Liebe Leserinnen und Leser,
Montagmorgen, und die Nachrichtenlage fühlt sich an, als hätte die Weltpolitik am Wochenende keine Sekunde durchgeatmet. Im Gegenteil: Es scheint, als würde das Karussell der Unsicherheiten sich nur noch schneller drehen. Im Zentrum steht – wie so oft – Donald Trump, dessen Politik einen langen Schatten wirft, von globalen Handelsströmen über Währungsmärkte bis hin zur Innenpolitik dies- und jenseits des Atlantiks. Doch auch abseits davon gibt es genug Bewegung, die uns beschäftigen wird. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, die wichtigsten Signale zu deuten und einen Kompass für die neue Woche zu finden.
Das Trump-Diktat: Zölle, Widersprüche und wilde Ideen
Man kommt nicht umhin: Die aktuelle US-Politik, insbesondere die erratische Handelspolitik, dominiert weiterhin die Agenda und sorgt für Kopfschütteln und Nervosität.
- Wirtschaft im Zwiespalt: Die jüngsten Konjunkturdaten zeichnen ein widersprüchliches Bild, das die Verunsicherung widerspiegelt. Während der US-Dienstleistungssektor im April überraschend anzog und die Preise deutlich stiegen (ein Zeichen für aufkommenden Inflationsdruck durch Zölle, wie der ISM-Index nahelegt), zeigt der Blick nach Kanada ein düsteres Bild: Dort schrumpfte der Servicesektor den fünften Monat in Folge, belastet durch die Unsicherheit um eben jene US-Handelspolitik und die kanadischen Wahlen. Auch in der Eurozone erholt sich die Stimmung zwar etwas (Sentix), bleibt aber gedrückt. Es scheint, als würden Trumps Zölle wie ein unberechenbarer Wetterumschwung wirken – hier ein überraschender Sonnenstrahl, dort ein heftiger Hagelschauer. Die Frage ist: Wo klart es als Nächstes auf und wo zieht das nächste Gewitter herauf?
- Währungsturbulenzen: Besonders spannend ist die Reaktion an den Devisenmärkten. Der US-Dollar gerät unter Druck, während insbesondere der Taiwan-Dollar eine raketenhafte Aufwertung erlebt. Die Spekulation kocht hoch: Lässt Taiwan seine Währung bewusst steigen, um sich bei den laufenden Zollverhandlungen mit den USA lieb Kind zu machen? Offiziell wird das dementiert, aber die Bewegung ist zu massiv, um sie zu ignorieren. Es zeigt, wie nervös die Märkte sind und wie schnell politische Vermutungen zu realen Kursbewegungen führen können. Selbst der chinesische Offshore-Yuan legte zu – ein weiteres Indiz dafür, dass die Märkte auf jede noch so kleine Andeutung einer Deeskalation im Handelsstreit hoffen.
- Aggressive Gegenwehr & seltsame Pläne: Während die Großen taktieren, wehren sich andere direkter. Mexiko etwa verschärft die Regeln gegen Billigimporte von Stahl und Textilien – ein klares Signal gegen Dumping-Praktiken. Und innenpolitisch liefert Trump weiter Stoff für Diskussionen: Von der Idee, das berüchtigte Gefängnis Alcatraz wiederzueröffnen und massiv auszubauen, bis hin zur Anweisung, die jahrzehntelange Praxis der "Disparate Impact"-Prüfung (also die Untersuchung unbeabsichtigter Diskriminierung durch neutrale Regeln) in der Bürgerrechtsdurchsetzung zu beenden. Gleichzeitig versucht seine Administration, globale Bemühungen zur Entwicklungsfinanzierung (FFD4) zu verwässern und Begriffe wie "Klima" oder "Gender" daraus zu streichen. Das Bild ist klar: eine "America First"-Agenda, die auch vor etablierten Normen und internationalen Vereinbarungen nicht haltmacht.
Ölpreis im freien Fall: OPEC+ zettelt Preiskampf an?
Abseits der Trump-Schlagzeilen sorgte am Wochenende die OPEC+ für einen Paukenschlag. Die Öl-Allianz beschloss, ihre Produktionssteigerungen nochmals zu beschleunigen. Ab Juni sollen über 400.000 Barrel pro Tag zusätzlich auf den Markt kommen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Der Ölpreis rauschte heute Morgen über 2% in den Keller, Brent kratzte an der 60-Dollar-Marke.
Was steckt dahinter? Vordergründig heißt es, man reagiere auf die Marktlage. Doch hinter den Kulissen brodelt es offenbar. Saudi-Arabien, so wird gemunkelt, will mit der Produktionsflut illoyale Mitglieder wie den Irak und Kasachstan bestrafen, die sich nicht an die vereinbarten Förderquoten halten. Gleichzeitig könnte es ein gezielter Angriff auf die teurer produzierende US-Schieferölindustrie sein. Analysten senken bereits ihre Ölpreisprognosen für 2025 und 2026 deutlich (Barclays sieht Brent 2026 nur noch bei 60 Dollar, ING 2025 bei 65 Dollar, DNB fürchtet gar unter 50 Dollar). Das Kalkül: Mehr Angebot drückt den Preis und schwächt die Konkurrenz. Doch das Spiel ist riskant. In einer Zeit ohnehin unsicherer globaler Nachfrage (Stichwort Handelskonflikte, Rezessionssorgen) noch mehr Öl auf den Markt zu werfen, könnte den Preisverfall beschleunigen und die Kassen der Förderländer empfindlich treffen. Es riecht nach einem strategischen Poker mit ungewissem Ausgang.
Europas neue Realitäten: Aufbruch in Berlin, Sorgen anderswo
Auch in Europa sortiert man sich neu – teils als Reaktion auf die globalen Verschiebungen, teils aus innenpolitischem Antrieb:
- Deutschland nach der Wahl: In Berlin nimmt die neue Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU/CSU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) Gestalt an. Die SPD hat ihre Ministerriege bekanntgegeben – eine Mischung aus bekannten und neuen Gesichtern. Boris Pistorius bleibt populärer Verteidigungsminister, Klingbeil übernimmt das wichtige Finanzministerium, und mit Bärbel Bas (Arbeit) und Reem Alabali-Radovan (Entwicklung) rücken weitere Frauen auf. Die große Koalition will Deutschland reformieren und international wieder präsenter machen – eine Herkulesaufgabe angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen. Gleichzeitig muss sich die neue Regierung mit dem Erstarken der AfD auseinandersetzen, die nun gerichtlich gegen ihre Einstufung als extremistisch vorgeht – ein innenpolitischer Zankapfel, der auch international (von Trump bis Putin) kommentiert wird.
- EU-Initiativen & regionale Stabilität: Die EU versucht, eigene Akzente zu setzen. Mit 500 Millionen Euro will sie Spitzenforscher, die von der US-Politik enttäuscht sind, nach Europa locken. Ein kleines, aber symbolisches Zeichen im globalen Wettbewerb der Ideen. Gleichzeitig bestätigen Ratingagenturen wie Fitch die Kreditwürdigkeit von Ländern wie Litauen ("A", stabil), trotz der unmittelbaren Nähe zu Russland und Belarus. Die EU- und NATO-Mitgliedschaft sowie eine solide Fiskalpolitik scheinen hier (noch) als Anker zu wirken.
Ein Blick auf die Ränder: Krypto & Krisen
- Krypto als Zuflucht? Robert Kiyosaki ("Rich Dad Poor Dad") bekräftigt sein Vertrauen in Bitcoin, Silber und Gold als Schutz vor einer drohenden "massiven Inflation", die er durch staatliche Gelddruckerei im Falle eines Marktcrashs befürchtet. Diese Suche nach Alternativen spiegelt die allgemeine Verunsicherung wider. Gleichzeitig versucht die Krypto-Branche selbst, sich zu professionalisieren und zu etablieren, wie die Präsenz von Börsen wie BTCC auf Messen wie TOKEN2049 zeigt. Die geplante US-Gesetzgebung zur Nachverfolgung von KI-Chips (Nvidia) zur Verhinderung von Schmuggel nach China zeigt wiederum, wie eng Tech, Handelspolitik und Sicherheitspolitik mittlerweile verwoben sind.
- Krisenherde: Die Welt bleibt ein gefährlicher Ort. Ein tödlicher Angriff auf Polizisten in der russischen Region Dagestan und neue Berichte über ukrainische Angriffe auf russisches Grenzgebiet (Kursk) erinnern an die anhaltenden regionalen Konflikte. Und selbst scheinbar gelöste Probleme können wieder hochkochen: Das israelische Sicherheitskabinett beschließt offenbar eine Ausweitung der Gaza-Offensive, während ein israelischer Verteidigungsbeamter gleichzeitig von einem "Zeitfenster" für eine Geisel-Einigung während Trumps Nahost-Besuch spricht. Die Lage bleibt extrem fragil.
Mein Fazit für den Wochenstart
Was nehme ich mit in diese Woche? Die Unsicherheit bleibt der dominante Faktor. Die Politik aus Washington, insbesondere die Handelspolitik, sorgt für unberechenbare Ausschläge und zwingt den Rest der Welt zu Reaktionen und Anpassungen. Die Märkte schwanken zwischen der Hoffnung auf Deeskalation und der Furcht vor weiteren Eskalationen oder einem wirtschaftlichen Abschwung. Die OPEC+ scheint einen neuen Preiskampf zu riskieren, dessen Folgen noch unklar sind.
Für uns Anleger bedeutet das: Augen auf! Die Volatilität dürfte anhalten. Es gilt, die Entwicklungen genau zu beobachten, aber nicht in Hektik zu verfallen. Achten Sie auf die Signale der Zentralbanken (Fed und BoE tagen diese Woche!), behalten Sie die Energiepreise im Blick und versuchen Sie, die Spreu vom Weizen zu trennen – welche Unternehmen können auch in diesem stürmischen Umfeld bestehen? Eine breite Streuung bleibt das Gebot der Stunde.
Ich wünsche Ihnen eine gute und möglichst ruhige Woche!
Herzlichst,
Ihr Eduard Altmann
Montag, 05. Mai 2025