Die Weltwirtschaft hält den Atem an, da die von den USA unter Präsident Donald Trump forcierte Handelspolitik und massive US-Zölle immer tiefere Spuren hinterlassen. Die im Mai 2025 verschärften Maßnahmen und die anhaltende Unsicherheit über zukünftige Schritte Washingtons sorgen für eine spürbare Abkühlung wichtiger Wirtschaftsindikatoren und zwingen Notenbanken rund um den Globus zu schwierigen Balanceakten. Von Produktionsdrosselungen in China bis hin zu vorsichtigen Zinsschritten in Australien – die globalen Finanzmärkte reagieren nervös auf die handelspolitischen Verwerfungen.
Chinas Produktionsflaute: Direkte Folge der US-Zölle
Die Auswirkungen der amerikanischen Handelspolitik zeigen sich besonders deutlich in China. Die Fabrikaktivität im Reich der Mitte ist im Mai 2025 zum ersten Mal seit acht Monaten geschrumpft, wie der Caixin/S&P Global Einkaufsmanagerindex (PMI) mit einem überraschenden Fall auf 48,3 Punkte signalisierte – der niedrigste Wert seit 32 Monaten. Ein Wert unter 50 deutet auf Kontraktion hin. Dieses Ergebnis deckt sich weitgehend mit dem offiziellen PMI, der ebenfalls einen Rückgang der Fabrikaktivität für den zweiten Monat in Folge auswies. Insbesondere der Caixin-Index, der stärker auf kleinere, private Unternehmen im Süden Chinas fokussiert, unterstreicht die Probleme.
Die Ursachen sind klar benannt: Die US-Zölle belasten die Auslandsnachfrage erheblich. Die neuen Exportaufträge sanken laut Caixin-Umfrage den zweiten Monat in Folge und dies im schnellsten Tempo seit Juli 2023. Dies zog die gesamten Neuaufträge auf den niedrigsten Stand seit September 2022. Als Konsequenz kontrahierte die Fabrikproduktion erstmals seit Oktober 2023, und die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe ging so stark zurück wie seit Jahresbeginn nicht mehr, da die Hersteller Personal abbauten.
Die Situation wird durch einen intensiven Preiswettbewerb im Inland verschärft, der die Erzeugerpreise seit sechs Monaten fallen lässt. Die Automobilindustrie beispielsweise leidet unter einem Preiskrieg, der Ängste vor einer lang erwarteten Marktbereinigung schürt. Robin Xing, Chefvolkswirt für China bei Morgan Stanley, sieht darin ein Anzeichen dafür, dass Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage die Deflation weiter anheizen. Obwohl die Rhetorik einer Neuausrichtung zunehme, bleibe das alte angebotsgetriebene Modell intakt, was eine Reflation erschwere.
Die Verhandlungen zwischen den USA und China, die Mitte Mai nach einer Zuspitzung der Zolldrohungen zu einem vorübergehenden Waffenstillstand geführt hatten, scheinen laut US-Finanzminister Scott Bessent ins Stocken geraten zu sein. Peking wies zudem Vorwürfe zurück, ein Handelsabkommen vom Mai verletzt zu haben, und kündigte an, seine Interessen zu wahren. Angesichts dieser Entwicklungen und der schwachen Wirtschaftsdaten wächst der Druck auf Peking, neue Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen, möglicherweise auch "unkonventionelle Maßnahmen", wie Premier Li Qiang andeutete.
Notenbanken im Dilemma: Wie auf US-Zölle und globale Unsicherheit reagieren?
Die von den US-Zöllen ausgehende Unsicherheit zwingt weltweit die Zentralbanken zu einer Gratwanderung. Die Reserve Bank of Australia (RBA) erwog auf ihrer Sitzung im Mai 2025 angesichts der signifikanten Risiken durch Trumps Zölle für das globale Wachstum und damit für das australische Geschäfts- und Konsumklima sogar eine deutliche Zinssenkung um 50 Basispunkte als eine Art "Versicherung". Letztendlich entschied sich das Board jedoch für einen vorsichtigeren Schritt und senkte den Leitzins um 25 Basispunkte auf 3,85%. Man sah zwar starke Argumente für eine Lockerung, sowohl national als auch global, hielt eine expansive Geldpolitik aber noch nicht für angebracht. Die Sorge, eine zu schnelle Lockerung später möglicherweise umkehren zu müssen, spielte dabei eine Rolle. Die heimische Inflation allein hätte laut Protokoll eine Zinssenkung gerechtfertigt, da die Kerninflation im ersten Quartal mit 2,9% wieder im Zielband der RBA von 2-3% lag. Die globale politische Unsicherheit habe den Ausschlag für ein vorsichtiges und vorhersehbares Vorgehen gegeben. Dennoch bleibt die Tür für weitere Zinsschritte offen, wobei Analysten mehrheitlich mit dem nächsten Schritt nach den Inflationsdaten für das zweite Quartal im August rechnen.
Passend zur nachlassenden Inflation hat Australiens unabhängige Lohnkommission für rund 2,6 Millionen Beschäftigte eine Anhebung des nationalen Mindestlohns um 3,5% ab dem 1. Juli 2025 beschlossen. Dies bedeutet eine Reallohnerhöhung und stützt die Binnennachfrage, während der australische Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote von 4,1% weiterhin robust ist.
In Japan betonte der Gouverneur der Bank of Japan, Kazuo Ueda, die Notwendigkeit, geldpolitische Entscheidungen ohne Vorfestlegungen zu treffen, da die Unsicherheit über die Zollpolitik verschiedener Länder extrem hoch sei. Man werde die Zinsen zwar weiter anheben, wenn sich Wirtschaft und Preise positiv entwickeln, müsse aber die globalen Entwicklungen genau beobachten.
Auch andere Volkswirtschaften spüren den Gegenwind. In Irland beispielsweise wuchs der produzierende Sektor im Mai zwar solide, getrieben von starker Inlandsnachfrage. Jedoch gingen die Exportaufträge den zweiten Monat in Folge zurück, hauptsächlich aufgrund verhaltener Verkäufe in die USA und nach Großbritannien – zwei wichtige Handelspartner. Dies verdeutlicht, wie stark die Exportnationen von der globalen Handelsstimmung abhängig sind.
In Brasilien hingegen signalisierte der Zentralbankchef Gabriel Galipolo, dass der geldpolitische Straffungszyklus noch nicht beendet sei. Nach einer Anhebung des Leitzinses auf 14,75% im Mai – den höchsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten – wollen die Währungshüter flexibel bleiben, um auf eingehende Daten reagieren zu können. Die brasilianische Wirtschaft zeige weiterhin eine überraschende Widerstandsfähigkeit.
Bumerang-Effekt: US-Wirtschaft und Dollar leiden unter eigener Handelspolitik
Die aggressive Handelspolitik der Trump-Administration zeitigt mittlerweile auch sichtbare negative Folgen für die US-Wirtschaft selbst. Der US-Dollar fiel Anfang Juni auf ein Sechs-Wochen-Tief gegenüber einem Korb wichtiger Währungen, ein Zeichen der Fragilität, die durch den Handelskrieg verursacht wird. Während sich die globalen Aktienmärkte von den Tariffdrohungen teilweise erholt haben, bleibt der Greenback unter Druck. Anstehende Daten zu Fabrikaufträgen und zum Arbeitsmarkt in den USA dürften weitere Hinweise auf die Belastungen liefern.
Die US-Zölle auf importierten Stahl und Aluminium sollen ab Anfang Juni auf 50% verdoppelt werden, was zwar heimische Produzenten kurzfristig stützen könnte, aber gleichzeitig die Inflationssorgen verstärkt und die Kosten für viele Unternehmen erhöht. Daten zeigten bereits im Mai, dass die US-Produktion den dritten Monat in Folge schrumpfte und Zollturbulenzen zu längeren Lieferzeiten führten.
Zusätzlich zu den Handelskonflikten belasten fiskalische Sorgen die Stimmung. Ein geplantes Steuer- und Ausgabenpaket, das die bereits hohe Staatsverschuldung von 36,2 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren um weitere 3,8 Billionen Dollar erhöhen könnte, wird im Senat debattiert. Diese "Sell America"-Thematik hat in den vergangenen Monaten bereits zu Abflüssen aus Dollar-Anlagen geführt. Die US-Aktienmärkte zeigten sich Anfang Juni leicht schwächer, wobei die Anleger nervös auf weitere Signale zur Handelspolitik und der Konjunktur warten.
Unsichere Aussichten: Handelspolitik bleibt bestimmender Faktor
Die Finanzmärkte blicken gespannt auf die kommenden Wirtschaftsdaten und die weiteren politischen Entwicklungen. Die US-Zölle und die damit verbundene Unsicherheit bleiben der dominante Faktor, der die globale Konjunktur und die Entscheidungen der Notenbanken maßgeblich beeinflusst. Während China bereits mit spürbaren wirtschaftlichen Folgen kämpft und nach Gegenmaßnahmen sucht, spüren auch die USA selbst die negativen Auswirkungen ihrer protektionistischen Agenda. Die Hoffnung auf eine rasche Deeskalation im Handelsstreit ist gering, und die Weltwirtschaft muss sich wohl auf eine längere Periode erhöhter Volatilität und gedämpften Wachstums einstellen. Ob die von einigen Notenbanken eingeleiteten oder angedachten Lockerungsmaßnahmen ausreichen werden, um einen stärkeren Abschwung zu verhindern, bleibt abzuwarten. Viel wird davon abhängen, ob es Washington gelingt, die selbst entfachten handelspolitischen Brände wieder unter Kontrolle zu bringen.