Die aggressive Handelspolitik der USA unter Präsident Donald Trump versetzt die globalen Finanzmärkte in helle Aufregung. Die Verunsicherung über drohende US-Zölle und unberechenbare politische Manöver zieht weite Kreise und zwingt Regierungen wie Unternehmenslenker weltweit zu Reaktionen. Von den ASEAN-Staaten über Europa bis hin zu den Rohstoff- und Währungsmärkten sind die Auswirkungen spürbar. Doch was bedeutet dieses handelspolitische Erdbeben konkret für Anleger und die Weltwirtschaft?
Handelskriegsangst und Internationale Reaktionen
Die Androhung von Strafzöllen in Höhe von 50 % auf EU-Importe, deren Frist US-Präsident Trump kürzlich auf den 9. Juli verschob, um Verhandlungen zu ermöglichen, hält die Märkte in Atem. Diese erneute Eskalationsdrohung, kurz nachdem eine Einigung im Handelsstreit mit China für eine vorübergehende Deeskalation gesorgt hatte, unterstreicht die Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik. Die ASEAN-Staaten reagierten bereits auf die sogenannten "Liberation Day"-Zölle und signalisierten auf ihrem Gipfel in Kuala Lumpur Geschlossenheit. Unter Führung des malaysischen Premiers Anwar Ibrahim einigte man sich darauf, dass bilaterale Abkommen mit Washington nicht zum Nachteil anderer Mitgliedsstaaten ausfallen dürfen – ein Versuch, die Wirtschaftsinteressen der rund 660 Millionen Menschen in der Region zu schützen.
Auch in Europa wächst die Besorgnis. Italiens einflussreicher Industrieverband Confindustria forderte die Europäische Union am Dienstag auf, Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen wie dem Mercosur, Australien und Indien sowie mit den ASEAN-Ländern und der Afrikanischen Union zu beschleunigen, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Diese Forderung spiegelt die tiefe Verunsicherung wider, die Trumps Zollpolitik in den exportorientierten europäischen Volkswirtschaften auslöst.
Konkrete Auswirkungen zeigen sich bereits in den USA selbst: Die Aufträge für langlebige Güter brachen im April um 6,3 % ein, was Analysten auf die Vorsicht der Unternehmen angesichts der volatilen Handelsaussichten zurückführen. Zwar stiegen die Kernaufträge ohne Transportgüter leicht, doch das Gesamtbild bleibt eingetrübt.
Turbulenzen an Rohstoff- und Währungsmärkten
Die Handelspolitik hat auch direkte Auswirkungen auf spezifische Märkte. So verzeichnete die Schweiz, ein globales Drehkreuz für Goldhandel und -raffination, im April Rekord-Goldimporte aus den USA. Mit 63 Tonnen erreichte der Zufluss den höchsten Stand seit mindestens 2012. Dies wird auf die Ausnahme von Edelmetallen von den US-Importzöllen zurückgeführt, was offenbar zu einer Verlagerung der Handelsströme führte, da Händler zuvor versuchten, sich gegen mögliche breite Zölle auf Goldimporte abzusichern. Gleichzeitig fielen die Schweizer Goldexporte in die USA massiv, während Lieferungen nach Großbritannien zunahmen, was auf eine Rückführung von Gold in Londoner Tresore über Schweizer Raffinerien hindeutet.
Am Devisenmarkt profitierte der US-Dollar am Dienstag von der vorläufigen Entspannung im EU-Handelsstreit, nachdem Trump die Zollfrist verschoben hatte. Der Dollar-Index legte zu, während der Euro nachgab. Besonders deutlich war die Dollar-Stärke gegenüber dem japanischen Yen, der durch einen starken Rückgang der Renditen langlaufender japanischer Staatsanleihen unter Druck geriet. Marktbeobachter sehen dies als Reaktion auf Berichte, wonach das japanische Finanzministerium eine Reduzierung der Emissionen super-langer Anleihen erwägt.
Parallel dazu versucht die Ukraine, mit einem von Trump forcierten Rohstoffabkommen US-Investitionen anzuziehen. Das Land, das über bedeutende Vorkommen an kritischen Mineralien verfügt, hofft, durch eine Modernisierung des Sektors und die Zusammenarbeit mit den USA Milliarden an Investitionen zu generieren, um die vom Krieg stark getroffene Wirtschaft wiederaufzubauen.
US-Fiskalpolitik als zusätzlicher Unsicherheitsfaktor
Neben der Handelspolitik sorgt auch die US-Fiskalpolitik für Nervosität an den Märkten. Investoren befürchten eine weitere Verschlechterung der US-Haushaltslage, da ein umfassendes Steuer- und Ausgabengesetz den Senat passieren soll. Die vom Repräsentantenhaus verabschiedete Version würde die US-Staatsschulden über die nächsten zehn Jahre laut Congressional Budget Office um rund 3,8 Billionen Dollar erhöhen. Diese Entwicklung, gepaart mit der jüngsten Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Moody’s am 16. Mai, belastet insbesondere langlaufende US-Staatsanleihen und lässt deren Renditen steigen. Analysten warnen, dass Ausgabenkürzungen im Senat weiter verwässert und zusätzliche Stimuli hinzugefügt werden könnten, was das Defizit noch vergrößern würde. Während das Weiße Haus argumentiert, die Steuersenkungen würden sich durch höheres Wirtschaftswachstum selbst finanzieren und zu massiven Defizitreduktionen führen, bleiben viele Marktteilnehmer skeptisch.
Nationale Herausforderungen und Marktanpassungen
Die globalen Verwerfungen und die Unsicherheit durch die US-Politik haben auch lokale Auswirkungen. In Deutschland beispielsweise trübt die Unsicherheit über US-Zölle und die allgemeine Konjunkturlage den Immobilienmarkt. Obwohl die Preise für Wohnimmobilien 2025 voraussichtlich um 3 % steigen werden, bleibt das Angebot an bezahlbarem Wohnraum knapp und die Erschwinglichkeit dürfte sich laut einer Reuters-Umfrage unter Analysten weiter verschlechtern. Steigende Baukosten und ein massiver Rückgang der Baugenehmigungen verschärfen die Wohnungsknappheit, was insbesondere die Mietpreise in Metropolregionen weiter antreiben dürfte.
Auch andere Nationen suchen nach Stabilität in diesem unsicheren Umfeld: Spanien plant die Emission einer neuen zehnjährigen Staatsanleihe und hat hierfür ein Bankenkonsortium mandatiert. Die Transaktion soll in naher Zukunft, abhängig von den Marktbedingungen, erfolgen. Selbst Länder wie Israel sehen sich mit komplexen Haushaltsentscheidungen konfrontiert. Ein hoher Beamter des Finanzministeriums betonte die Notwendigkeit, das Haushaltsdefizit für 2026 auf maximal 4 % des BIP zu begrenzen, um ein Gleichgewicht zwischen den stark gestiegenen Verteidigungsausgaben und zivilen Notwendigkeiten wie Bildung und Infrastruktur zu wahren.
Ausblick: Anspannung bleibt hoch
Die Finanzmärkte bleiben im Bann der unberechenbaren US-Politik. Die Drohung mit neuen Zöllen, gepaart mit einer expansiven Fiskalpolitik in den USA, schafft ein Umfeld erhöhter Volatilität und Unsicherheit. Die kommenden Wochen, insbesondere im Hinblick auf die US-EU-Handelsgespräche und die Debatte um das US-Steuergesetz im Senat, dürften entscheidend dafür sein, ob sich die handelspolitischen Spannungen weiter zuspitzen oder ob eine diplomatische Deeskalation gelingt. Anleger weltweit werden die Entwicklungen genau beobachten müssen, denn die Auswirkungen auf Konjunktur, Unternehmensgewinne und Währungen könnten erheblich sein. Die Suche nach sicheren Häfen und die Anpassung von Handels- und Investitionsstrategien dürfte die Agenda in den kommenden Monaten dominieren.