US-Wirtschaft: Zerreißprobe voraus!

Eskalierende Handelskonflikte und enttäuschende Wirtschaftsdaten erhöhen die Unsicherheit an den Finanzmärkten. Die Fed steht vor einem Dilemma zwischen Inflation und Wachstumsrisiken.

Kurz zusammengefasst:
  • Wall Street mit deutlichen Verlusten zu Monatsbeginn
  • ISM PMI und Bauausgaben verfehlen Erwartungen
  • Fed signalisiert Geduld bei Zinsentscheidungen
  • Heutige Wirtschaftsdaten könnten weitere Richtung vorgeben

Die Nervosität an den Finanzmärkten erreichte gestern einen neuen Siedepunkt. Angesichts eskalierender Handelskonflikte und einer Flut durchwachsener Konjunkturdaten fragen sich Investoren weltweit: Steuert die US-Wirtschaft auf eine ernsthafte Krise zu, oder erleben wir lediglich ein vorübergehendes Stottern des Motors? Der heutige Tag verspricht mit wichtigen neuen Daten und Äußerungen von Notenbankern weitere Aufschlüsse in einem zunehmend unübersichtlichen Umfeld.

Handelsstreit und Daten-Dämpfer: Märkte unter Druck

Die Wall Street startete den Monat Juni gestern mit deutlichen Verlusten. Sowohl der Dow Jones als auch der S&P 500 gaben nach, während sich der technologielastige Nasdaq kaum bewegte. Hauptauslöser für die schlechte Stimmung waren einmal mehr die schwelenden Handelsspannungen. US-Finanzminister Scott Bessent kündigte zwar ein baldiges Gespräch zwischen Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping an, um über eine vereinbarte Rücknahme von Zöllen auf kritische Mineralien zu sprechen. Doch die Rhetorik bleibt vergiftet: Trump warf Peking Vertragsbruch vor, was China umgehend als „haltlos“ zurückwies und mit Gegenmaßnahmen drohte. Analysten wie Oliver Pursche von Wealthspire Advisors sehen hierin die Kernursache für die Verunsicherung: „Investoren sind unsicher, was als Nächstes kommt. Das erschwert Entscheidungen.“ Die Befürchtung steht im Raum, dass sich Präsident Trump aus Eigeninteresse in eine unnachgiebige Position manövriert.

Zusätzlich Öl ins Feuer gossen neue Wirtschaftsdaten. Der vielbeachtete Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (ISM PMI) lag im Mai mit 52,0 Punkten zwar über der Wachstumsschwelle von 50, verfehlte aber die Prognosen von 52,3. Zwar bedeutet dies eine Verbesserung gegenüber dem Vormonat (50,2), doch die verpasste Erwartungshaltung wird von vielen als negatives Signal für den US-Dollar und die Robustheit des Sektors gewertet. Noch deutlicher fielen die Bauausgaben im April aus: Statt des erwarteten Anstiegs um 0,3% meldete das Handelsministerium einen Rückgang um 0,4%. Besonders der private Wohnungsbau litt unter einem Minus von 0,9%, wobei Einfamilienhausprojekte sogar um 1,1% nachgaben. Als Gründe werden höhere Kreditkosten, ein steigendes Angebot an unverkauften Häusern – das höchste seit 2007 – und die allgemeine Unsicherheit durch Trumps Handelspolitik genannt, einschließlich der jüngsten Verdopplung der Zölle auf Stahl und Aluminium auf 50%. Auch die Bauausgaben der Industrie gingen zurück. Einziger Lichtblick waren steigende Ausgaben der öffentlichen Hand. Diese Konjunktursorgen wiegen schwer.

Fed im Dilemma: Zinspolitik zwischen Inflation und Rezessionsangst

Angesichts dieser Gemengelage richten sich alle Augen gespannt auf die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Ihre Vertreter sehen sich mit einer komplexen Herausforderung konfrontiert. Lorie Logan, Präsidentin der Dallas Fed, betonte gestern, die Geldpolitik sei „wirklich gut positioniert, damit wir warten und geduldig sein und die Daten beobachten können.“ Die Fed sei bereit zu handeln, falls sich die Risiken wesentlich veränderten. Im Fokus stehe für sie die Inflation, die mit zuletzt 2,1% (PCE-Preisindex) leicht über dem 2%-Ziel der Fed liegt. Logan warnte, dass die von Trump verhängten Zölle die Inflation weiter anheizen könnten, da viele Unternehmen erwarten, die höheren Importkosten an die Verbraucher weiterzugeben. Das Risiko sei, dass sich höhere Inflationserwartungen verfestigen. Gleichzeitig könnten Zölle und die damit verbundene Unsicherheit die Wirtschaft auch verlangsamen.

Ihr Kollege Austan Goolsbee, Präsident der Chicago Fed, äußerte sich vorsichtig optimistischer. Er geht weiterhin davon aus, dass die Fed die Zinsen senken könne, sobald die „Unklarheiten durch die Zollpolitik“ beseitigt seien. Wenn die Wirtschaft stabil bleibe und die Zölle nicht so aggressiv ausfielen wie befürchtet, könnte der Leitzins in den nächsten 15 Monaten „ein gutes Stück“ niedriger liegen. Bis dahin scheint die Fed aber im Abwartemodus. Für die nächste Sitzung in etwa zwei Wochen wird allgemein erwartet, dass die Leitzinsen in der aktuellen Spanne von 4,25% bis 4,50% belassen werden. Die Finanzmärkte preisen eine erste Zinssenkung erst für September ein. Die große Frage bleibt: Wie wird die Fed reagieren, wenn Zölle gleichzeitig die Inflation antreiben und das Wachstum bremsen? Ein klassisches Dilemma für die Fed Zinspolitik.

US-Wirtschaftsdaten im Fokus: Jobmarkt und Industrie auf dem Prüfstand

Der heutige Dienstag verspricht weitere, potenziell richtungsweisende Einblicke in den Zustand der US-Wirtschaftsdaten. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten JOLTs-Daten zu den offenen Stellen für Mai. Ökonomen erwarten hier einen leichten Rückgang von zuvor 7,192 Millionen auf 7,100 Millionen. Ein stärkerer Einbruch könnte als weiteres Warnsignal für eine Abkühlung des bisher robusten Arbeitsmarktes interpretiert werden. Ebenfalls mit Spannung erwartet werden die Daten zu den Industrieaufträgen für April. Hier prognostizieren Experten einen deutlichen Rückgang um 3,1%, nach einem Plus von 3,4% im Vormonat. Weitere Indikatoren wie der Redbook-Index zum Einzelhandelsumsatz, die Verkaufszahlen für Fahrzeuge und der IBD/TIPP-Index zum Wirtschaftsoptimismus werden das Bild abrunden.

Zusätzliche Brisanz erhalten die Daten durch geplante Auftritte mehrerer Fed-Vertreter, darunter erneut Austan Goolsbee sowie Fed-Gouverneurin Lisa Cook und Lorie Logan. Marktteilnehmer werden jedes Wort auf die Goldwaage legen, um Hinweise auf die künftige Geldpolitik zu erhalten.

Ein beunruhigendes Signal kam gestern bereits aus Mexiko: Die Rücküberweisungen von im Ausland arbeitenden Mexikanern – überwiegend aus den USA – brachen im April im Jahresvergleich um 12,1% ein. Dies ist der stärkste Rückgang seit über einem Jahrzehnt. Gabriela Siller, Wirtschaftsanalytexpertin bei Banco Base, nannte die Daten „schrecklich“ und führte den Einbruch auf eine Verschlechterung des US-Arbeitsmarktes und die Angst von Migranten vor Jobverlust oder Abschiebung zurück. Dies könnte ein weiteres Indiz für eine Verlangsamung der US-Konjunktur sein. Für den am Freitag erscheinenden offiziellen US-Arbeitsmarktbericht für Mai erwarten Ökonomen ohnehin nur noch einen Stellenzuwachs von rund 130.000 nach 177.000 im Vormonat, bei einer stabilen Arbeitslosenquote von 4,2%.

Ausblick: Nervosität bleibt – Was kommt nach dem Datenhagel?

Die Finanzmärkte bleiben gefangen zwischen Hoffen und Bangen. Die eskalierenden Handelskonflikte, insbesondere zwischen den USA und China, sowie die unklare Wirkung der aggressiven Zollpolitik Donald Trumps bleiben der größte Unsicherheitsfaktor. Die gestern veröffentlichten, eher schwachen Konjunkturdaten zum verarbeitenden Gewerbe und den Bauausgaben haben die Sorgenfalten der Anleger vertieft. Die US-Notenbank Fed signalisiert Geduld und Datenabhängigkeit, steht aber vor dem schwierigen Spagat, Inflation und Wachstumsrisiken gleichermaßen im Blick zu behalten.

Die heute und im weiteren Wochenverlauf erwarteten Wirtschaftsdaten, insbesondere vom Arbeitsmarkt, werden entscheidend für die kurzfristige Stimmung sein. Die Reaktionen an den Märkten spiegeln die Verunsicherung wider: Der US-Dollar geriet gestern unter Druck, während als sicher geltende Häfen wie Gold zulegen konnten. Auch die Rohstoffmärkte zeigen sich volatil, wobei Ölpreise nach einer OPEC+ Entscheidung anzogen und Industriemetalle wie Aluminium und Stahl von den Zolldrohungen beeinflusst wurden. Parallel dazu blicken die Märkte auch nach Europa, wo eine Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet wird.
Für Anleger bedeutet dies: Die kommenden Tage erfordern starke Nerven und eine genaue Beobachtung der Nachrichtenlage. Die Frage, ob die US-Wirtschaft lediglich eine Verschnaufpause einlegt oder vor einer ernsteren Korrektur steht, bleibt vorerst unbeantwortet.

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