Die globalen Finanzmärkte erlebten zum Wochenauftakt eine Achterbahnfahrt der Gefühle, maßgeblich ausgelöst durch die jüngsten Volten in der US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump. Gerade als eine massive Eskalation im Handelsstreit mit der Europäischen Union unausweichlich schien, zog Trump die Notbremse – zumindest vorerst. Doch diese überraschende Deeskalation wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet und unterstreicht einmal mehr die Unberechenbarkeit, die Washingtons Kurs weltweit prägt. Während an einer Front Entspannung signalisiert wird, brodeln andere Konflikte weiter und werfen lange Schatten auf Konjunkturaussichten von Asien bis Europa. Was bedeutet dieses Hin und Her konkret für Anleger und die Weltwirtschaft?
Trump-Zölle: Aufschub statt Showdown mit der EU
Die Nachricht schlug am Montagmorgen, dem 26. Mai 2025, ein wie eine Bombe – eine positive für viele Marktteilnehmer: US-Präsident Donald Trump gab bekannt, die angedrohten Strafzölle von 50 Prozent auf EU-Importe nicht wie angekündigt zum 1. Juni einzuführen. Stattdessen wurde die Frist für eine Einigung im schwelenden Handelskonflikt bis zum 9. Juli verlängert. Diese Kehrtwende erfolgte nach einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag, die um mehr Zeit für "einen guten Deal" gebeten hatte. Trump kommentierte auf Truth.Social, es sei ihm "ein Privileg" gewesen, der Verlängerung zuzustimmen, und kündigte an, die Gespräche mit der EU würden "rasch beginnen".
Diese Entwicklung löste an den Devisenmärkten spürbare Erleichterung aus. Der Euro kletterte gegenüber dem US-Dollar auf 1,1382 Dollar und erreichte damit den höchsten Stand seit dem 30. April. Auch gegenüber den als sicher geltenden Häfen Yen und Schweizer Franken legten sowohl der Euro als auch der Dollar zu. Der Dollar erholte sich zum Yen auf bis zu 143,085 Yen, nachdem er am Freitag zuvor noch deutlich unter Druck geraten war. Risikoaffinere Währungen wie der australische Dollar und das britische Pfund zeigten sich ebenfalls fester.
Doch die Entspannung könnte trügerisch sein. Ray Attrill, Leiter der Devisenstrategie bei der National Australia Bank, kommentierte treffend: „Die Märkte haben wahrscheinlich – und wohl zu Recht – die Ansicht vertreten, dass wir bei den Zöllen zwischen den USA und der EU nicht bei 50 % landen werden, aber wie wir dorthin gelangen, ist im Moment ehrlich gesagt jedermanns Vermutung.“ Die Unklarheit bleibt, insbesondere da nicht ersichtlich ist, ob die angedrohten 50 Prozent zusätzlich zu den bereits geplanten 20-prozentigen Zöllen auf EU-Waren erhoben werden sollten, die ebenfalls Anfang Juli in Kraft treten sollen.
Trumps Agieren folgt einem bekannten Muster: Maximalforderungen und Drohgebärden, gefolgt von teilweisen Rückziehern oder Verschiebungen. Erst im April hatte er eine ganze Reihe „reziproker“ Zölle gegen wichtige Handelspartner skizziert, diese aber kurz darauf um drei Monate verschoben. Einzig im Handelskrieg mit China wurden harte Zölle durchgesetzt, bevor es Anfang Mai zu einer Deeskalation kam. Die Märkte müssen also weiterhin mit plötzlichen Wendungen in der US-Handelspolitik rechnen. Erschwerend kommt hinzu, dass Trumps Drohung, einen 25-prozentigen Zoll auf iPhones zu erheben, die nicht in den Vereinigten Staaten hergestellt werden, weiterhin im Raum steht – ein Damoklesschwert für die Tech-Branche.
Einen möglichen Hoffnungsschimmer für fiskalpolitische Vernunft sendete Trump jedoch ebenfalls am Sonntag aus, als er andeutete, sein umfassendes Ausgaben- und Steuersenkungspaket werde im Senat wahrscheinlich "signifikante" Änderungen erfahren. Angesichts einer prognostizierten Neuverschuldung von rund 3,8 Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre durch die bisherige Version des Repräsentantenhauses, ist dies eine potenziell marktrelevante Notiz am Rande.
Geopolitik: Zuckerbrot und Peitsche aus Washington
Neben der Handelspolitik sorgte Präsident Trump auch an anderen geopolitischen Fronten für Aufsehen. Seine Rhetorik gegenüber Russland im Ukraine-Konflikt hat sich merklich verschärft. Nach einer verheerenden Welle russischer Raketen- und Drohnenangriffe auf die Ukraine am Wochenende, die mindestens zwölf Todesopfer forderte, zeigte sich Trump "absolut" bereit, neue Sanktionen gegen Moskau zu verhängen. „Ich bin nicht glücklich mit Putin“, erklärte Trump vor Reportern in Morristown, New Jersey. „Er tötet eine Menge Leute, und ich weiß nicht, was zum Teufel mit ihm los ist.“ Dies stellt einen bemerkenswerten Tonwechsel dar, galt Trump doch zuvor als eher zögerlich in seiner Kritik am Kreml. Er berichtete, vergangene Woche über zwei Stunden mit Putin telefoniert zu haben, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Die jüngsten Angriffe, die Kiew und andere Städte trafen und als der bisher größte Luftangriff des Krieges gelten, scheinen nun das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben.
Während die Spannungen mit Russland zunehmen, deutete Trump an anderer Stelle Fortschritte an. Nach Gesprächen einer US-Delegation unter Sondergesandtem Steve Witkoff mit iranischen Vertretern in Rom am Wochenende zeigte sich der Präsident optimistisch. „Ich denke, wir könnten an der Iran-Front gute Nachrichten haben“, so Trump, der von "ernsthaften Fortschritten" sprach, ohne Details zu nennen. Ob es in den kommenden Tagen tatsächlich "gute oder schlechte" Nachrichten geben werde, ließ er offen, deutete aber seine positive Einschätzung an. Diese Entwicklung könnte, sollte sie sich bestätigen, einen wichtigen Unsicherheitsfaktor im Nahen Osten reduzieren.
Asiens Hoffen und Bangen im Schatten der US-Politik
Die Auswirkungen der globalen politischen Großwetterlage und insbesondere der US-Handelspolitik zeigen sich deutlich in den Wirtschaftsaussichten asiatischer Nationen. Thailand konnte hier zuletzt positive Akzente setzen: Die thailändischen Exporte stiegen im April überraschend stark um 10,2 Prozent im Jahresvergleich und übertrafen damit die Analystenerwartungen von 9,1 Prozent. Dies setzt den positiven Trend vom März fort, als die Ausfuhren sogar um 17,8 Prozent zulegten – ein Zeichen der Stärke für Thailands Handelssektor.
Ganz anders stellt sich die Situation in Indien dar, Asiens drittgrößter Volkswirtschaft. Zwar dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2025 (Januar-März) einer Reuters-Umfrage zufolge mit 6,7 Prozent im Jahresvergleich etwas stärker gewachsen sein als im Vorquartal (6,2 Prozent), getrieben vor allem durch eine Belebung der ländlichen Nachfrage dank besserer Ernteerträge. Doch Ökonomen warnen vor überzogenem Optimismus. Die städtische Nachfrage bleibt gedämpft, und der als stabiler geltende Bruttowertschöpfungszuwachs (GVA), der indirekte Steuern und Subventionen ausklammert, expandierte nur moderat um 6,4 Prozent. Gaura Sengupta, Chefökonomin bei der IDFC First Bank, sah zwar Anzeichen für eine Belebung auf dem Land, während Analysten von Citi die städtische Konsumschwäche betonten.
Die Reserve Bank of India könnte im Juni zum dritten Mal in Folge die Zinsen senken, um die Konjunktur zu stützen. Doch die tieferliegenden Probleme bleiben. Kunal Kundu, Indien-Ökonom bei Societe Generale, äußerte sich skeptisch: „Die Erholung ist möglicherweise mehr in den Zahlen als in einer echten Verbesserung der Aktivität zu sehen. Schwache Investitionsaussichten, verschärft durch eine kämpfende Fertigungsindustrie, deuten darauf hin, dass eine Wachstumserholung mehrere Quartale entfernt ist.“ Er wies darauf hin, dass die ländliche Nachfrage zwar von einer schwachen Basis aus zulege, aber nicht stark genug sei, um ein wichtiger Wachstumstreiber zu sein. Die realen Löhne zeigten kaum Anzeichen eines signifikanten Anstiegs. Ohne eine stärkere Binnennachfrage bleibt das indische BIP-Wachstum stark von Staatsausgaben abhängig.
Ein entscheidender Bremsklotz für eine nachhaltige Erholung in Indien ist die Unsicherheit durch die erratische US-Handelspolitik. Ökonomen warnten, dass diese seit Jahresbeginn einen unsicheren Hintergrund für die zukünftigen Wachstumsaussichten darstelle. Eine separate Reuters-Umfrage vom Vormonat hatte bereits ergeben, dass US-Zölle die Geschäftsstimmung negativ beeinflusst haben, was die lange erwartete Belebung der Unternehmensinvestitionen weiter erschwert. Indranil Pan, Chefökonom bei der Yes Bank, brachte es auf den Punkt: „Private Investitionen werden sich, egal welche Zinssenkungen man vornimmt, nicht signifikant erhöhen, einfach weil private Investitionen mehr von einer relativ sicheren Atmosphäre bestimmt werden.“ Die Nachfrageaussichten und das allgemeine Sentiment seien entscheidend, und diese erhielten durch die globale Unsicherheit derzeit leider keine Unterstützung.
Die kommenden Wochen dürften daher von anhaltender Nervosität geprägt sein. Die Fristverlängerung im EU-Handelsstreit verschafft zwar kurzfristig Luft, löst aber keine Grundprobleme. Die Märkte werden jeden Tweet und jede Äußerung aus Washington genauestens analysieren müssen, um die nächsten Schritte in diesem globalen Wirtschafts- und Machtpoker antizipieren zu können. Für Anleger bedeutet dies weiterhin: Augen auf und flexibel bleiben. Denn die einzige Konstante in der aktuellen US-Handelspolitik scheint die Unvorhersehbarkeit zu sein.