US-Inflation: Kehrtwende?

Schwächere US-Verbraucherpreisdaten im Mai lassen auf baldige Zinssenkungen der Fed hoffen, doch Unsicherheiten durch Handelspolitik und Staatsverschuldung bleiben bestehen.

Kurz zusammengefasst:
  • US-Inflation steigt nur um 0,1% im Mai
  • Renditen für US-Staatsanleihen sinken deutlich
  • EZB senkt Leitzins während Fed noch zögert
  • Platin profitiert von hoher Nachfrage

Die Finanzmärkte erlebten am Mittwoch eine deutliche Überraschung: Die neuesten US-Verbraucherpreisdaten für Mai fielen schwächer aus als erwartet und nährten Hoffnungen auf eine baldige Zinswende der amerikanischen Notenbank (Fed). Während die Europäische Zentralbank (EZB) bereits vergangene Woche die Zinsen senkte, könnte der nachlassende Preisdruck in den USA der Fed nun den nötigen Spielraum für eine Lockerung ihrer Geldpolitik verschaffen. Diese Entwicklung sorgte für Bewegung an den Anleihemärkten, setzte den US-Dollar unter Druck und warf ein neues Licht auf die globale Konjunktur und die Rohstoffpreise. Doch die Freude könnte verfrüht sein, denn erhebliche Unsicherheiten, insbesondere durch die US-Handelspolitik und die massive Staatsverschuldung, trüben das Bild.

Inflationsdaten schüren Zinshoffnungen

Die am 11. Juni 2025 veröffentlichten US-Verbraucherpreisdaten (CPI) zeigten für Mai einen Anstieg von lediglich 0,1 % gegenüber dem Vormonat, nachdem im April noch ein Plus von 0,2 % verzeichnet worden war. Ökonomen hatten im Konsens mit einem erneuten Anstieg von 0,2 % gerechnet. Auf Jahressicht kletterte der CPI zwar um 2,4 % nach 2,3 % im Vormonat, doch die Kernrate, die volatile Lebensmittel- und Energiepreise ausklammert, stieg ebenfalls nur um 0,1 % (April: +0,2 %). Die Jahresteuerung der Kerninflation verharrte bei 2,8 %.

Diese Zahlen lösten an den Märkten eine unmittelbare Reaktion aus. US-Aktienindex-Futures legten zu, während die Renditen für US-Staatsanleihen sanken. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe fiel um 3,4 Basispunkte auf 4,44 %, die der zweijährigen sogar um 5,9 Basispunkte auf 3,954 %. Der Dollar-Index gab nach, während der Euro zulegen konnte. Experten werten dies als Zeichen, dass die Märkte die Daten als Indiz für nachlassenden Inflationsdruck und somit als Argument für mögliche Zinssenkungen durch die Fed interpretieren.

Gennadiy Goldberg, Leiter der US-Zinsstrategie bei TD Securities, kommentierte: „Ich würde sagen, der CPI fiel für die Märkte deutlich besser aus als erwartet, wobei sowohl die Gesamtrate als auch die Kernrate überraschend niedrig waren.“ Er verwies auf schwächer als erwartete Preise für Kernwaren und eine relativ gedämpfte Entwicklung bei den Dienstleistungen. Brian Jacobsen, Chefökonom bei Annex Wealth Management, sah in den Zahlen ein weiteres Beispiel dafür, „warum die Fed ihren Risikofokus stärker auf Wachstums- als auf Inflationsbedrohungen verlagern könnte.“

Allerdings bleibt die Unsicherheit hoch. Viele Analysten, wie Wasif Latif von Sarmaya Partners, mahnen zur Vorsicht: „Es ist nur ein einzelner Wert, und wir müssen das mit Vorsicht genießen und sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“ Er verwies auf mögliche zukünftige Belastungen durch Zölle und einen angespannten Arbeitsmarkt. Auch die Energiepreise, die zuletzt die Inflation dämpften, könnten wieder steigen. Die US-Handelspolitik, insbesondere die von Präsident Trump angedrohten Zölle, wird als potenzieller Inflationstreiber gesehen.

Anleihemärkte im Zwiespalt: Zinshoffnung versus Schuldenlast

Trotz der positiven Inflationsdaten blicken Anleihestrategen mit gemischten Gefühlen auf die US-Staatsanleihen. Zwar erwarten laut einer Reuters-Umfrage vom 6. bis 11. Juni die meisten von ihnen einen weiteren Rückgang der Renditen in Erwartung von Fed-Zinssenkungen. Die Medianprognose für die Rendite 10-jähriger Treasuries liegt in drei Monaten bei 4,35 % und in sechs Monaten bei 4,29 %. Die zinssensiblere 2-jährige Rendite wird in drei Monaten bei 3,85 % und bis Ende November bei 3,73 % gesehen.

Doch die gewaltige US-Staatsverschuldung von über 36 Billionen Dollar und die Sorge vor weiter steigenden Defiziten durch Steuersenkungen und Ausgabenprogramme belasten insbesondere das lange Ende der Zinskurve. Collin Martin vom Schwab Center for Financial Research warnt: „Die Menge an Schulden, die wir ausgeben müssen, steigt weiter, und es scheint niemanden in Washington auf beiden Seiten zu geben, der wirklich einen Plan hat, um die Defizite zu senken.“ Dies könnte die Renditen am langen Ende hochhalten, um Käufer anzuziehen.

Die jüngsten Auktionen von Staatsanleihen stießen teils auf verhaltene Nachfrage. Mark Heppenstall von Penn Mutual Asset Management sieht das lange Ende der Zinskurve als besonders anfällig für ein Angebots-Nachfrage-Ungleichgewicht, das zu höheren Zinsen führen könnte. Auch die Attraktivität von US-Staatsanleihen für europäische Investoren hat laut Chris Iggo von AXA Investment Managers nachgelassen, da die Absicherung von Währungsrisiken sehr teuer geworden sei.

EZB handelt bereits, transatlantische Divergenz?

Während in den USA noch über mögliche Zinssenkungen spekuliert wird, hat die Europäische Zentralbank (EZB) bereits gehandelt und ihren Leitzins letzte Woche zum achten Mal seit Juni 2024 gesenkt. EZB-Chefökonom Philip Lane erklärte am Mittwoch in Dublin, dieser Schritt sei notwendig gewesen, um zu verhindern, dass die Inflation über einen längeren Zeitraum unter dem Zielwert von 2 % verharrt. Die Jahresinflationsrate im Euroraum war im Mai auf 1,9 % gesunken.

Interessanterweise sehen die EZB-Ökonomen die Inflation im kommenden Jahr nur noch bei durchschnittlich 1,6 %, deutlich unter dem Ziel. Als ein Grund hierfür werden die seit der Ankündigung von US-Präsident Trump über umfassende Zollerhöhungen auf globale Importe stark gefallenen Energiepreise genannt. Dies deutet auf eine zunehmende Divergenz in der Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks hin, die auch von den unterschiedlichen Inflationsaussichten und den Auswirkungen der Handelspolitik geprägt wird.

Rohstoffmärkte: Öl robust, Platin glänzt, Palladium schwächelt

Am Ölmarkt deuten die neuesten Daten der Energy Information Administration (EIA) weiterhin auf eine robuste Nachfrage hin. Die US-Rohöllagerbestände sanken in der vergangenen Woche um 3,644 Millionen Barrel. Obwohl dies etwas weniger war als der prognostizierte Rückgang von 2,4 Millionen Barrel und auch geringer als der Abbau in der Vorwoche (4,304 Millionen Barrel), signalisiert der kontinuierliche Rückgang, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt – ein tendenziell bullishes Zeichen für die Ölpreise.

Bei den Edelmetallen zeigt sich ein differenziertes Bild. Platin erlebte in diesem Jahr eine bemerkenswerte Rallye von 41 % und notierte am Mittwoch mit 1.272,45 Dollar pro Unze auf dem höchsten Stand seit Februar 2021. Analysten führen dies auf Angebotsbedenken, erneuertes Investoreninteresse und eine gestiegene Schmucknachfrage zurück, da hohe Goldpreise Konsumenten zu günstigeren Alternativen treiben. Zain Vawda von MarketPulse by OANDA betont die breitere Attraktivität von Platin durch seine vielfältigen Anwendungen in Industrie, Schmuck und als Investment. Dies schütze Platin vor dem Gegenwind, dem Palladium ausgesetzt sei.

Palladium, das hauptsächlich in Katalysatoren für Benzinfahrzeuge verwendet wird, konnte zwar ebenfalls um 18 % zulegen und erreichte mit 1.078,62 Dollar pro Unze den höchsten Stand seit November 2024, kämpft aber mit seiner starken Abhängigkeit vom traditionellen Automobilmarkt. Die Bank of America bezeichnete Palladium als "One-Trick-Pony", da 90 % seiner Nachfrage von Autoherstellern stammen. Der Übergang zur Elektromobilität, insbesondere Chinas schnell steigende EV-Durchdringungsraten, setzt Palladium stark unter Druck. Platin hingegen könnte langfristig von der Wasserstoffwirtschaft profitieren, was die Abwärtsrisiken im Vergleich zu Palladium begrenzt, so Nitesh Shah von WisdomTree.

Ausblick: Nervosität bleibt

Die Finanzmärkte bleiben in einem komplexen Spannungsfeld. Die jüngsten US-Inflationsdaten haben zwar Hoffnungen auf eine Zinswende geweckt, doch die zugrundeliegenden Probleme wie die hohe Staatsverschuldung und die Unsicherheiten durch die Handelspolitik bleiben bestehen. Ob die Fed tatsächlich bald die Zinsen senkt, hängt von den kommenden Wirtschaftsdaten ab. Die Divergenz zur bereits agierenden EZB könnte die Währungsmärkte weiter bewegen. Anleger müssen sich auf volatile Zeiten einstellen, in denen die genaue Analyse von Daten und Zentralbankkommunikation entscheidend sein wird. Die Frage, ob die aktuelle Entspannung an der Inflationsfront eine nachhaltige Kehrtwende oder nur eine kurze Atempause darstellt, bleibt vorerst offen.

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  • Mein Name ist Felix Baarz, und ich blicke auf über fünfzehn Jahre Erfahrung als Wirtschaftsjournalist zurück. Seit jeher faszinieren mich die Mechanismen und Dynamiken der globalen Finanzmärkte sowie die komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, die unsere Welt formen. Mit dieser Leidenschaft habe ich mir einen Namen als Experte für internationale Finanzmärkte gemacht und widme mich mit großem Engagement der Aufgabe, auch die komplexesten Themen verständlich und greifbar für meine Leser aufzubereiten.

    Meine Wurzeln liegen in Köln, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Schon früh weckte meine Neugier für wirtschaftliche Themen und internationale Entwicklungen mein Interesse an Journalismus. Nach meinem Studium begann ich meine Karriere als Wirtschaftsredakteur bei einer angesehenen deutschen Fachpublikation. Hier legte ich den Grundstein für meine berufliche Laufbahn, doch meine Neugier zog mich schon bald in die weite Welt hinaus.

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