US-China: Börsen jubeln?

Die globalen Märkte zeigen Erleichterung nach substanziellen Fortschritten in den US-China-Handelsgesprächen, während Analysten die Nachhaltigkeit der Einigung diskutieren.

Kurz zusammengefasst:
  • Substanzielle Fortschritte in Genfer Verhandlungen
  • Marktreaktionen: Futures und Währungen steigen
  • Analysten bleiben vorsichtig optimistisch
  • Weitere geopolitische Entspannungssignale

Die globalen Finanzmärkte starten an diesem Montagmorgen, dem 12. Mai 2025, mit einer spürbaren Erleichterung in die neue Handelswoche. Nach intensiven Verhandlungen am Wochenende in Genf keimt plötzlich wieder Hoffnung im erbitterten US-China Handel auf. US-Regierungsvertreter sprechen von "substanziellen Fortschritten". Doch ist dies der lang ersehnte Wendepunkt im Zollstreit, der die Weltwirtschaft seit Monaten in Atem hält, oder lediglich ein diplomatisches Zwischenspiel? Anleger weltweit reiben sich die Augen und fragen sich: Was folgt auf die versöhnlichen Töne aus der Schweiz?

Genfer Durchbruch? Details zum US-China Handel erwartet

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen die Gespräche zwischen hochrangigen Vertretern der USA und Chinas. US-Finanzminister Scott Bessent und der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer teilten am Sonntag mit, man habe eine Einigung mit China zur Reduzierung des US-Handelsdefizits erzielt und "substanzielle Fortschritte" gemacht. Die Verhandlungen mit dem chinesischen Vize-Premier He Lifeng in Genf seien "offen" gewesen, so die chinesische Seite, die von einem "wichtigen Konsens" sprach und die Einrichtung eines neuen Wirtschaftsforums ankündigte.

Obwohl konkrete Details zu dem Abkommen erst im Laufe des heutigen Montags erwartet werden, deutete Greer an, die Differenzen zwischen beiden Nationen seien möglicherweise weniger gravierend als zuvor angenommen. Bessent informierte US-Präsident Donald Trump dem Vernehmen nach bereits über den Stand der Dinge. Die Erwartungen sind hoch, insbesondere nachdem Trump selbst vor den Gesprächen andeutete, ein niedrigerer Zollsatz von 80% auf chinesische Waren erscheine ihm "richtig" – eine erste Abkehr von den zuvor ausgerufenen 145%. "Was wir hier zu haben scheinen, ist ein breiter Rahmen, unter dem die beiden Nationen weitere Gespräche führen können, mit dem Ziel, ein umfassenderes Handelsabkommen zu erreichen", kommentierte Michael Brown, Senior Research Strategist bei Pepperstone. Die große Frage bleibt: "Ermöglicht dieser Fortschritt eine Pause, Reduzierung oder Rücknahme von Zöllen, und wenn ja, für wie lange?"

Marktreaktionen: Risk-On nach Entspannungssignalen

Die ersten Reaktionen an den Märkten fielen eindeutig positiv aus. Die Futures auf den S&P 500 sprangen um 1,1% nach oben, während die Nasdaq-Futures sogar um 1,4% zulegten. Auch in Asien zeigten sich die Anleger optimistisch: Nikkei-Futures signalisierten einen Anstieg von 1,3%.
Der US-Dollar, der seit Trumps "Liberation Day"-Zollankündigungen im April unter Druck geraten war, konnte zu Wochenbeginn zulegen. Gegenüber dem japanischen Yen kletterte der Greenback um 0,4% auf 145,90 Yen, zeitweise sogar auf ein Fünf-Wochen-Hoch von 146,31 Yen. Auch der Euro gab gegenüber dem Dollar leicht auf 1,1224 Dollar nach. Der Dollarindex stieg um 0,2% auf 100,60 Punkte. Als Risikoproxy profitierte der neuseeländische Kiwi-Dollar mit einem Plus von 0,2% auf 0,5921 US-Dollar, und auch der australische Dollar legte um 0,19% auf 0,6424 US-Dollar zu.

Die gestiegene Risikobereitschaft drückte hingegen auf den Goldpreis. Das Edelmetall, das in den letzten Wochen als sicherer Hafen gesucht war und im April ein Allzeithoch von 3.500 Dollar je Unze erreicht hatte, gab um 1,7% auf 3.268 Dollar nach. Die Ölpreise hingegen profitierten von der Hoffnung, dass Fortschritte in den Handelsgesprächen das Risiko eines schwerwiegenden wirtschaftlichen Abschwungs mindern könnten. Brent-Öl verteuerte sich um 29 Cents auf 64,20 Dollar pro Barrel, US-Rohöl legte um 33 Cents auf 61,35 Dollar zu. Die Volatilität, gemessen am CBOE Volatility Index (VIX), bewegte sich zuletzt um 22 Punkte – deutlich unter dem Hoch von über 52 Punkten Anfang April, aber über dem langfristigen Median von 17,6.

Analysten gespalten: Hoffnung trifft auf Skepsis

Die Erleichterung ist greifbar, doch wie nachhaltig ist sie? „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass beide Seiten an einer konstruktiven Lösung interessiert sind“, meinte Eric Kuby, Chief Investment Officer bei North Star Investment Management Corp. Er sieht das Ergebnis eher auf der positiven Seite des Möglichen, erwartet aber keine dramatische Marktrallye. Auch David Wagner von Aptus Capital Advisors sieht den positiven Sentiment-Trend als Treibstoff für eine weitere Markterholung.

Vorsichtiger äußert sich Gennadiy Goldberg, Leiter der US-Zinsstrategie bei TD Securities: „Die Märkte mögen durch eine Einigung ermutigt sein, aber es wird von weiteren Details abhängen. Das Risiko besteht, wenn der Deal weniger substanziell ist als erwartet.“ Jamie Cox, Managing Partner bei Harris Financial Group, warnt: „Die Formulierung ’substanzielle Fortschritte‘ wird die Märkte am Montag beflügeln. Der Vorbehalt ist jedoch, dass der Präsident den Gesprächen kaltes Wasser überhelfen könnte, wenn er denkt, China komme zu leicht davon.“

Tatsächlich hatten viele Marktteilnehmer im Vorfeld keine großen Durchbrüche erwartet. „Ich bin nicht sicher, ob ich aufgrund dessen, was wir heute gehört haben, den ‚Kauf‘-Knopf drücken würde, aber wenn wir substanzielle Fortschritte mit China machen können, wird es dem Markt gefallen“, so Jack Ablin, Gründungspartner und CIO bei Cresset Capital. Liqian Ren von WisdomTree Asset Management glaubt, der Markt sei "vielleicht ein wenig zu optimistisch", was China und die USA erreichen können und wie schnell sich die Ereignisse entwickeln werden. Sie verweist darauf, dass die hohen Kosten für Short-Positionen die Volatilität zuletzt gedämpft hätten: "Wenn ein einziger Social-Media-Post des Präsidenten den Markt um 10% bewegen kann, wird es sehr kostspielig", solche Positionen einzugehen. Matt Gertken von BCA riet sogar, "bei Stärke zu verkaufen".

Weitere Entspannung an globalen Krisenherden?

Zur positiven Grundstimmung trugen auch Nachrichten von anderen globalen Krisenherden bei. So verkündeten Indien und Pakistan am Wochenende einen Waffenstillstand nach viertägigen Kämpfen, die die Märkte zuvor verunsichert hatten. Zudem äußerte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Bereitschaft, den russischen Präsidenten Wladimir Putin am Donnerstag in der Türkei zu direkten Gesprächen zu treffen – es wäre das erste Treffen dieser Art seit den ersten Monaten der Invasion 2022. Diese Signale einer geopolitischen Deeskalation dürften das Risikosentiment zusätzlich stützen.

US-Wirtschaft im Fokus: Zölle, Inflation und die Fed

Abseits der Handelsgespräche richtet sich der Blick der Investoren diese Woche gespannt auf wichtige US-Wirtschaftsdaten. Insbesondere die Verbraucherpreise (CPI) für April, die am Dienstag veröffentlicht werden, sowie die Einzelhandelsumsätze könnten erste Hinweise darauf geben, wie stark der Handelsstreit die US-Wirtschaft bereits getroffen hat. Analysten von ANZ erwarten jedoch erst mit den Mai-Daten breitere Evidenz für die Auswirkungen der Zölle auf die Inflation.

Die US-Notenbank Federal Reserve hatte zuletzt signalisiert, keine Eile bei weiteren Zinssenkungen zu haben. "Wir glauben, dass Juni zu früh für die Fed ist, um die Zinsen zu senken, und bleiben bei unserer Ansicht, dass das dritte Quartal, und höchstwahrscheinlich September, ein realistischerer Zeitrahmen ist", so die ANZ-Analysten. Dies würde der Fed Zeit geben, die Auswirkungen höherer Zölle auf Preisniveau und Inflationspersistenz zu beobachten. Die Markterwartungen für eine Zinssenkung im Juni sind bereits von über 60% vor einem Monat auf nur noch 17% gesunken. Für Juli wird die Wahrscheinlichkeit immerhin noch bei 59% gesehen. Eine Reihe von Fed-Vertretern wird sich diese Woche äußern, allen voran Fed-Chef Jerome Powell am Donnerstag. Seine Worte zur aktuellen Lage und den Aussichten für die US-Wirtschaft werden genauestens analysiert werden.

Trumps nächste Baustelle: Angriff auf Pharmapreise

Neben der Handelspolitik sorgte Präsident Trump am Sonntag mit einer weiteren Ankündigung für Aufsehen. Per Truth Social kündigte er an, am Montagmorgen eine Executive Order zu unterzeichnen, um die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente in den USA drastisch zu senken – um 30% bis 80%. Er kritisierte die Pharmaindustrie für jahrzehntelang überhöhte Preise und erklärte, die USA zahlten weit mehr für Medikamente als vergleichbare Länder. Die Verordnung solle eine "Most Favored Nation"-Politik implementieren, die US-Preise an die niedrigsten weltweit gezahlten Preise koppelt. Trump versprach Einsparungen von "Billionen von Dollar". Wie genau diese Kostensenkungen erreicht werden sollen, ließ er jedoch offen. Diese Ankündigung könnte insbesondere Pharmaaktien unter Druck bringen und stellt einen weiteren Unsicherheitsfaktor dar.

Ausblick: Erleichterung ja, Entwarnung nein

Die Finanzmärkte atmen also vorerst auf. Die Signale aus Genf deuten auf eine mögliche Deeskalation im US-China Handel hin, und auch andere geopolitische Spannungen scheinen nachzulassen. Doch die Erleichterung ist fragil. "Nicht das Worst-Case-Szenario, das aus den Gesprächen an diesem Wochenende möglich war, bei weitem nicht, aber auch kein konkreter Deal", fasst Michael Brown von Pepperstone die Lage treffend zusammen.

Die entscheidenden Details des Abkommens zwischen den USA und China stehen noch aus. Werden die angedeuteten Zollsenkungen tatsächlich umgesetzt? Wie wird Präsident Trump die Ergebnisse kommentieren und welche Bedingungen sind an eine mögliche Einigung geknüpft? Die kommenden Tage werden Antworten liefern müssen. Bis dahin dürfte die Nervosität an den Märkten zwar gedämpft sein, von einer vollständigen Entwarnung kann aber noch lange keine Rede sein. Die kommenden US-Wirtschaftsdaten und die Kommentare von Fed-Chef Powell werden weitere wichtige Indikatoren für die zukünftige Entwicklung liefern. Es bleibt spannend zu beobachten, ob der aktuelle Hoffnungsschimmer zu einem stabilen Sonnenaufgang wird oder sich als trügerisches Morgenrot entpuppt.

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  • Mein Name ist Felix Baarz, und ich blicke auf über fünfzehn Jahre Erfahrung als Wirtschaftsjournalist zurück. Seit jeher faszinieren mich die Mechanismen und Dynamiken der globalen Finanzmärkte sowie die komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, die unsere Welt formen. Mit dieser Leidenschaft habe ich mir einen Namen als Experte für internationale Finanzmärkte gemacht und widme mich mit großem Engagement der Aufgabe, auch die komplexesten Themen verständlich und greifbar für meine Leser aufzubereiten.

    Meine Wurzeln liegen in Köln, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Schon früh weckte meine Neugier für wirtschaftliche Themen und internationale Entwicklungen mein Interesse an Journalismus. Nach meinem Studium begann ich meine Karriere als Wirtschaftsredakteur bei einer angesehenen deutschen Fachpublikation. Hier legte ich den Grundstein für meine berufliche Laufbahn, doch meine Neugier zog mich schon bald in die weite Welt hinaus.

    Ein Wendepunkt in meinem Leben war der Umzug nach New York, wo ich sechs Jahre lang lebte und einen Einblick in führende Medienhäuser bekam.

    In dieser pulsierenden Metropole konnte ich hautnah am Herz der globalen Finanzwelt berichten. Von den täglichen Entwicklungen an der Wall Street bis hin zu den großen wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die weltweit Wellen schlagen, hatte ich die Gelegenheit, über zentrale Themen zu schreiben, die Menschen und Märkte gleichermaßen bewegen. Diese Zeit hat meine Perspektive geprägt und meinen Blick für die globalen Zusammenhänge geschärft.

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