Zinswende treibt Kreditmärkte an

Zentralbanken weltweit lockern die Geldpolitik, während Banken Kreditvergaberichtlinien entspannen. Polen und die Türkei gehen voran, während die Fed einen Kurswechsel erwägt.

Kurz zusammengefasst:
  • Polnische Banken lockern Kreditvergabekriterien deutlich
  • Fed-Senkungserwartungen nach schwachem Arbeitsmarktbericht
  • Türkei startet aggressiven Zinssenkungszyklus
  • Handelskonflikte belasten europäische Märkte

Die globalen Finanzmärkte stehen vor einem entscheidenden Wendepunkt. Während Zentralbanken weltweit ihre Geldpolitik lockern, reagieren Kreditinstitute mit deutlich entspannteren Kreditvergaberichtlinien – ein Trend, der bereits erste messbare Auswirkungen auf die Nachfrage zeigt.

Polnische Banken als Vorreiter der Lockerung

In Polen zeigt sich das Phänomen besonders deutlich: Bereits im zweiten Quartal 2025 lockerten Banken ihre Kreditvergabekriterien sowohl für Unternehmen als auch Privatkunden. Verantwortlich dafür waren vor allem der verschärfte Wettbewerb zwischen den Instituten und die sinkenden Zinsen. Im Mai senkte die polnische Zentralbank erstmals seit Oktober 2023 die Leitzinsen um 50 Basispunkte, gefolgt von weiteren 25 Basispunkten im Juli.

Die Auswirkungen ließen nicht auf sich warten: Die Kreditnachfrage stieg merklich an. Unternehmen fragten vermehrt Kapital für Fusionen, Übernahmen und Betriebsmittelfinanzierung nach. Gleichzeitig führten die verbesserte Finanzlage der Haushalte und niedrigere Kreditzinsen zu einer höheren Nachfrage nach Hypotheken- und Verbraucherkrediten.

Fed vor Kurswechsel

Auch in den USA verdichten sich die Anzeichen für eine Zinswende. Ein schwacher Arbeitsmarktbericht verstärkte die Erwartungen, dass die Federal Reserve bereits bei ihrer September-Sitzung erstmals seit längerer Zeit die Zinsen senken könnte. Die Wahrscheinlichkeit für eine Senkung um 25 Basispunkte liegt laut CME FedWatch Tool bei nahezu 80 Prozent.

Analysten von Nomura argumentieren, dass die Fed bei einer Berücksichtigung der jüngsten Arbeitsmarktdaten bereits in der vergangenen Woche die Zinsen gesenkt hätte. Besonders die deutlichen Abwärtsrevisionen der Beschäftigungszahlen für Mai und Juni signalisierten eine schwächere Wirtschaftsdynamik als ursprünglich angenommen.

Türkei setzt auf aggressive Zinspolitik

Einen besonders drastischen Schritt unternahm die türkische Zentralbank: Mit einer Zinssenkung um 300 Basispunkte leitete sie einen neuen Lockerungszyklus ein. Trotz dieser expansiven Geldpolitik fiel die Inflation im Juli überraschend deutlich auf 33,52 Prozent – weniger als die von Analysten erwarteten 34,05 Prozent.

Die monatliche Inflationsrate lag bei 2,06 Prozent und damit ebenfalls unter den Prognosen von 2,4 Prozent. Allerdings stiegen die Preise in einzelnen Sektoren weiterhin kräftig an, insbesondere bei Wohnkosten (+5,78 Prozent) und alkoholischen Getränken sowie Tabak (+5,69 Prozent).

Europäische Märkte unter Druck

Während sich die Zinsperspektiven aufhellen, trüben Handelskonflikte die Stimmung in Europa. Das neue Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, das Importzölle von 15 Prozent auf die meisten EU-Waren vorsieht, belastet die Investorenstimmung erheblich. Der Sentix-Index für die Eurozone fiel im August unerwartet auf minus 3,7 Punkte, nachdem er drei Monate in Folge gestiegen war.

Besonders hart traf es Deutschland: Der Sentix-Index für Europas größte Volkswirtschaft stürzte von minus 0,4 auf minus 12,8 Punkte ab. Deutsche Maschinenbauer spüren die Unsicherheit bereits konkret: Die Auftragseingänge sanken im Juni um fünf Prozent im Jahresvergleich. Johannes Gernandt, Chefvolkswirt des Branchenverbands VDMA, kann die Auswirkungen der neuen 15-Prozent-Zölle noch nicht abschätzen, sieht aber zumindest "Planungssicherheit auf hohem Kostenniveau".

Märkte zwischen Hoffnung und Sorge

An den US-Börsen reagierten Anleger gemischt auf die jüngsten Entwicklungen. Während die Aussicht auf niedrigere Zinsen Unterstützung bot, belasteten Handelsunsicherheiten und schwache Arbeitsmarktdaten. Futures deuteten zu Wochenbeginn dennoch auf eine Erholung hin, nachdem der S&P 500 den schlechtesten Tag seit über zwei Monaten erlebt hatte.

Gold profitierte von den Zinssenkungserwartungen und sprang am Freitag um über zwei Prozent an. Der Ölpreis blieb trotz einer geplanten Produktionssteigerung der OPEC+ stabil – ein Zeichen dafür, dass die Märkte weitere geldpolitische Impulse bereits einpreisen.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich die Hoffnung auf eine koordinierte globale Zinswende durchsetzt oder ob Handelskonflikte und geopolitische Spannungen die erwartete Kreditbelebung überlagern.

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