Die globalen Finanzmärkte blicken mit Hochspannung nach Washington, wo die aggressive US-Handelspolitik von Präsident Donald Trump die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellt und die Federal Reserve in ein prekäres Dilemma stürzt. Während an diesem Wochenende mit Spannung erwartete Handelsgespräche zwischen den USA und China anlaufen, mehren sich die Warnungen hochrangiger Notenbanker vor den gravierenden Folgen von Importzöllen für Inflation, Produktivität und die allgemeine wirtschaftliche Stabilität. Die Unsicherheit ist groß, und die Frage, die sich Anleger weltweit stellen, lautet: Steuert die Weltwirtschaft auf eine Eskalation zu oder ist eine baldige Entspannung in Sicht?
Fed in der Zwickmühle: Zinsen im Bann der Zölle
Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) sieht sich zunehmend mit den Auswirkungen der handelspolitischen Entscheidungen der Trump-Administration konfrontiert. Fed-Gouverneurin Lisa Cook warnte erst kürzlich eindringlich, dass die angekündigten Zölle die Produktivität in den USA drosseln und durch eine weniger effiziente Wirtschaft möglicherweise höhere Zinsen zur Inflationsbekämpfung notwendig machen könnten. "Ich erwarte kurzfristig eine Belastung der Produktivität durch die jüngsten handelspolitischen Änderungen und die damit verbundene Unsicherheit", so Cook bei einer Wirtschaftskonferenz an der Stanford University. Die Ungewissheit über Trumps Pläne könne Investitionen abschrecken, während steigende Kosten für importierte Vorleistungsgüter und Ausrüstungen Projekte verzögern könnten, die ansonsten die Produktivität steigern würden. "Weniger Kapitalinvestitionen können zu langsamerer technologischer Innovation und Einführung sowie zu einer geringeren Gesamteffizienz führen", fügte sie hinzu und betonte, dass höhere Handelsbarrieren "weniger effiziente Unternehmen stützen" und die Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig machen könnten.
Diese Einschätzung teilt auch Alberto Musalem, Präsident der St. Louis Fed. Er mahnte, die Fed solle sich nicht auf weitere Zinssenkungen festlegen, solange nicht klar sei, ob die Zollpolitik der Trump-Regierung zu anhaltender Inflation oder nur zu einer einmaligen Preisanpassung führe. "Es ist möglich, dass eine höhere Inflation nur von kurzer Dauer sein wird und sich hauptsächlich auf die zweite Hälfte des Jahres 2025 konzentriert", erklärte Musalem. "Es ist jedoch ebenso wahrscheinlich, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweisen könnte." Angesichts dieser Unsicherheit, insbesondere da die neuen Abgaben auch Vorleistungsgüter treffen, sei es verfrüht, voreilige Schlüsse zu ziehen. Die Fed hatte ihren Leitzins im vergangenen Jahr zwar um einen vollen Prozentpunkt gesenkt, seit Dezember jedoch keine Änderungen mehr vorgenommen, da Trumps Zollpläne das Risiko neuer Preisdrücke bergen. Die Notenbanker stimmten erst diese Woche einstimmig dafür, den Zinssatz im aktuellen Korridor von 4,25% bis 4,5% zu belassen.
Auch Beth Hammack, Präsidentin der Federal Reserve Bank of Cleveland, plädierte für klare und überzeugende Daten, bevor Zinsentscheidungen getroffen werden. Sie betonte die Notwendigkeit, langsam und in die richtige Richtung zu agieren, anstatt überstürzt möglicherweise Fehler zu machen. Laut Hammack ziehen Unternehmen zwar potenzielle Entlassungspläne in Erwägung, falls die Nachfrage sinkt, haben diese aber noch nicht umgesetzt. Gleichzeitig überlegten einige Firmen Preiserhöhungen, seien aber wegen der möglichen Auswirkungen auf die Nachfrage vorsichtig.
Interessante Töne kommen auch von Kevin Warsh, einem ehemaligen Fed-Gouverneur und möglichen Kandidaten für den Posten des nächsten Fed-Chefs unter Trump. Warsh deutete einen möglichen Weg zu niedrigeren Zinsen an, die Trump wiederholt von Noch-Fed-Chef Jerome Powell gefordert hat. Er argumentierte, eine große und wachsende Bilanzsumme der Fed könne den Hauptsteuerungsmechanismus der kurzfristigen Zinssätze konterkarieren. "Wenn die Druckerpresse schweigen könnte, könnten wir niedrigere Leitzinsen haben", so Warsh, der die Fed auch dafür kritisierte, Arbeitslosigkeit als Mittel zur Inflationsbekämpfung zu sehen – eine seiner Meinung nach unsinnige Annahme.
Globaler Zollkrieg: Washington und Peking am Verhandlungstisch
Im Zentrum von Trumps globalem Handelskrieg steht China. An diesem Wochenende beginnen in der Schweiz die ersten wichtigen Gespräche im Rahmen des "Trade War Two" zwischen den USA und China. Ziel ist es, eine Situation abzuwenden, die Analysten als "Lose-Lose"-Szenario für beide Volkswirtschaften beschreiben. Washington will sein Handelsdefizit mit Peking reduzieren und China dazu bewegen, von seinem als merkantilistisch kritisierten Wirtschaftsmodell abzurücken. Peking wiederum lehnt jede Einmischung in seinen Entwicklungspfad ab und fordert die Aufhebung der Zölle sowie eine Behandlung auf Augenhöhe.
Die Fronten scheinen verhärteter als im ersten Handelskonflikt während Trumps vorheriger Amtszeit. U.S. Finanzminister Scott Bessent und der Chef-Handelsunterhändler Jamieson Greer treffen auf Chinas Wirtschaftszar He Lifeng. Analysten erwarten jedoch keine schnellen Durchbrüche. "Sie werden an diesem Wochenende nichts lösen, außer vielleicht festzulegen, ob es einen Prozess geben wird und was die Agendapunkte sein werden", meint Scott Kennedy vom Center for Strategic and International Studies.
Die Zölle, die teilweise im dreistelligen Prozentbereich liegen, sind nicht der einzige Spannungspunkt. Auch nicht-handelsbezogene Themen wie Fentanyl, Technologiebeschränkungen und geopolitische Fragen, einschließlich des Krieges in der Ukraine, erschweren den Weg zu einer Lösung. Trump, der kürzlich Details eines neuen Handelsabkommens zwischen den USA und Großbritannien vorstellte, signalisierte indes, dass die Strafzölle von 145% auf chinesische Waren wahrscheinlich sinken könnten und nannte auf seiner Social-Media-Plattform erstmals einen alternativen Wert von 80%, was "richtig erscheint". Selbst dies liegt jedoch deutlich über den im Wahlkampf versprochenen 60%. Ob dies von der chinesischen Seite akzeptiert wird, bleibt abzuwarten. Beobachter erwarten, dass Peking auf eine 90-tägige Aussetzung der Zölle bestehen wird, um Verhandlungsspielraum zu schaffen, ähnlich wie es anderen Ländern gewährt wurde.
Trumps Drahtseilakt: Steuerpolitik und Schulden im Schatten des Handelsstreits
Parallel zu den internationalen Handelskonflikten sorgt Präsident Trump auch innenpolitisch für Aufsehen. Am Freitag erklärte er, er sei "OK" damit, die Steuern für die reichsten Amerikaner anzuheben, auch wenn seine republikanischen Parteikollegen dies skeptisch sehen. "Republikaner sollten es wahrscheinlich nicht tun, aber ich bin OK, wenn sie es tun!!!", schrieb Trump. Später bekräftigte er: "Ich würde es lieben, es ehrlich gesagt zu tun." Dies sei eine Umverteilung, um Menschen in mittleren und unteren Einkommensschichten zu entlasten. Trump schlug eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 37% auf 39,6% für Einkommen über 2,5 Millionen Dollar (Einzelpersonen) bzw. 5 Millionen Dollar (gemeinsame Veranlagung) vor, mit Ausnahmen für Kleinunternehmen.
Diese Überlegungen stoßen jedoch auf Widerstand. Der führende Republikaner im Senat, John Thune, zeigte sich wenig begeistert: "Wir wollen für niemanden die Steuern erhöhen." Auch der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, der das Gesamtvolumen des Steuerpakets von ursprünglich 4,5 Billionen Dollar auf 4 Billionen Dollar reduzieren will, sperrt sich gegen Steuererhöhungen für Wohlhabende. Trump sieht höhere Steuern für Reiche jedoch als Mittel, um massive Steuersenkungen für die Mittel- und Arbeiterschicht zu finanzieren und das Gesundheitsprogramm Medicaid zu schützen. Er und die republikanischen Gesetzgeber haben die mögliche Verlängerung der Steuererleichterungen von 2017 als Entlastung für Amerikaner und als wirtschaftlichen Impuls inmitten der von Trump verhängten Importzölle angepriesen.
Zusätzliche Unsicherheit für die US-Wirtschaft könnte auch von einer anderen Front drohen: Finanzminister Scott Bessent drängte den Kongress am Freitag, die staatliche Schuldengrenze bis Mitte Juli anzuheben, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden, der die globalen Märkte erschüttern würde. Es bestehe eine "vernünftige Wahrscheinlichkeit", dass der Bundesregierung im August das Geld ausgehen könnte.
Die kommenden Wochen und Monate dürften somit von entscheidender Bedeutung sein. Die Verhandlungen mit China, die internen Debatten über die Steuer- und Fiskalpolitik sowie die Reaktion der Federal Reserve auf die komplexe Gemengelage werden die Richtung der US-Wirtschaft und der globalen Märkte maßgeblich beeinflussen. Die Frage bleibt, ob es gelingt, die vielschichtigen Konflikte zu entschärfen oder ob die US-Handelspolitik die Weltwirtschaft tatsächlich in eine tiefere Krise stürzt. Für Anleger bedeutet dies vorerst vor allem eines: anhaltende Nervosität und die Notwendigkeit, die Entwicklungen genauestens zu beobachten.