Trumps neue Zolldrohungen: Erst Apple, dann die EU
von Sven Weisenhaus
Aus mehr oder weniger heiterem Himmel sind die Aktienmärkte gestern ab 13:43 Uhr eingebrochen. Auf der Suche nach einer passenden Nachricht wurde ich mit dem Börsen-Live-Ticker von stock3 sofort fündig: „Donald Trump empfiehlt einen Zoll von 50 % auf EU-Importe ab dem 1. Juni“, war dort zu lesen.
Trump droht der EU mit Zöllen in Höhe von 50 %
Warum das jetzt? Das war in etwa mein erster Gedanke. Der US-Präsident hatte ursprünglich 20 % sogenannter „reziproker“ Zölle auf Importe aus der EU geplant. Wenig später hatte er diese für 90 Tage bis zum 8. Juli ausgesetzt, um ausreichend Zeit für Verhandlungen einzuräumen. Warum also nun wieder eine solche impulsive 180-Grad-Drehung? Warum nun plötzlich sogar 50 % Zölle?
Auch Apple von Zöllen bedroht
Schon kurz zuvor, um etwa 13:19 Uhr, hatte es gestern einen (kleineren) Kursrutsch an den Aktienmärkten gegeben. Die passende Meldung dazu: „US-Präsident Trump droht Apple mit einem Zoll von mindestens 25 % auf iPhones, sollte das Unternehmen seine für den US-Markt bestimmten Smartphones nicht in den Vereinigten Staaten produzieren lassen.“
Anleger auf dem falschen Fuß erwischt
Durch diese erneute, überraschende Wendung, werden die Märkte wieder zutiefst verunsichert. Und viele Anleger und Trader wurden sicherlich wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Auch mich haben die gestrigen Zoll-Meldungen völlig überrascht, auch wenn ich für meine Börsenbriefe und auch meine privaten Depots sagen kann, dass mir die gestrigen Kursverluste sehr gelegen kommen.
DAX bricht binnen Minuten um 3 % ein
Dennoch muss man feststellen, dass dieses Hin und Her Gift für die Märkte ist. Der DAX ist zum Beispiel gestern mit der Meldung über die EU-Zölle binnen etwa einer halben Stunde um 720 Punkte bzw. etwas mehr als 3 % eingebrochen (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).
Kurz zuvor hatte der deutsche Leitindex mit einem Tageshoch von 24.149,08 Zählern noch an das Rekordhoch vom Mittwoch bei 24.152,24 geklopft. Die Börsenampeln standen damit trotz der charttechnisch massiv überkauften Lage auf Grün. Doch mit dem Kursrutsch gerieten die Kurse mit hoher Dynamik auf das niedrigste Niveau seit dem 8. Mai, womit an nur einem Tag die Kursgewinne von 2 Wochen verloren gingen. Und was noch wichtiger ist: Der DAX geriet unter das alte Rekordhoch vom 18. März bei 23.475,88 Punkten (kleines Doppeltop, hellrote Pfeile), womit der Anstieg darüber zu einer Bullenfalle zu werden drohte.
DAX etabliert einen Aufwärtstrend, als wäre nichts geschehen
Doch nicht nur damit wurden einige Anleger auf dem völlig falschen Fuß erwischt, denn nach 33 Minuten beendete der DAX seine Talfahrt knapp oberhalb der Rechteckgrenze bei 23.240 Punkten (siehe grüner Pfeil im Chart) und etablierte einen neuen kurzfristigen Aufwärtstrend. Und dieser wurde selbst mit dem Beginn des offiziellen Handels in den USA fast seelenruhig fortgesetzt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt häufig zu einem deutlichen Volatilitätsschub kommt. Doch dieses Mal verhielten sich die Anleger, als wäre zuvor nichts passiert, als stünden nun keine neuen Zölle von 50 % auf EU-Importe im Raum, nachdem Anfang April Zölle von „nur“ 20 % die Kurse hatten einbrechen lassen – in einem Rekordtempo!
Besser ohne neue Trades ins Wochenende!
Wer also beim neuerlichen Kurseinbruch in Panik Positionen verkauft hat, musste kurze Zeit später zusehen, wie die Kurse wieder nach oben liefen. Es ist beeindruckend, dass die Bullen auch in der gestrigen Situation die nächste „buy the dip“-Gelegenheit witterten.
Doch ich lasse mich davon nicht anstecken. Stattdessen werde ich nun vor allem vor dem Wochenende ganz bewusst keine neuen Trades mehr eingehen. Denn wer weiß, was heute oder Sonntag noch passiert. Und genau das zeigt beispielhaft, wie die Verunsicherung auf Trader und Anleger wirkt. Unvorhersehbar, wie die Börsen am Montag in die neue Woche starten!
Ab Montag gilt es dann zu beobachten, ob der DAX die gestern zurückeroberte Mittellinie bei 23.595 Punkten weiterhin halten kann oder er doch noch einmal unter das alte Rekordhoch gerät. Sehr bearish wäre es, wenn die Kurse die Rechteckgrenze bei 23.240 Zählern unterschreiten. Dann muss man davon ausgehen, dass mit der Ratingentscheidung von Moody´s und Trumps neuen Zolldrohungen doch nachhaltigerer Schaden an den Börsen entstanden ist.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)