Die globalen Finanzmärkte navigieren am 05. Juni 2025 weiterhin durch ein Minenfeld, angeführt von der unberechenbaren US-Handelspolitik und den damit verbundenen Zöllen. Diese schaffen ein Klima der Unsicherheit, das Zentralbanken weltweit zu Balanceakten zwingt und Unternehmen vor immense strategische Herausforderungen stellt. Selbst kurzfristige positive Signale, wie mögliche Handelsgespräche zwischen den USA und China, die die US-Aktienmärkte zu Handelsbeginn leicht stützten, können die tiefgreifende Verunsicherung kaum mildern, die sich wie ein Schleier über die Weltwirtschaft gelegt hat. Die Investoren blicken gespannt auf wichtige US-Arbeitsmarktdaten, um die Gesundheit der größten Volkswirtschaft inmitten dieser handelspolitischen Turbulenzen besser einschätzen zu können.
Zentralbanken im Würgegriff der US-Handelspolitik
Die aggressive Rhetorik aus dem Weißen Haus und die unvorhersehbaren Zollankündigungen haben die Prognosefähigkeit der Zentralbanken weltweit massiv beeinträchtigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) sah sich gezwungen, am Donnerstag die Zinsen erneut zu senken – die achte Senkung innerhalb eines Jahres, die den Einlagensatz auf 2,0 % drückte. Damit bewegt sich die EZB nun im sogenannten "neutralen" Zinsbereich, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, man werde datenabhängig und von Sitzung zu Sitzung entscheiden, ohne sich auf einen bestimmten Zinspfad festzulegen. Obwohl die Inflation im Euroraum wieder auf dem Zwei-Prozent-Ziel liegt, dämpfen die Handelskonflikte die Konjunkturaussichten. Viele Beobachter erwarten eine Pause im Zinssenkungszyklus im Juli, da die EZB die Auswirkungen der globalen Unsicherheiten neu bewerten muss. Längerfristig könnten jedoch steigende Staatsausgaben, etwa für Verteidigung und die grüne Transformation, sowie höhere Handelsbarrieren den Preisdruck wieder erhöhen.
Auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) befindet sich in einer Zwickmühle. Trotz des anhaltenden Drängens von Präsident Trump nach Zinssenkungen wird erwartet, dass die Fed bei ihrer nächsten Sitzung am 18. Juni die Zinsen unverändert im Bereich von 4,25 % bis 4,5 % belässt. Die Unsicherheit durch die Handelspolitik und widersprüchliche Wirtschaftsdaten – wie ein Rückgang im Dienstleistungssektor und ein schwächer als erwartet ausgefallener privater Arbeitsmarktbericht (ADP) – legen eine abwartende Haltung nahe. Steigende Fabrikabgabepreise bei gleichzeitig sinkenden Industrieaufträgen deuten auf Stagflationsrisiken hin, die sich bei einer Entspannung im Handelsstreit jedoch mildern könnten. Die Märkte preisen dennoch weitere Zinssenkungen um rund 50 Basispunkte bis Jahresende ein.
Andere Zentralbanken reagieren unterschiedlich auf die globale Gemengelage: Die Schweizer Nationalbank könnte angesichts eines starken Frankens und erstmalig seit vier Jahren fallender Konsumentenpreise wieder Negativzinsen einführen. Die Bank of Canada deutet nach zwei Zinspausen weitere Senkungen an, falls sich die Konjunktur abschwächt. Neuseeland dürfte nach einer Zinssenkung im Mai vorerst stillhalten, während Schwedens Riksbank nach einer BIP-Schrumpfung im ersten Quartal auf weitere Lockerungen zusteuert. Die Bank of England bleibt nach einer Zinssenkung und einer uneinheitlichen Abstimmung unter den Währungshütern vorsichtig. Im Gegensatz dazu ist die Reserve Bank of Australia bereit, die Zinsen rasch zu senken, um die von einem US-chinesischen Handelskrieg bedrohte Rohstoffwirtschaft zu stützen. Norwegens Zentralbank hingegen hat Lockerungspläne aufgrund neuer Inflationsgefahren durch eine schwächere Krone verworfen. Selbst die Bank of Japan, von der lange Zinserhöhungen erwartet wurden, zögert angesichts der unklaren Auswirkungen von Zöllen auf Exporte und Inflation.
Unternehmen und Märkte: Strategien im Nebel der Zölle
Die anhaltende Ungewissheit zwingt Unternehmen zu Anpassungen und erhöht die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten. John Waldron, Präsident von Goldman Sachs, erklärte, die Investmentbank habe ihre Risikopositionierung seit Trumps Zollankündigungen im April "moderat" angepasst und bereite sich mit höheren Liquiditätspuffern auf weitere Unsicherheiten vor. Die Zölle seien "sehr, sehr disruptiv". Unternehmen würden zunehmend Geschäftsentscheidungen, etwa zu Investitionen, Fusionen und Übernahmen sowie Aktienrückkäufen, auf der Annahme treffen, dass Zölle im Bereich von 10 % bis 15 % Realität werden.
Diese Verunsicherung fördert auch alternative Finanzierungsformen. Der Markt für Private Credit, also Kredite außerhalb des traditionellen Bankensystems und der öffentlichen Kapitalmärkte, erlebt einen Boom. Angesichts der Marktvolatilität und der Zollunsicherheit suchen insbesondere mittelständische Unternehmen nach flexiblen Finanzierungsalternativen. JPMorgan Chase sieht hier erhebliches Wachstumspotenzial, vor allem in der Asien-Pazifik-Region, und will sein Direktkreditgeschäft weiter ausbauen. Weltweit ist dieser Markt in den letzten zehn Jahren von 500 Millionen auf 2 Billionen US-Dollar angewachsen.
Auch spezifische Branchen spüren den Druck. Im Vereinigten Königreich stiegen die Neuwagenzulassungen im Mai zwar den zweiten Monat in Folge, dies war jedoch primär auf aggressive Rabatte bei Elektrofahrzeugen (EVs) zurückzuführen. Insbesondere chinesische EV-Hersteller drängen mit Kampfpreisen auf den europäischen Markt, was die Margen etablierter Autobauer unter Druck setzt. Der Anteil von E-Autos an den Gesamtverkäufen lag bei über 47 %, wobei reine Batteriefahrzeuge ein Plus von 25,8 % verzeichneten.
Die Währungsmärkte spiegeln die Nervosität wider. Der US-Dollar konnte sich am Donnerstag nach vorheriger Schwäche, ausgelöst durch enttäuschende US-Konjunkturdaten, leicht erholen. Der Euro notierte vor der EZB-Entscheidung stabil nahe eines Sechs-Wochen-Hochs. Insgesamt hat der Dollar-Index, der den Greenback mit sechs anderen Hauptwährungen misst, in diesem Jahr rund 9 % nachgegeben und steuert auf seine schwächste Jahresperformance seit 2017 zu.
Globale Handelsspannungen und fiskalische Sorgen
Während die US-Regierung ihre Zollpolitik vorantreibt, gibt es auch Bemühungen um Deeskalation. Indien und die USA führen diese Woche hochrangige Gespräche mit dem Ziel, Zölle in Sektoren wie Landwirtschaft und Automobile im Rahmen eines Interimsabkommens zu senken. Eine Ankündigung könnte noch vor der von Präsident Trump gesetzten Frist am 9. Juli erfolgen. Indien, gestärkt durch jüngste Handelsabkommen mit Großbritannien und Verhandlungen mit der EU, widersteht jedoch US-Forderungen nach einer Öffnung seiner Agrar- und Milchmärkte. Trotz dieser Verhandlungen bestehen erhebliche Differenzen, etwa bei den durchschnittlichen indischen Agrarzöllen von 39 %.
In Japan führte eine schwache Auktion für 30-jährige Staatsanleihen zu Kursgewinnen bei diesen Papieren, da die Erwartung wächst, das Finanzministerium könnte die Emissionen super-langer Anleihen reduzieren. Dies verdeutlicht die angespannte Lage auch an den Anleihemärkten und die Suche nach Stabilität.
Abseits der Handelspolitik werfen Analysten auch ein kritisches Auge auf die US-Fiskallage. Obwohl Goldman-Präsident Waldron die US-Wirtschaft dank eines soliden Arbeitsmarktes und starker Konsumausgaben weiterhin als robust einschätzt und keine Rezession erwartet, wächst die Besorgnis über das "nicht nachhaltige" US-Haushaltsdefizit und den Schuldenberg von 36 Billionen US-Dollar. Die Ratingagentur Moody’s hatte die Kreditwürdigkeit der USA bereits im Vormonat herabgestuft. Waldron warnte, der Anleihemarkt beginne, "gehört zu werden", und hoffte auf Aufmerksamkeit im Kongress. Die Entwicklung der Zinsen, insbesondere am langen Ende, sei die größte Frage für die Märkte und könnte das Wirtschaftswachstum bremsen.
Ausblick: Fahren auf Sicht in stürmischen Zeiten
Die Finanzmärkte bleiben auf absehbare Zeit Geiseln der geopolitischen Spannungen und der unberechenbaren Handelspolitik. Die von Zentralbanken und Unternehmen ergriffenen Maßnahmen sind oft Reaktionen auf eine sich ständig verändernde Nachrichtenlage. Die kommenden US-Arbeitsmarktdaten am Freitag (erwartet wird ein Zuwachs von 130.000 Stellen außerhalb der Landwirtschaft bei einer stabilen Arbeitslosenquote von 4,2 %) werden weitere wichtige Hinweise auf die Stärke der US-Wirtschaft liefern. Langfristig drohen die Zölle nicht nur das Wachstum zu bremsen und die Inflation anzuheizen, sondern auch etablierte globale Lieferketten nachhaltig zu verändern. Investoren und Entscheidungsträger werden weiterhin extrem wachsam die politischen und wirtschaftlichen Indikatoren verfolgen müssen, um in diesem volatilen Umfeld bestehen zu können. Die Suche nach Stabilität dürfte das bestimmende Thema der kommenden Monate bleiben.