenpolitischen Realitäten. Gouverneur Waller betonte, dass Standard-Ökonomie davon ausgehe, zollbedingte Inflation sei ein einmaliger Effekt, den die Geldpolitik "durchschauen" könne. Ein 10%-iges Zollregime habe nur moderate Auswirkungen. Gleichzeitig ist klar: Die massive Staatsausweitung durch das neue Gesetzespaket könnte inflationäre Tendenzen befeuern und den Spielraum für Zinssenkungen begrenzen. Ein komplexes Manöver für Jerome Powell und seine Kollegen.

Selbst die türkische Zentralbank, die heute ihre Inflationsprognose für Jahresende bei 24% beließ, betonte ihre Bereitschaft, die Geldpolitik bei Bedarf weiter zu straffen. Ein globaler Trend der Vorsicht?

Europas Konjunkturmotor stottert – Licht und Schatten

Die Konjunktursignale aus Europa bleiben also durchwachsen. Während die EZB Stabilität projizieren möchte, zeigen die harten Daten wie die PMIs eine Verlangsamung. Auch Großbritannien kämpft: frische PMI-Daten deuten zwar auf eine leichte Erholung im Dienstleistungssektor hin, das verarbeitende Gewerbe steckt jedoch tief in der Krise, mit einem Stellenabbau so stark wie seit 2020 nicht mehr. Das erst kürzlich von Finanzministerin Reeves vorgelegte Budget, das schon mit einer knappen Marge kalkulierte, gerät durch die neuen Zahlen zum Haushaltsdefizit weiter unter Druck.

In Frankreich fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) einen nachhaltigen Sparkurs, um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Ohne zusätzliche Maßnahmen, so die Warnung, werde das Defizit mittelfristig bei rund 6% verharren und die Schuldenquote weiter steigen. Die Regierung von Premierminister Bayrou steht vor der schwierigen Aufgabe, 40 Milliarden Euro einzusparen, was angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse kein leichtes Unterfangen sein dürfte.

Immerhin: Die japanische Regierung hat ihren globalen Wirtschaftsausblick angesichts der US-Handelspolitik nach unten korrigiert und sieht auch die US-Expansion verlangsamen. Südkorea wiederum rüstet sich mit Stützungsmaßnahmen für seine Exporteure, um die Auswirkungen der US-Zölle abzufedern. Diese Reaktionen zeigen, wie stark die Trump’sche Politik weltweit verunsichert und zu Anpassungsreaktionen zwingt.

Ein kleiner Lichtblick könnte die Entwicklung im Ölmarkt sein. Berichte, wonach die OPEC+ eine Produktionssteigerung im Juli erwägt, haben die Preise heute etwas gedrückt. Sollte sich dies bewahrheiten, könnte es den inflationären Druck zumindest von dieser Seite etwas mildern.

Mein Fazit: Augen auf und durch – mit europäischer Souveränität?

Liebe Leserinnen und Leser, die aktuelle Gemengelage ist komplex und von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Das US-Schulden- und Ausgabendrama ist weit mehr als ein innenpolitisches Thema Amerikas; es hat das Potenzial, die globalen Finanzströme, Währungsrelationen und Zinslandschaften nachhaltig zu beeinflussen. Die "Sell America"-Stimmung, die von einigen Marktteilnehmern und sogar von Fed-Offiziellen angedeutet wird, ist ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen.

Für uns in Europa bedeutet dies eine Zerreißprobe. Einerseits sind wir als Exportnationen von der globalen Konjunktur und insbesondere von der Handelspolitik der USA abhängig. Andererseits zeigen die EZB-Protokolle und auch die Mahnungen des IWF an Frankreich, dass Europa gut beraten ist, seine eigenen Hausaufgaben zu machen und auf fiskalische Stabilität zu achten. Die schwachen Konjunkturdaten aus der Eurozone und Großbritannien sind ein Weckruf, die eigene Wettbewerbsfähigkeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Die große Frage wird sein, wie sich das US-Gesetzespaket im nun folgenden Senatsprozess verändert und welche langfristigen Auswirkungen es auf Inflation und Wachstum tatsächlich haben wird. Die Notenbanken, allen voran die Fed und die EZB, werden ihre Kommunikation und ihre Entscheidungen sehr sorgfältig abwägen müssen. Das G7-Finanzministertreffen in Kanada, das gerade stattfindet, könnte hierzu vielleicht schon erste Signale aussenden.

Es bleibt eine Zeit, die von Anlegern Weitsicht und Nervenstärke erfordert. Die politischen Börsen, von denen wir schon so oft gesprochen haben, sie sind lebendiger denn je.

Ein erkenntnisreiches Restwochende wünscht Ihnen,

Ihr Eduard Altmann

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