Die globalen Finanzmärkte und die internationale Politik stehen unter Hochspannung. Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump im Januar hat eine Welle protektionistischer Maßnahmen und innenpolitischer Neuausrichtungen eine Ära der Unsicherheit eingeläutet. Insbesondere Trumps Handelspolitik zwingt Zentralbanken weltweit zu heiklen Manövern, während Investoren versuchen, die nächsten Schritte Washingtons zu antizipieren. Die Auswirkungen sind bereits jetzt spürbar – von Zinsentscheidungen über Handelsströme bis hin zu den Aktienkursen. Doch was bedeuten die aggressiven Töne und Taten aus Washington konkret für die Stabilität der Weltwirtschaft?
Zentralbanken im Krisenmodus: Zinspolitik unter US-Druck
Die aggressive Handelspolitik der USA und die damit verbundene Unsicherheit zwingen Notenbanken rund um den Globus zu schwierigen Entscheidungen. Der wirtschaftliche Ausblick trübt sich ein, und die Furcht vor den Folgen der US-Zollpolitik geht um.
Am Mittwochabend hielt die US-Notenbank (Fed) zwar wie erwartet ihren Leitzins stabil, doch die begleitenden Kommentare von Fed-Chef Jerome Powell ließen aufhorchen. Er betonte, dass die Risiken sowohl für eine höhere Inflation als auch für eine steigende Arbeitslosigkeit zugenommen hätten – eine Situation, die durch die Zollpolitik der Regierung erheblich erschwert werde. Powell räumte ein, dass die Unsicherheit die Stimmung bei Bürgern und Unternehmen belastet, auch wenn die US-Wirtschaft an sich noch gesund sei. Zinssenkungen seien zwar möglich, wenn die Wirtschaftsdaten dies rechtfertigten, doch könne die Fed keine präventiven Schritte unternehmen, solange keine größere Klarheit herrsche. Marktteilnehmer sehen laut LSEG-Daten dennoch eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um mindestens 25 Basispunkte auf der Juli-Sitzung der Fed.
Auch jenseits des Atlantiks blickt man mit Sorge auf die Entwicklungen. Die Bank of England (BoE) steht heute, am Donnerstag, vor einer Zinsentscheidung, und viele Investoren erwarten eine weitere Senkung der Leitzinsen. Es wäre die vierte seit letztem August. Gouverneur Andrew Bailey hatte zuletzt die Risiken durch die anschwellenden globalen Handelsspannungen betont. Obwohl die britische Wirtschaft robuster erscheint als die Deutschlands oder Frankreichs, könnte die BoE das Tempo der Zinssenkungen erhöhen, um den negativen Auswirkungen der US-Zollpolitik entgegenzuwirken. Analysten von BofA Global Research erwarten sogar vier Zinssenkungen in diesem Jahr, da die britische Inflation, auch aufgrund günstigerer Importe aus China, die durch US-Zölle aus dem amerikanischen Markt gedrängt werden, weniger stark steigen könnte als zuvor angenommen. Vorerst dürfte die BoE jedoch an ihrer vorsichtigen, graduellen und von Sitzung zu Sitzung neu bewerteten Linie festhalten.
Noch deutlicher werden die Sorgen in Japan. Aus den heute veröffentlichten Protokollen der März-Sitzung der Bank of Japan (BoJ) geht eine tiefe Spaltung unter den Währungshütern hervor. Die Frage, wie schnell die Zinsen weiter angehoben werden sollten, wird intensiv diskutiert – maßgeblich beeinflusst durch die Unsicherheit, die von der US-Zollpolitik ausgeht. Ein Mitglied warnte explizit, dass die "Abwärtsrisiken, die von der US-Politik ausgehen, rapide zugenommen haben" und dies "erhebliche negative Auswirkungen auf Japans Realwirtschaft" haben könnte. Daher sei bei der Erwägung des Zeitpunkts für die nächste Zinserhöhung besondere Vorsicht geboten. Ein anderes Mitglied argumentierte jedoch, die BoJ müsse nicht zwangsläufig übervorsichtig agieren und könne in eine Situation geraten, "in der sie entschlossen handeln sollte".
Selbst Schwellenländer wie Brasilien spüren den Druck. Die brasilianische Zentralbank erhöhte am Mittwoch ihren Leitzins Selic um 50 Basispunkte auf 14,75%, den höchsten Stand seit fast 20 Jahren. Diese sechste Zinserhöhung in Folge dient der Bekämpfung einer hartnäckigen Inflation von zuletzt 5,49%, wurde aber auch vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten getroffen. Die Notenbanker betonten die Notwendigkeit zusätzlicher Vorsicht und Flexibilität angesichts des "Szenarios erhöhter Unsicherheit", das auch durch die weitreichenden US-Importzölle befeuert wird.
Eskalation im Handelsstreit: China im Visier, Märkte nervös
Ein zentrales Element von Trumps Handelspolitik bleibt der Konflikt mit China. Trotz anstehender Gespräche zeigt sich Washington unnachgiebig.
Präsident Trump bekräftigte am Mittwoch, er werde nicht in Erwägung ziehen, seine drastischen Zölle von 145% auf chinesische Waren zu senken, um Peking an den Verhandlungstisch zu bringen. Diese Aussage fiel nur wenige Tage bevor Finanzminister Scott Bessent und Handelsbeauftragter Jamieson Greer ihre chinesischen Amtskollegen am Wochenende in der Schweiz zu Gesprächen treffen sollen. Obwohl Washington die Initiative zu diesem Treffen ergriffen haben soll, bleiben die Erwartungen gedämpft. Peking hat bereits signalisiert, dass es Trumps Zölle ablehnt und seinerseits mit 125%igen Abgaben auf amerikanische Waren reagiert hat. Eine schnelle Lösung scheint kaum in Sicht.
Die US-Aktienmärkte reagierten am Mittwoch entsprechend volatil auf die Nachrichtenlage. Die Unsicherheit durch die Fed-Aussagen und die harte Haltung im Handelsstreit sorgten für Schwankungen. Erst kurz vor Handelsschluss drehten die Indizes ins Plus. Ein entscheidender Impuls kam dabei aus dem Technologiesektor: Berichte, wonach die Trump-Administration Beschränkungen für KI-Chips lockern könnte – was später vom Handelsministerium bestätigt wurde – beflügelten die Kurse von Halbleiterherstellern. Der PHLX Semiconductor Index schloss 1,7% höher. Der Dow Jones wurde zudem von einem Kurssprung bei Disney nach starken Quartalszahlen gestützt. Dennoch zeigt die Nervosität, wie stark die Märkte von Trumps Handelspolitik und den Beziehungen zu China beeinflusst werden. Seit der Ankündigung der Zölle Anfang April hatte der S&P 500 zeitweise fast 15% verloren, bevor er sich wieder erholte.
Innenpolitische Fronten: Umbaupläne und institutioneller Widerstand
Die Agenda der Trump-Administration beschränkt sich nicht auf die Außen- und Handelspolitik. Auch innenpolitisch werden weitreichende Veränderungen vorangetrieben, die auf teils heftigen Widerstand stoßen.
So bestätigte das Weiße Haus am Mittwoch, dass das Finanz- und das Handelsministerium Pläne für einen US-Staatsfonds ausgearbeitet haben. Präsident Trump hatte die Schaffung eines solchen Fonds bereits im Februar angeordnet. Dieser soll unter anderem durch Einnahmen aus den umstrittenen Importzöllen gespeist werden. Finanzminister Scott Bessent erklärte, Ziel sei es, Vermögenswerte, die sich im Besitz der US-Regierung befinden, "für das amerikanische Volk zu monetarisieren". Es handle sich um eine Kombination aus liquiden Mitteln und anderen Vermögenswerten des Landes.
Gleichzeitig sieht sich die Regierung mit erheblichem Widerstand aus der Justiz und von Bundesstaaten konfrontiert. Der oberste Richter der USA, John Roberts, verteidigte am Mittwoch in einer Rede in Buffalo eindringlich die Unabhängigkeit der amerikanischen Justiz. Ohne Präsident Trump namentlich zu nennen, wies er dessen verbale Attacken und die von Trump und seinen Verbündeten ins Spiel gebrachten Amtsenthebungsverfahren gegen Richter, die unliebsame Urteile fällen, scharf zurück. "Amtsenthebung ist nicht das Mittel, um Meinungsverschiedenheiten mit Entscheidungen zu registrieren", so Roberts. Er betonte, dass das Berufungsverfahren der korrekte Weg sei, um gegen Urteile vorzugehen. Die Unabhängigkeit der Richter sei essenziell, um "die Exzesse des Kongresses oder der Exekutive zu kontrollieren". Diese Äußerungen gewinnen an Gewicht, da der Supreme Court zunehmend mit rechtlichen Auseinandersetzungen um Trumps Politik befasst ist.
An einer anderen Front klagen Kalifornien und 15 weitere Bundesstaaten sowie der District of Columbia gegen die Trump-Administration. Der Vorwurf: Die Regierung halte illegalerweise Milliarden Dollar zurück, die für den Aufbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge vorgesehen waren. Das US-Verkehrsministerium hatte das unter der Vorgängerregierung Biden im Rahmen des "Inflation Reduction Act" aufgelegte Programm im Februar ausgesetzt. Die klagenden Staaten argumentieren, diese Entscheidung werde ihre Fähigkeit, die notwendige Ladeinfrastruktur aufzubauen, massiv beeinträchtigen und somit den Umstieg auf E-Mobilität, den Klimaschutz und die grüne Wirtschaft behindern. Dieser Schritt reiht sich ein in Trumps generelle Abkehr von der Klimapolitik seines Vorgängers und seine Bemühungen, fossile Energieträger zu stärken.
Ausblick: Ungewissheit bleibt Trump(f)
Die kommenden Tage und Wochen dürften an den Finanzmärkten und in der globalen Politik weiterhin von hoher Nervosität geprägt sein. Die anstehenden Handelsgespräche zwischen den USA und China am Wochenende werden genau beobachtet, auch wenn die Erwartungen an einen Durchbruch gering sind. Die aggressive Handelspolitik von Präsident Trump bleibt der dominierende Faktor, der nicht nur die Entscheidungen von Zentralbanken weltweit beeinflusst, sondern auch innenpolitische Gräben vertieft und etablierte Institutionen herausfordert.
Für Anleger bedeutet dies eine anhaltende Phase der Unsicherheit. Die Volatilität dürfte hoch bleiben, und die Fähigkeit, schnell auf politische Ankündigungen und Wendungen zu reagieren, wird entscheidend sein. Ob die Hoffnung auf eine Lockerung bei KI-Chip-Exporten ein Vorbote für eine pragmatischere Handelspolitik ist oder nur eine Ausnahme in einer ansonsten konfrontativen Agenda darstellt, bleibt abzuwarten. Die Weltwirtschaft jedenfalls befindet sich in einer Zerreißprobe, deren Ausgang noch völlig offen ist.