Die aggressive Handelspolitik der Trump-Administration mit ihren weitreichenden US-Zöllen hält die Weltwirtschaft weiter in Atem und zwingt Unternehmen sowie ganze Nationen zu drastischen Anpassungen. Während Washington von „Dutzenden“ neuer Handelsabkommen in naher Zukunft spricht und erste Erfolge wie den Deal mit Großbritannien feiert, bleibt eine fundamentale Unsicherheit bestehen: Führt dieser konfrontative Kurs tatsächlich zu "fairen und ausgewogenen" globalen Handelsbeziehungen oder stürzt er die Weltwirtschaft tiefer in ein Chaos aus Protektionismus, eskalierenden Gegenmaßnahmen und kostspieligen Produktionsverlagerungen? Die Ereignisse der letzten Tage zeichnen ein komplexes Bild aus Hoffnungsschimmern und tiefgreifenden Verwerfungen.
Trumps Zoll-Dogma: 10 Prozent als neue Basislinie
Im Zentrum der aktuellen US-Handelspolitik steht eine klare Ansage: Ein Basiszoll von 10 Prozent auf die meisten Importe wird wohl bleiben, wie US-Handelsminister Howard Lutnick am Donnerstag in einem Interview bekräftigte. Für Länder, die ein Handelsdefizit mit den USA aufweisen, könnten die Zölle sogar noch höher ausfallen. „Selbst wenn sie ihre Märkte wirklich öffnen und sich ernsthaft um einen fairen und ausgewogenen Handel mit Amerika bemühen, ist das Beste, was sie erreichen können, 10 Prozent. Wahrscheinlich werden sie höher liegen“, so Lutnick. Diese harte Linie ist Teil einer umfassenderen Strategie, die bereits zu 25-prozentigen Zöllen auf Autos, Stahl und Aluminium sowie spezifischen hohen Zöllen gegen Handelspartner wie Kanada, Mexiko und insbesondere China (145 Prozent) geführt hat.
Trotz dieser rigiden Haltung kündigte Lutnick an, dass „über den nächsten Monat oder so Dutzende von Deals ausgerollt“ würden. Ein erster dieser Deals wurde mit Großbritannien geschlossen. London erklärte sich bereit, seine Zölle von 5,1 auf 1,8 Prozent zu senken und US-Waren besseren Marktzugang zu gewähren. Im Gegenzug bleiben jedoch die 10 Prozent Basiszoll auf britische Importe in die USA bestehen. Analysten wie Brian Jacobsen von Annex Wealth Management sehen darin "niedrig hängende Früchte", da die USA ohnehin einen Handelsüberschuss mit Großbritannien erzielen, und bezweifeln, dass dies eine Vorlage für komplexere Verhandlungen, etwa mit China, sein kann.
Lieferketten im Würgegriff: Die Solarindustrie als Lehrstück
Die drastischen Auswirkungen der US-Zölle auf globale Lieferketten lassen sich exemplarisch in der Solarindustrie beobachten. Um Dumping durch meist chinesische Firmen zu verhindern, verhängten die USA bereits im vergangenen Jahr in mehreren Runden hohe Strafzölle auf Solarzellen und -module aus Vietnam, Malaysia, Thailand und Kambodscha. Die Reaktion der betroffenen, überwiegend chinesisch geführten Unternehmen war schnell und strategisch: Produktionskapazitäten wurden umgehend nach Indonesien und Laos verlagert.
Die Folge: Der kombinierte Marktanteil von Indonesien und Laos am US-Markt für Solarmodule explodierte von unter einem Prozent im Jahr 2023auf 29 Prozent in den drei Monaten nach der zweiten Zollrunde Ende November. Gleichzeitig brachen die Exporte aus den vier ursprünglich mit Zöllen belegten südostasiatischen Ländern in die USA seit Juni um ein Drittel ein. Yana Hryshko von der Beratungsfirma Wood Mackenzie erwartet, dass die Produktionskapazitäten in diesen vier Ländern nun "wahrscheinlich stillgelegt oder dramatisch reduziert" werden. Experten sind sich einig, dass diese Verlagerungen primär dazu dienen, die US-Zölle zu umgehen und den hochpreisigen US-Markt weiterhin bedienen zu können. Dies zeigt die Grenzen handelspolitischer Interventionen Washingtons auf. Bereits jetzt, so Fei Chen von Rystad Energy, planen chinesische Hersteller weitere Produktionsverlagerungen in Regionen außerhalb Südostasiens, wie die Türkei, Oman, Saudi-Arabien oder Äthiopien, um den US-Markt zu beliefern. China selbst, das seit über einem Jahrzehnt weitgehend vom US-Markt ausgeschlossen ist, fokussiert seine Solarpanel-Exporte nun verstärkt auf Asien und Afrika.
Internationale Reaktionen: Zwischen Zinssenkung und Börsenjubel
Die globalen wirtschaftlichen Verflechtungen sorgen dafür, dass die US-Handelspolitik unmittelbare Auswirkungen auf Entscheidungen anderer Notenbanken und die Stimmung an den internationalen Finanzmärkten hat. So senkte die Bank of England (BoE) am Donnerstag ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent. Die BoE begründete dies unter anderem mit den von den USA und anderen Ländern erhöhten Zöllen, die das britische Wirtschaftswachstum belasten und den Inflationsdruck in Großbritannien dämpfen dürften. Die Entscheidung fiel im geldpolitischen Ausschuss jedoch überraschend uneinheitlich (5-4 Stimmen), was die Unsicherheit über den weiteren Kurs widerspiegelt. Zwei Mitglieder hatten gar für eine stärkere Zinssenkung plädiert, während zwei weitere die Zinsen unverändert lassen wollten.
An der Wall Street hingegen sorgten der Handelsdeal mit Großbritannien und positive Signale von Präsident Trump bezüglich bevorstehender Verhandlungen mit China für eine deutliche Rallye am Donnerstag. Trump äußerte die Erwartung "substanzieller Verhandlungen" mit Peking am kommenden Wochenende und zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung erzielt und die hohen Strafzölle gegen China gesenkt werden könnten. Der Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq verzeichneten deutliche Kursgewinne. Insbesondere Aktien von Fluggesellschaften und Boeing profitierten von Ausnahmeregelungen im UK-Deal und einem angekündigten Flugzeugkauf durch Großbritannien. Der marktbreite Russell 2000 Index für kleinere Unternehmen erreichte den höchsten Stand seit Anfang April, dem Zeitpunkt der ursprünglichen Zollankündigungen.
Diese positive Stimmung steht jedoch im Kontrast zu den grundlegenden Sorgen um die Weltwirtschaft. In Japan beispielsweise sanken die Reallöhne im März den dritten Monat in Folge, was die Wachstumsaussichten trübt. Ökonomen erwarten für das erste Quartal gar eine Kontraktion der japanischen Wirtschaft, was die Verwundbarkeit auch großer Industrienationen gegenüber globalen Handelsunsicherheiten und Inflationsdruck unterstreicht.
Marktunsicherheit Persistiert: Fed-Reden im Fokus des Freitags
Trotz der jüngsten Erholung an den US-Börsen bleibt die Nervosität an den Finanzmärkten hoch. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte die Zinsen am Mittwoch unverändert gelassen und auf erhöhte Inflations- und Arbeitslosigkeitsrisiken hingewiesen, was die Konjunkturaussichten für die weltgrößte Volkswirtschaft eintrübt. Die Markterwartungen für eine erste Zinssenkung durch die Fed im Juli sind deutlich gesunken.
An diesem Freitag, dem 09. Mai 2025, richten sich die Augen der Anleger auf eine Reihe von Reden hochrangiger Fed-Vertreter, darunter Williams, Barr, Goolsbee und Waller. Von ihren Äußerungen erhoffen sich Marktteilnehmer neue Hinweise auf den künftigen geldpolitischen Kurs der Zentralbank. Zusätzlich veröffentlichte Daten vom US-Arbeitsmarkt zeigten ein gemischtes Bild: Während die wöchentlichen Anträge auf Arbeitslosenunterstützung stärker als erwartet sanken, ging die Arbeitsproduktivität im ersten Quartal erstmals seit fast drei Jahren zurück.
Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob die von der Trump-Administration angekündigten Handelsabkommen tatsächlich zu einer Stabilisierung der globalen Handelsströme führen oder ob die US-Zölle und die damit verbundenen Unsicherheiten die Weltwirtschaft weiterhin belasten. Für Unternehmen und Investoren bedeutet dies, sich auf eine Ära anhaltender handelspolitischer Spannungen einzustellen, die schnelle Anpassungsfähigkeit und strategische Weitsicht erfordert. Die Hoffnung auf eine Deeskalation, insbesondere im Handelskonflikt mit China, bleibt ein wichtiger Treiber, doch die "neue Normalität" scheint zunächst von fortgesetzter Volatilität und der ständigen Drohung neuer Zölle geprägt zu sein.